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Gazastreifen: Wenn Menschen die Flucht aus einem Kriegsgebiet verweigert wird

Warum soll der Bevölkerung in Gaza die Flucht aus dem Kriegsgebiet verwehrt sein?
Warum soll der Bevölkerung in Gaza die Flucht aus dem Kriegsgebiet verwehrt sein? (© Imago Images / NurPhoto)

Warum dürfen die Bewohner des Gazastreifens während des Kriegs nicht nach Zypern, Griechenland oder an die syrische Küste umziehen?

Mohammed Altlooli

Mehr als zwei Millionen Menschen im Gazastreifen erleben eine der komplexesten humanitären Krisen der Welt. Die wegen des Hamas-Terrors anhaltende Blockade durch Israel, wiederholte Kriege und eine blockierte politische Zukunft haben das tägliche Leben zu einem endlosen Leidensweg gemacht.

Angesichts dieser düsteren Realität stellen einige die heikle Frage, warum den Bewohnern nicht das Recht und die Möglichkeit gegeben wird, sich vorübergehend oder dauerhaft in benachbarten Ländern wie Ägypten, Griechenland, Zypern oder auch in syrischen Küstenstädten anzusiedeln?

Gegner dieser Idee argumentieren, dass jede kollektive Umsiedlung aus dem Gazastreifen einer Zwangsumsiedlung gleichkomme oder sogar einem Plan, das Land von seinen Bewohnern zu entvölkern, was den historischen und nationalen Rechten des palästinensischen Volks widerspreche. Andere sehen darin jedoch eine humanitäre Option, die nicht darauf abzielt, die Bewohner des Gazastreifens zu entwurzeln, sondern ihnen ihr grundlegendstes Recht zu garantieren, in Würde zu leben, fernab von Krieg, Belagerung und Tod.

Die Einrichtung humanitärer Korridore oder die Bereitstellung von Möglichkeiten zur vorübergehenden Umsiedlung in sichere Territorien sind weder im Völkerrecht noch in der humanitären Praxis beispiellos. So werden in so gut wie allen militärischen Konflikten Zivilisten aus Kriegsgebieten in Nachbarländer umgesiedelt, bis die Bedingungen für ihre Rückkehr sicher sind. Warum also wird der Bevölkerung der Küstenenklave als einziger diese Möglichkeit verwehrt, obwohl ihre Lage schwieriger ist als in vielen anderen Konfliktgebieten?

Humanitäre Lösungen finden

Neben der Behauptung, die Flucht von Palästinensern aus dem Kriegsgebiet käme einer Vertreibung gleich und dem zynischen Wunsch, sie als Instrumente gegen Israel dort zu belassen, gibt es auch migrationspolitische Gründe für die Ablehnung eines solchen Plans. Während die arabischen Länder generell zögern, neue Flüchtlinge aufzunehmen, da sie demografische und politische Konsequenzen befürchten, stehen auch die nahegelegenen europäischen Länder wie Zypern und Griechenland bereits unter starkem Druck durch Migrations- und Flüchtlingskrisen, sodass sie zögern, spezielle Korridore für Palästinenser zu öffnen.

Die Initiative, Palästinensern die Flucht aus dem von der Hamas-Herrschaft und dem Krieg gezeichneten Gazastreifen zu ermöglichen, ist nicht »anti-national«, wie manche behaupten, sondern vielmehr eine Überlebensstrategie, bis sich bessere Bedingungen ergeben. Der Schutz menschlichen Lebens ist der höchste Wert, und keine Heimat kann ohne ihre Bevölkerung existieren. Jede Lösung, die das Leben und die Würde der Palästinenser bewahrt, ist als humanitäre Handlung den nationalistischen Bestrebungen vorzuziehen.

Die Idee, den Bewohnern die Umsiedlung nach Zypern, Griechenland oder an die syrische Küste zu ermöglichen, ist kein Aufruf zur Zwangsumsiedlung, sondern ein Ruf nach Überleben. Was das Völkerrecht verbietet, ist Zwang und Vertreibung. Das Anbieten freiwilliger und sicherer Optionen für ein würdiges Leben steht jedoch im Mittelpunkt humanitärer Grundsätze.

Die politischen Realitäten mögen verhindern, dass diese Idee in naher Zukunft zu einer praktischen Lösung wird, aber sie verdeutlicht eine dringende Notwendigkeit, nämlich realistische Alternativen zu finden, um das Leben von mehr als zwei Millionen Menschen zu schützen.

Mohammed Altlooli ist palästinensischer Bürgerrechtler und Gründer der Temporary Palestinian Civil Affairs (TPCA).

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