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Geiselnahme in US-Synagoge: Kein Antisemitismus, nirgends!

Polizeieinsatz während der Geiselnahme in der Synagoge Beth Israel in Colleyville
Polizeieinsatz während der Geiselnahme in der Synagoge Beth Israel in Colleyville (© Imago Images / Xinhua)

Die Diskussion um den kürzlich in den USA verübten Angriff in einer Synagoge belegt erneut den gesellschaftspolitischen Unwillen, Antisemitismus als das zu bezeichnen, was er ist: Antisemitismus.

Warum fällt es so vielen Menschen so schwer, von Antisemitismus zu sprechen, wenn Juden am Schabbat in einer Synagoge angegriffen werden?

Kurz nach der Beendigung der Geiselnahme in der Synagoge Beth Israel in Colleyville (Texas), bei der der Angreifer Malik Faisal Akram vier Personen für elf Stunden in seiner Gewalt hatte, gab der zuständige Beamte des FBI-Büros Dallas, Matthew DeSarno, ein seltsam anmutendes Statement ab:

»Aufgrund unserer Ermittlungen glauben wir, dass der Täter sich ausschließlich auf ein Thema konzentrierte, das nicht speziell mit der jüdischen Gemeinschaft zu tun hatte. Aber wir arbeiten weiter daran, [das] Motiv zu finden.«

Wie Lahav Harkov in der Jerusalem Post schreibt, wäre es schon absurd genug zu glauben, ein bewaffneter Angreifer auf der Suche nach potenziellen Geiseln habe bloß per Zufall am Samstagmorgen während des Schabbat-Gottesdiensts eine Synagoge gestürmt – und das auch noch in Texas, wo man Juden aufgrund ihres marginalen Bevölkerungsanteils von 0,6 Prozent quasi mit der Lupe suchen muss.

Darüber hinaus widerlegen auch die schon bald im Zuge der Geiselnahme bekannt gewordenen Hintergründe der Tat die Behauptungen des FBI-Agenten DeSarno.

Freipressen einer Judenhasserin

So wollte Malik Faisal Akram mit seiner Aktion die Freilassung von Aafia Siddiqui erpressen, die gerade eine 86-jährige Haftstrafe verbüßt, zu der sie wegen versuchten Mordes an US-Soldaten und FBI-Agenten verurteilt wurde. Akram nannte die als »Lady al-Qaida« bekannte Siddiqui »seine Schwester«, die er nach seinem Tod im Paradies (»Jannah«) wiedersehen würde.

Die in Pakistan geborene Siddiqui studierte in den 1990er Jahren mit einem Studentenvisum in den USA und wurde schließlich in Afghanistan verhaftet, wo sie an der Planung von Al-Qaida-Anschlägen in den Vereinigten Staaten, Großbritannien und Pakistan beteiligt war.

Siddiqui erklärte von Beginn an, das Verfahren gegen sie sei eine jüdische Verschwörung und behauptete, die ihr gestellten Anwälte seien Juden, weswegen sie diese auch davon entband, ihre Verteidigung zu übernehmen. In weiterer Folge verlangte sie DNA-Tests von den Geschworenen, um sicherzugehen, dass diese keine Juden mit »zionistischem oder israelischem Hintergrund« seien, und so die »Fairness« des Prozesses zu garantieren.

Siddiqui verfasste auch einen Brief an den ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama, in dem sie ihm zu erklären versuchte, Juden hätten

»immer schon jedem einen Dolchstoß in den Rücken verpasst, der aus Mitleid mit ihnen den fatalen Fehler gemacht hat, ihnen Schutz und Zuflucht zu gewähren. Es ist dieser grausame und undankbare jüdische Verrat, der dafür sorgte, dass sie immer wieder erbarmungslos von dort vertrieben wurden, wo sie es schafften, Einfluss und Stärke zu erlangen.

