Der Gazastreifen steht vor einer existenziellen Entscheidung: Entweder wird ihm die Zukunft erneut von außen aufgezwungen, oder seine Bevölkerung erobert ihn für sich selbst zurück.
Mohammed Altlooli
Inmitten von Hunger, Verzweiflung und steigenden zivilen Opferzahlen gibt die Hamas weiterhin politische Erklärungen ab, in denen die Kernforderungen der Bevölkerung ignoriert werden: Waffenstillstand, Freilassung der Geiseln und die Beendigung der Belagerung. Zwischen den Verhandlungen in Doha und Kairo versäumt es die Terrorgruppe immer wieder, mutig zu handeln, weil sie letztlich den Verlust ihrer Macht mehr befürchtet hat den Verlust von Menschenleben.
Trotz der Vermittlungsbemühungen der Vereinigten Staaten und Katars beharrt die Hamas auf der Fortsetzung ihres Terrors und entzieht sich jeglicher Verantwortung für die Beendigung des Kriegs. Zwar bekundete sie in der vergangenen Woche in einer gemeinsamen Erklärung mit dem Palästinensischen Islamischen Dschihad ihre prinzipielle Bereitschaft zu einer Waffenruhe, doch wie in den vorangegangenen Runden wurde die leise Hoffnung wieder einmal zerschlagen, die unter den Menschen im Gazastreifen aufkeimte.
Die aktuelle Lage erinnert an zahlreiche Ereignisse in der arabischen Welt, bei denen Regime an der Macht festhielten, während ihre Bevölkerungen zugrunde gingen. Im Sudan etwa forderten die Menschen im Jahr 2019 Brot und Würde, wurden jedoch mit Kugeln empfangen und schließlich mit einem kalkulierten Machtteilungsabkommen zwischen Generälen und Eliten abgespeist, das den Kern der Revolution verriet. In Syrien verlangten Zivilisten grundlegende Würde, doch das Regime zerstörte ganze Städte, anstatt die Macht abzugeben. Im Libyen nach Gaddafi verwandelten interne Machtkämpfe die Versprechen von Freiheit in Chaos.
Heute steht der Gazastreifen vor derselben Frage: Wer stirbt und wer regiert? Eine zentrale Frage steht im Raum: Hält die Hamas die Geiseln noch immer fest, oder hat sie die Kontrolle über deren Schicksal verloren? Die mangelnde Transparenz lässt Zweifel an den Verhandlungsversuchen aufkommen, und die Hamas scheint jede Vereinbarung zu vermeiden, um die tatsächlichen Fakten nicht offenlegen zu müssen.
In der Zwischenzeit sterben weiterhin Menschen, aber wenn die Hamas bereit ist, die Menschen zu töten, die sie zu vertreten vorgibt, wen genau will sie dann regieren?
Palestinians in Khan Yunis, Gaza, took to the streets today in anti-Hamas protests, chanting: “Hamas out, out!” pic.twitter.com/Nsk8ioy98i
— Ihab Hassan (@IhabHassane) July 21, 2025
Bürgerinitiativen
Inmitten dieser düsteren Lage ist in der Küstenenklave die Initiative Temporary Palestinian Civil Affairs (TPCA) entstanden. Sie arbeitet effektiv im Stillen und koordiniert Evakuierungen von Verwundeten und Kranken nach Europa und in die USA, oft in Zusammenarbeit mit den israelischen Behörden. Erst vergangene Woche wurden mehrere kritische Fälle für eine Behandlung im Ausland koordiniert.
Das Modell beweist, dass es möglich ist, ohne Ideologie oder Parolen der einen oder anderen Fraktion Leben zu retten. Deshalb fühlen sich zunehmend mehr Zivilisten zu diesem Modell hingezogen: Es wird lokal geführt und ist auf das Überleben der Menschen ausgerichtet und nicht auf politische Parolen. Zugleich ruft die TPCA zu friedlichen Protesten auf – nicht, um für eine der bestehenden Fraktion zu werben, sondern um die Absetzung sowohl der Hamas als auch der diskreditierten Führung der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) in Ramallah zu fordern.
Die Menschen im Gazastreifen werden die Korruption der PA im Westjordanland ebenso wenig vergessen wie die Tatsache, dass die Hamas jahrelang Gelder aus Katar erhalten hat. Keine der beiden Fraktionen hat es geschafft, ein würdiges Leben für die Bevölkerung aufzubauen, sondern verwendeten die Mittel für sich selbst und ihren Kampf gegen Israel.
Diesmal fordert die Bevölkerung jedoch etwas radikal anderes: Eine zivile Führung aus dem und für den Gazastreifen, die in Zusammenarbeit mit israelischen und internationalen Gremien das tägliche Leben, die medizinische Versorgung, Arbeitsplätze und Schulen sicherstellt. Doch wie bei früheren arabischen Aufständen widersetzen sich die Machthaber zivilen Alternativen, während die täglich leidenden Menschen diese begrüßen. Dies ist kein Staatsstreich, wie von der Hamas bezeichnet, sondern eine Basisbewegung, die das Leben der Bevölkerung über Ideologien stellt.
Die Küstenenklave ist mit seiner Tragödie nicht alleine – in ihr spiegelt sich das syrische Dar’a, das sudanesische Khartum oder das libysche Bengasi wider. Die Menschen vor Ort bitten nicht um Gefälligkeiten, sondern nur um eine Zukunft. Der Gazastreifen steht an einem historischen Wendepunkt: Entweder wird ihm die Zukunft erneut von außen aufgezwungen, oder seine Bevölkerung erobert ihn für sich selbst zurück.
KHAN YOUNIS RISES: DOWN WITH HAMAS
Gazans are taking to the streets—protesting Hamas, rejecting the war, and demanding an end to starvation. pic.twitter.com/dVTxMizZgA
— Hamza (@HowidyHamza) July 21, 2025
In the anti-Hamas protest today in Khan Yunis, Gaza, crowds chanted curses against Hamas’s negotiations team. pic.twitter.com/Qqi8i4NAfq
— Ihab Hassan (@IhabHassane) July 21, 2025
Hundreds of courageous civilians in Gaza took to the streets in Khan Younis, southern Gaza, to protest Hamas, attack the group’s slogans, demand the war's end, decry the terror group's negotiating team in Qatar, demand an end to starvation & ask Hamas to stop the bloodshed. Yes,… pic.twitter.com/Ul7SjH80BL
— Ahmed Fouad Alkhatib (@afalkhatib) July 22, 2025






