Erweiterte Suche

Wie unterschiedlich man über die Ermordung von Geiseln sprechen kann

Eden Yerushalmi ist eine der von der Hamas ermordeten Geiseln. (© imago images/ZUMA Press Wire)
Eden Yerushalmi ist eine der von der Hamas ermordeten Geiseln. (© imago images/ZUMA Press Wire)

Laut dem ORF-Korrespondenten Karim El-Gawhary wurden sechs israelische Geiseln »tot geborgen«, aber »61 Palästinenser getötet«.

Die israelische Armee fand am Samstagnachmittag in einem Tunnel unterhalb der Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens die Leichen von sechs israelischen Geiseln: Hersh Goldberg-Polin (23 Jahre), Eden Yerushalmi (24), Carmel Gat (40), Almog Sarusi (27), Alexander Lobanov (32) und Ori Danino (25) waren kurz zuvor von der Hamas ermordet worden. Fünf der Geiseln waren von der Terrororganisation am 7. Oktober 2023 vom Gelände des Nova Festivals verschleppt worden, eine weitere aus dem Kibbuz Be’eri.

Der Tunnel, in dem die Leichen gefunden wurden, ist rund einen Kilometer entfernt von jenem, aus dem vor wenigen Tagen eine weitere israelische Geisel, der 52-jährige Qaid Farhan al-Qadi, lebend befreit werden hatte können. Laut den Israelischen Verteidigungsstreitkräften (IDF) habe es Informationen über den ungefähren Aufenthaltsort der sechs ermordeten Geiseln gegeben, der genaue Ort sei aber nicht bekannt gewesen. In dem zwanzig Meter unter der Erde gelegenen Tunnel wären die israelischen Truppen auf keine Hamas-Terroristen gestoßen; oberirdisch habe es in der Gegend aber Kämpfe gegeben. Die IDF gehen davon aus, dass die Hamas-Bewacher die Geiseln ermordeten, bevor sie selbst die Flucht antraten.

Reaktionen aus den USA

Da eine der Ermordeten, Hersh Goldberg-Polin, auch amerikanischer Staatsbürger war, meldeten sich in den USA sowohl Präsident Joe Biden als auch die Vizepräsidentin und aktuelle Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris zu Wort.

Präsident Biden zeigte sich über die Nachricht von Goldberg-Polins Ermordung »am Boden zerstört und empört« und schloss sein Statement mit den Worten:

»Täuschen Sie sich nicht: Die Hamas-Führer werden für diese Verbrechen bezahlen. Und wir werden weiterhin rund um die Uhr an einer Einigung arbeiten, um die Freilassung der verbleibenden Geiseln sicherzustellen.«

Vizepräsidentin Harris wählte in ihrer etwas ausführlicheren Stellungnahme deutliche Worte:

»Die Hamas ist eine böse Terrororganisation. Mit diesen Morden hat die Hamas noch mehr amerikanisches Blut an ihren Händen. Ich verurteile die anhaltende Brutalität der Hamas auf das Schärfste, und das muss die ganze Welt tun. Von dem Massaker an 1.200 Menschen bis hin zu sexueller Gewalt, Geiselnahmen und diesen Morden ist die Verderbtheit der Hamas offensichtlich und erschreckend.

Die Bedrohung, welche die Hamas für das israelische Volk – und die amerikanischen Bürger in Israel – darstellt, muss beseitigt werden, und die Hamas kann den Gazastreifen nicht kontrollieren. Auch das palästinensische Volk leidet seit fast zwei Jahrzehnten unter der Herrschaft der Hamas.«

Selbe Geschichte, sehr andere Worte

Wie sehr sich die Wortwahl zwischen Stellungnahmen zu ein und derselben Geschichte unterscheiden können, zeigt sich, wenn man als Kontrast zu Biden und Harris einen Blick auf den ORF-Korrespondenten Karim El-Gawhary wirft. Dieser schrieb auf seinem X-Kanal:

»Letzte 24 Std. im Gazastreifen: 6 israelische Geiseln tot geborgen und 61 Palästinenser getötet. So viel Leid bei so vielen Familien. Seit Monaten ist bei den Verhandlungen das Prozedere auf dem Tisch, wie der Rest der Geiseln freikommt und der Krieg beendet werden kann.«

Man beachte die Wortwahl: Die israelischen Geisen seien »tot geborgen« worden. Wie sie »gestorben« sind, erfuhr man aus El-Gawharys Posting nicht, auch findet sich in seiner Formulierung niemand, der die Schuld am Tod der Israelis trägt. Aus ihrer aktiven Ermordung durch die Hamas macht der ORF-Korrespondent eine gewissermaßen passive Entwicklung, für die niemand verantwortlich ist. Menschen »sterben« eben, so ist der Lauf der Dinge.

Die von ihm erwähnten Palästinenser seien im Gegensatz dazu »getötet« worden, von wem, braucht El-Gawhary nicht zu schreiben, das verstehen die Leser auch so. Dass sie, im Gegensatz zu den israelischen Geiseln, mit ziemlicher Sicherheit nicht kaltblütig ermordet wurden, lässt er unerwähnt.

Und auch, wer für das Scheitern der Verhandlungen über einen Geiseldeal verantwortlich ist, ist El-Gawhary keine Erwähnung wert. So blendet er die Hamas komplett aus: Weder hat sie israelische Geiseln ermordet noch seit November alle Vorschläge für eine Waffenstillstand konsequent abgelehnt.

Das kann freilich niemanden überraschen, der mit El-Gawharys Art der Berichterstattung auch nur einigermaßen vertraut ist: Die Ausblendung von Gruppen wie der Hamas und der Hisbollah und der Verantwortung, die sie für das Blutvergießen im Nahen Osten tragen, hat bei ihm Methode.

Bleiben Sie informiert!
Mit unserem wöchentlichen Newsletter erhalten Sie alle aktuellen Analysen und Kommentare unserer Experten und Autoren.

Zeigen Sie bitte Ihre Wertschätzung. Spenden Sie jetzt mit Bank oder Kreditkarte oder direkt über Ihren PayPal Account. 

Mehr zu den Themen

Das könnte Sie auch interessieren

Wir reden Tachles!

Abonnieren Sie unseren Newsletter und erhalten Sie alle aktuellen Analysen und Kommentare unserer Experten und Autoren!

Nur einmal wöchentlich. Versprochen!