Das ist der Grund, warum ihnen immer wieder ›Holocauste‹ widerfahren! Wenn sie doch nur lernen würden, dankbar zu sein, und ihr Verhalten änderten.«

Nach ihrer Verurteilung durch ein New Yorker Bundesgericht im Jahr 2010 erklärte Siddiqui:

»Dieses Urteil kommt aus Israel, nicht aus Amerika. Israel ist der Ort, gegen den sich die Wut richten muss.«

Die Annahme, dass Malik Faisal Akram, der versuchte, Siddiqui freizupressen, indem er Juden in einer Synagoge als Geiseln nahm, nichts von ihrem Judenhass wusste und ihn auch nicht teilte, ist so absurd, dass man kaum glauben kann, dass irgendjemand dies ernsthaft behaupten möchte.

Wenn Akram nicht selbst davon überzeugt wäre, dass die Juden hinter der Verurteilung Siddiquis steckten und also auch die Macht hätten, sie freizulassen, warum hätte er dann den als Geisel genommenen Rabbiner Charlie Cytron-Walker zwingen sollen, die Rabbinerin Angela Buchdahl der Central Synagogue in Manhattan (New York) anzurufen, damit sie sich für die Freilassung der in Fort Worth – in der Nähe von Colleyville, wo die Geiselnahme stattfand – inhaftierten Terroristin einsetze?

Auftritt CAIR

Eine der Organisationen, die sich in den vergangenen Wochen und Monaten auch für Siddiquis Freilassung eingesetzt haben, ist das Council on American-Islamic Relations (CAIR).

So veranstaltete CAIR Texas gemeinsam mit der muslimischen Aktivistengruppe MPower Change im Dezember eine Online-Veranstaltung mit dem Titel »Unrecht: Dr. Aafia und die 20-jährige Hinterlassenschaft von Amerikas Kriegen«.

Schon im September erklärten Aktivisten auf einer von CAIR veranstalteten Demonstration vor dem texanischen Gefängnis, in dem Siddiqui ihre Strafe verbüßt, dass die von »zionistischen Richtern« geleiteten Gerichten in den USA

»sich einen Dreck um muslimische Häftlinge kümmern, seien es muslimische Gefangene in Guantánamo oder muslimische Gefangene in Bagram [ehemaliges Hauptquartier der US-Streitkräfte in Afghanistan; Anm. Mena-Watch], seien es die muslimischen Gefangenen hier in FMC [Bundesgefängnis; Anm. Mena-Watch] Fort Worth.«

Und im November hatte die Direktorin des CAIR-Ortsverbands in San Francisco, Zahra Billoo, erklärt, es sei essenziell, »seine Feinde zu kennen«. Auf einer Veranstaltung der American Muslims for Palestine sagte Billoo in einer Rede:

»Wenn wir über Islamophobie sprechen, denken wir oft an die vehementen Faschisten … aber ich möchte auch, dass wir auf die höflichen Zionisten achten, die sagen: ›Lasst uns einfach zusammen Brot brechen.‹ (…)

Wir müssen der Anti-Defamation League Beachtung schenken, wir müssen der Jewish Federation Beachtung schenken, wir müssen den zionistischen Synagogen Beachtung schenken, wir müssen den Hillel-Gruppen an unseren Universitäten Beachtung schenken.«

Zwar hat der stellvertretende nationale CAIR-Direktor Ed Ahmed Mitchell die Geiselnahme in Colleyville als antisemitischen Angriff verurteilt und der jüdischen Gemeinde seine Solidarität versichert. Angesichts dessen, dass CAIR allerding selbst immer wieder den Antisemitismus schürt und befeuert, sehen dies viele Kritiker als nicht ausreichend, ja geradezu als Heuchelei an.

Wunsch nach Rationalisierung

So hielt auch Seth J. Frantzman in der Jerusalem Post fest, es gebe zwar reichlich Erklärungen, die solche Angriffe verurteilen, aber eine sonderlich große Bereitschaft, sich damit auseinanderzusetzen, wie ein globales Milieu des ansteigenden Antisemitismus zu solchen Attacken beitrage, sei nicht auszumachen.

