Eine Studie zeigt auf, dass die kriegsbedingte Krisensituation in Israel zu einer Gesundheitsverschlechterung der weiblichen Bevölkerung geführt hat.
Tamy K. ist bedrückt. Ihr Arzt hat ihr soeben mitgeteilt, dass eine Hautläsion in ihrem Gesicht entfernt werden muss. »Auch das noch!«, stöhnt die knapp 48-Jährige, die seit Beginn des Gaza-Kriegs aus dem Stress nicht mehr herauskommt. Zwei ihrer Söhne kämpfen in den Kriegsgebieten, ihre Tochter ist in der Cyberabwehr tätig.
Der Gedanke an sie alle und an die Gefahr, in der sie sich befinden, lässt sie nachts nicht schlafen. Zeit zum Ausruhen hat sie als führende Ärztin in einer Spitalsnotaufnahme aber kaum; sie ist rund um die Uhr im Einsatz. Im Fall von Tamy sind »Hautprobleme wohl auch genetisch bedingt«, der Druck und die Nervosität wegen des Kriegs und seiner vielschichtigen Auswirkungen trage aber wesentlich zum Ausbruch der Krankheit bei.
Eigene Gesundheit hintangestellt
Dass sich der Konflikt direkt auf die Gesundheit der Bevölkerung auswirkt, hat kürzlich auch eine Umfrage der Briah-Stiftung bestätigt. Die Organisation, die sich speziell um weibliche Gesundheitsbelange kümmert, hat 1.059 israelische Frauen zu ihrem Befinden befragt, wobei zwei Drittel eine Verschlechterung ihres psychischen Zustands beklagen. Hinzu kommen bei vielen hormonelle und stoffwechselbedingte Veränderungen, muskuloskelettale Schmerzen, Kopfweh, Hautprobleme und Schlafstörungen. Dementsprechend ist auch der Konsum von Medikamenten, insbesondere Schmerz-, Schlaf- und Beruhigungsmittel sowie Antidepressiva in die Höhe geschnellt.
Seit einiger Zeit werden die israelischen Frauen als wahre Heldinnen dieses Kriegs gefeiert. Gemeint sind damit aber nicht nur die Soldatinnen, sondern auch um Frauen im Zivilbereich, deren Männer eingerückt sind und die den Alltag nun im Alleingang bewältigen müssen. Sie versorgen die Kinder, gehen ihren Berufen nach, organisieren den Haushalt und springen in sozialen und karitativen Bereichen unterstützend ein.
Der Druck, den diese vielen Herausforderungen erzeugen, beeinträchtigt über kurz oder lang die Gesundheit – eine Tatsache, die von Frauen tunlichst ignoriert wird. »Frauen kümmern sich um alle, vernachlässigen aber oft die eigene Gesundheit«, erklärt Galit Neufeld Kroszynski von der Universität Tel Aviv und der Briah-Stiftung, die gemeinsam mit Nehama HaCohen und Nehora Alterman die Umfrage durchgeführt hat.
Evakuierte Frauen stärker betroffen
Die gesundheitlichen Schäden, die der Krieg verursacht, treten bei Frauen aus den Evakuierungszonen im Norden und Süden des Landes, von denen über fünfhundert befragt wurden, noch stärker auf. Rund ein Drittel benötigt psychologische Hilfe und leidet an einer Verschlechterung des psychischen Zustands, im Vergleich zu 19 Prozent jener, die nicht evakuiert wurden. Auch körperliche Beschwerden wie hormonelle Veränderungen, Muskelschmerzen und Schlafstörungen wurden vermehrt gemeldet.
Dementsprechend ist der Medikamentenkonsum deutlich angestiegen: Evakuierte Frauen nehmen im Vergleich zu 58 Prozent bei der Kontrollgruppe 132 Prozent mehr Schlafmittel als früher, da das Verlassen des eigenen Zuhauses die allgemeine und psychische Belastung nochmals um ein Vielfaches vergrößert.
Zudem führt das Fehlen der eigenen Ärzten häufig dazu, dass Routineuntersuchungen vernachlässigt werden. Die Briah-Forscher betonen deshalb auch die Notwendigkeit einer langfristigen Gesundheitsstrategie für Frauen, um den zunehmenden psychischen und körperlichen Belastungen entgegenzuwirken.
Femtech als Hilfe?
In Israel stoßen die Wissenschaftler mit ihrer Forderung auf offene Ohren. Der Unternehmensgeist, der Israel zur Start-up-Nation gekürt hat, scheint sich nämlich in letzter Zeit vermehrt mit der Femtech-Thematik zu befassen. Dabei geht es um eine Reihe von Technologien, die speziell der weiblichen Gesundheit dienen.
Mit rund 1.800 Unternehmen und Investitionen von knapp zwei Milliarden Dollar hat sich Femtech zu einem rasant wachsenden, globalen Sektor entwickelt. Israel verfügt gegenwärtig über die weltweit viertgrößte Anzahl an Unternehmen in diesem Bereich und das zweithöchste Investitionsvolumen. Bleibt nur zu hoffen, dass die israelischen Femtech-Technologien auch bald im Frieden zum Wohl der Frauen eingesetzt werden können.