Weltbank, UNO und EU sprechen von einem Jahrzehnt des Wiederaufbaus der Küstenenklave und davon, Gaza zu einer modernen und lebensfähigen Stadt machen zu wollen.
Seit dem Inkrafttreten des Waffenstillstands kehren immer mehr Menschen in die zerstörten Viertel von Gaza-Stadt zurück. Zwischen Schutt und Staub suchen sie, oft vergeblich, nach den Überresten ihres alten Lebens. »Dank Gott steht mein Haus noch. Aber der Ort ist zerstört, die Häuser meiner Nachbarn sind verschwunden«, beschreibt ein Rückkehrer seine Ankunft im nördlichen Stadtteil Sheikh Radwan.
Während Bulldozer Schuttberge abtragen und Familien versuchen, ein Dach über dem Kopf zu finden, läuft im Hintergrund bereits die Planungsmaschinerie an: Weltbank, UNO und EU sprechen von einem Jahrzehnt des Wiederaufbaus und davon, Gaza von Grund auf nicht nur als Wiederherstellung, sondern als Vision neu zu denken – von den Trümmern zur modernen, widerstandsfähigen Stadt.
Sicherheit zuerst
Israel macht keinen Hehl daraus, dass der Wiederaufbau untrennbar an überprüfbare Sicherheitsgarantien gebunden bleibt. Offizielle Stellen betonen immer wieder, dass nur dort, »wo die Hamas nicht operiert«, ein zügiger Wiederaufbau und eine sichere Rückkehr der Bevölkerung möglich seien. Ein israelischer Regierungsvertreter erklärte laut Times of Israel, das Prinzip sei einfach: »Nehmt die Gebiete, in denen die Hamas nicht operiert, fangt dort schnell an, wiederaufzubauen, und bringt die Gazaner dorthin, damit sie dort leben können.«
Israel verweist in diesem Zusammenhang auch darauf, dass die Hamas nicht nur für Israel, sondern auch für die eigene Bevölkerung im Gazastreifen eine Gefahr darstellt. Solange die Terrororganisation in bestimmten Gebieten weiter regiert, sei eine sichere Rückkehr der Zivilbevölkerung nicht möglich. Die Hamas nutze zivile Infrastruktur für militärische Zwecke und gefährde dadurch bewusst das Leben der eigenen Bürger, heißt es aus israelischen Regierungskreisen.
Damit wird deutlich, dass Israel den Wiederaufbau nicht als rein humanitäres, sondern auch als sicherheitspolitisches Projekt betrachtet. Die Stabilität Gazas hängt von der dauerhaften Ausschaltung der Hamas und der Präsenz israelischer Sicherheitsstrukturen ab. Damit sich der 7. Oktober 2023 nicht wiederholen kann und auch der Zivilbevölkerung in Gaza ein besseres Leben gesichert wird.
Geld, Schutt, Zeit
Nach dem Waffenstillstand gab es erstmals vorsichtige, aber hoffnungsvolle Signale für eine internationale Wiederaufbauhilfe. Jaco Cilliers, Vertreter des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP), sprach in Genf von »sehr guten Indikationen« für die Beteiligung der USA sowie arabischer und europäischer Staaten mit erheblichen Mitteln im Gesamtumfang von rund 70 Milliarden Dollar. Zugleich machte er das Ausmaß der Zerstörung deutlich: Schätzungen zufolge liegen mehr als 55 Millionen Tonnen Trümmer in den Gebieten. Die Zahl verdeutlicht die Dimension der Herausforderung und zeigt, dass es hier nicht um schnelle Lösungen, sondern um einen langfristigen Kraftakt geht.
Im Windschatten der Waffenruhe kursierten Präsentationen, welche die Küstenenklave als Hochtechnologie-Korridor mit Datenzentren, Gigafabriken, Schnellbahn und »Smart Manufacturing Zones« entwerfen. Eine vielzitierte Präsentation führte dafür auch Logos von globalen Konzernen an, doch viele Firmen dementierten eine Beteiligung, was die Seriosität mancher Pitches infrage stellt.
Der Weltbank-Befund priorisiert statt einer Leuchtturmarchitektur die Wiederherstellung elementarer Dienste, denn ohne Wasserversorgung, Energie-, Gesundheits- und Bildungsnetz bleibt jede Vision hohl. Auch US-Gesandte mahnten zeitliche Realistik ein: Nach Lagebeurteilung könne der Wiederaufbau mindestens zehn bis fünfzehn Jahre beanspruchen – eine Einschätzung, die seither als Zeithorizont in der Debatte fortgeschrieben wird.
Der Weg von den Trümmern zur »Smart City« kann nicht in einem Sprung erfolgen, sondern nur stufenweise: Erst nach der Installation von Sicherheit und Kontrolle, Wohnen und Basisdiensten ist an Technologie und Industrie zu denken. Israels Ansatz, den Wiederaufbau konsequent an überprüfbare Sicherheits- und Governance-Bedingungen zu koppeln, ist vor diesem Hintergrund keine Bremse, sondern Bedingung für Wirksamkeit. Zusagen über Milliarden von Finanzmitteln und Visionen über Datenzentren sind zwar wichtig, aber tragfähig werden sie erst, wenn der Boden unter ihnen gesichert ist.






