Von Tina Adcock
Dass ein Gericht in Gaza Palästinenser zum Tode verurteilt ist leider nichts Neues. Nachdem Israel sich im Jahr 2005 aus dem Küstenstreifen zurückgezogen und die Hamas bei den 2006 stattfindenden Wahlen die Mehrheit erlangt hatte, folgten bürgerkriegsähnliche Zustände im Zuge derer die Palästinensische Autonomiebehörde putschartig aus dem Gazastreifen vertrieben wurde. Gemäßigte Mitglieder der Fatah wurden ermordet, sie wurden gefesselt und von Dächern gestoßen. Die von Israel hinterlassene Infrastruktur wie etwa Gewächshäuser wurden zerstört und als letzte Maßnahme wurden islamische Gesetze erlassen, die unter anderem den Verschleierungszwang für Frauen, das Verbot von Unterhaltungsmusik und natürlich auch die Todesstrafe bei bestimmten Verstößen gegen die Sharia beinhalten.
Einer dieser Verstöße, der ebenfalls eine Verletzung der Charta der Hamas darstellt, ist die „Zusammenarbeit mit dem Feind“. Aus diesem Grund verhängte ein Gericht in Gaza am Montag die Todesstrafe über sechs Palästinenser (fünf Männer und eine Frau). Drei der Verurteilten sollen jeweils erhängt und drei andere erschossen werden. Auch der Zeitpunkt der Vollstreckung des Urteils ist noch unklar. Die Verurteilten sollen zwischen 26 und 55 Jahre alt sein. Was sie genau getan haben und ob sie eventuell bei der kürzlich gescheiterten Geheimoperation der israelischen Armee in Gaza geholfen haben sollen – darüber wollte das Innenministerium in Gaza den westlichen Medien jedenfalls keinerlei Auskunft geben. Im November wurde eine verdeckte israelische Einheit enttarnt und es kam zu einem Feuergefecht mit militanten Hamas Kämpfern. Während der Auseinandersetzungen kamen sieben Hamas-Mitglieder ums Leben sowie ein israelischer Offizier. Anschließend wurden über 400 Raketen nach Israel abgefeuert. Kurz darauf nahm die Hamas, nach Angaben des ihres Sicherheitsapparats, drei vermeintliche Kollaborateure fest, die der israelischen Einheit dabei geholfen haben sollen in das Küstengebiet einzudringen.
Die arabische Website Ma’an News Agency jedenfalls berichtet über die zum Tode Verurteilten und die Gründe für die Verhängung der Todesstrafe:
- Ali (48 Jahre): Zum Tode verurteilt wegen der Überquerung des Beit-Hanoun-Kontrollpunkts, der Arbeit in der West Bank und der Spionage für den Israelischen Geheimdienst.
- Bassam M. J. (52 Jahre): Zum Tode verurteilt für die Entgegennahme von Telefonanrufen des israelischen Geheimdienstes und der Weitergabe von Informationen über Terrortunnel und Nachbarn.
- Ibrahim (29 Jahre): Zum Tode verurteilt für die Entgegennahme von Telefonanrufen des israelischen Geheimdienstes, um Informationen über Mitglieder der Hamas weiterzugeben.
- Amal M. M. (55 Jahre): Zum Tode verurteilt wegen der Beihilfe zur Flucht seines Neffen Adham aus Gaza unter Kooperation mit dem israelischen Geheimdienst.
- Muhammad I. (32 Jahre): Zum Tode verurteilt wegen der Weitergabe von Informationen an Israel über die Standorte von al-Qassam-Truppen und -Transporten.
- 6) Akram (42 Jahre): Zum Tode verurteilt wegen der Weitergabe von Informationen an den israelischen Geheimdienst via Facebook und wegen der Annahme von Geldern des israelischen Geheimdienstes.
Zusätzlich wurden acht weitere Bewohner des Gazastreifens zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Immer wieder richtet die Hamas Palästinenser hin, die sie der Zusammenarbeit mit Israel beschuldigt. Seit ihrer Machtübernahme im Jahr 2007 exekutiert die islamische Terrororganisation aber auch Menschen ohne irgendeinen politischen Hintergrund. Organisationen, die sich für die Einhaltung der Menschenrechte einsetzen, nehmen an, dass Dutzende anderer vermeintliche „Kollaborateure“ auch ohne jegliche Gerichtsbarkeit hingerichtet wurden. Die Exekutionen werden zumeist öffentlich abgehalten um als abschreckendes Beispiel zu dienen. Der derzeitige Sprecher des Innenministeriums, Iyad al-Bozm, erklärte, dass diejenigen Palästinenser, die mit Israel kollaborieren würden, niemals ihrer Strafe entfliehen könnten: „Die Kollaborateure sollten realisieren, dass die Besatzer nicht in der Lage sein werden, sie zu beschützen und die Hand der Gerechtigkeit wird nach ihnen greifen.“
Die Palästinensische Autonomiebehörde kritisiert seit langem das Vorgehen der Hamas, die die Verurteilungen und die Exekutionen ohne ihr Einverständnis oder das des PA-Präsidenten Mahmoud Abbas vornimmt. Nach ihrer Gesetzgebung muss der Präsident jede einzelne Verurteilung absegnen, bevor sie vollstreckt werden kann. Seit dem Jahr 2006 hat dies unter Abbas in keinem einzigen Fall einer Exekution durch die Hamas stattgefunden. Dies zeigt allerdings auch klar die Geisteshaltung der PA, die prinzipiell die Todesstrafen nicht ablehnt. Auch zahlreiche internationale Menschenrechtsorganisationen rügten die Hamas immer wieder für ihr Vorgehen. Nachdem im Jahr 2017 drei Palästinenser aus Gaza wegen „Kollaboration“ mit Israel exekutiert wurden, verurteilte dies Human Rights Watch: „Die Todesstrafe ist eine barbarische Praxis welche keinen Platz in einem modernen Staat hat (…) Die abscheulichen Hinrichtungen von drei Männern, die als Kollaborateure galten, durch die Hamas-Behörden in Gaza zeigt Schwäche und keine Stärke.“
Wie dagegen Israel mit seinen Einwohnern umgeht, kann man etwa an einem Ereignis aus dem Jahr 2011 ersehen, als insgesamt 1027 gefangenen Hamas-Mitglieder gegen einen israelischen Soldaten ausgetauscht wurden. Die Kernaussage hierbei ist: Das Leben eines Israelis ist es wert, 1027 Terroristen der Hamas freizulassen, während die Hamas 1027 ihrer eigenen Männer für lediglich so wertvoll wie einen ihrer Feinde befindet. Dies zeigt auf, dass der islamischen Terrororganisation ein palästinensisches Leben nichts Wert ist, selbst wenn es das eines Hamas-Mitglieds ist. Eine weltweite Empörung über diese Geringschätzung menschlichen Lebens durch die Hamas lässt allerdings auf sich warten – und dies betrifft nicht nur Todesurteile und Exekutionen, sondern auch die Terroranschläge und den Missbrauch der eigenen Bevölkerung unter der Herrschaft der Terrororganisation.