»Der Wunsch, den Angriff von der Tatsache abzukoppeln, dass er eine Synagoge getroffen hat, und ihn ausschließlich als Teil des größeren ›Fall Siddiqui‹ und der Popularität, die Siddiqui unter Islamisten und manchen Menschrechtsgruppen genießt, zu sehen; dieser Wunsch ist Teil eines größeren Musters, im Rahmen dessen Angriffe auf jüdischen Gemeinden oft als zufällig dargestellt werden.«

Oftmals würden solche Angriffe – etwa von islamistischen »einsamen Wölfen« – nicht als systematisch antijüdische Gewalt verstanden, sondern als solche, die bloß zufällig jüdische Einrichtungen getroffen hat.

Dies nicht zuletzt, weil solch verharmlosende Erklärungen bequemer seien als die Notwendigkeit, sich mit den Konsequenzen auseinanderzusetzen, die aus der Frage resultierten, wie und warum solche Ziele überhaupt ins Visier der Angreifer geraten, so Frantzman:

»Wir bevorzugen das Narrativ der Zufälligkeit und Bezeichnungen wie ›verrückt‹ oder ›geistesgestört‹, das mit den schönen Phrasen von den ›Gedanken und Gebeten‹ endet, die bei den Opfern seien.

Wir bevorzugen das Narrativ der ›sinnlosen Akte der Gewalt‹, anstatt dass wir fragen, warum überall auf der Welt ähnliche Bewegungen mit ähnlichen Wurzeln und ähnlichen Verbindungen ihren Anhängern nahelegen, der Judenmord als Teil einer ›Operation‹ sei ein positiver Aspekt des ›Märtyrertums‹.«

Antijüdische Ressentiments sind zentraler Bestandteil der Weltanschauung des islamistischen Milieus und führen weltweit zu Angriffen auf Synagogen, koschere Restaurants und Supermärkte oder jüdische Gemeinden. Das scheint sich auch noch nicht bis zu denjenigen herumgesprochen zu haben, die nicht in Abrede stellen, es handle sich bei der Geiselnahme in der Synagoge in Texas um einen antisemitischen Akt.

Joe Biden fast richtig und doch falsch

So nannte US-Präsident Biden den Angriff einen »Akt des Terrors«, der »nicht nur in Zusammenhang steht mit jemandem, der vor fünfzehn Jahren verhaftet wurde und seit zehn Jahren im Gefängnis sitzt«.

Mit seiner Äußerung, Akrams Tat stehe »nicht nur in Zusammenhang« mit dem Versuch, Siddiqui freizupressen, widersprach Biden zwar FBI-Agent Matthew DeSarnos Ausführungen, das einzige Ziel des Angreifers habe »nicht speziell mit der jüdischen Gemeinschaft zu tun« gehabt, wie Jacob Magid in der Times of Israel festhielt.

Doch auch Biden zeigt sein mangelndes Verständnis des Antisemitismus, als er seiner Feststellung über Akrams Beweggründe die Worte hinzufügte:

»Ich glaube nicht, dass es schon genug Information darüber gibt, warum er diese Synagoge angriff, warum er auf der Freilassung von jemanden beharrte, der seit über zehn Jahren im Gefängnis sitzt, warum er sich antisemitischer und antiisraelischer Rhetorik bediente. Wir haben einfach noch nicht genügend Fakten.«

Gegen Bidens Versuch, dem Synagogen-Attentäter insofern Rationalität unterstellen zu wollen, als sich doch noch irgendwelche nachvollziehbaren Gründe für seine Tat finden ließen, bleibt festzuhalten: Für Antisemiten wie Malik Faisal Akram ist jede einzelne Synagoge und jeder einzelne Jude Teil der großen Verschwörung, als dessen Opfer er nicht nur sich selbst sieht, sondern auch seine »Glaubensschwester« Aafia Siddiqui, die von »den Juden« verfolgt und ins Gefängnis gebracht worden sei.

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