Bei einem Treffen mit den Familien der Geiseln, die von der Hamas noch immer im Gazastreifen festgehalten werden, zeichnete Israels Verteidigungsminister Gallant ein düsteres Bild.
Die Hamas habe ihre Haltung verhärtet und die Verhandlungen seien in eine Sackgasse geraten, sagte Yoav Gallant laut der israelischen Nachrichtenplattform Ynet. »Ich hoffe, dass wir etwas erreichen, aber im Moment gibt es keine Anhaltspunkte«, berichtete der israelische Verteidigungsminister den Familien. »Die Hamas ist langsam bei der Kontaktaufnahme, die Kommunikation kommt nur schleppend voran und es gibt keine zentrale Kontrolle durch [Hamas-Führer Yahya] Sinwar oder seine Leute.« Außerdem seien »die Amerikaner nicht wirklich an der Sache dran«.
Verlagerung der Spannungen
Gallants Pessimismus rührt von der sich verändernden Dynamik sowohl im Gazastreifen als auch in der gesamten Region her. Er informierte die Familien darüber, dass sich der Schwerpunkt der Spannungen an die Nordgrenze Israels verlagert hat, mit der Erwartung einer möglichen Eskalation unter Beteiligung der Hisbollah und möglicherweise des Irans. »Was im Norden geschieht, dient der Hamas, und sie wartet ab«, erklärte Gallant und deutete damit an, dass die Terrorgruppe darauf hofft, die regionalen Spannungen zu ihrem Vorteil nutzen zu können.
Die Frustration der Familien war nach dem Treffen spürbar. Ein Elternteil eines Gefangenen drückte im Gespräch mit Ynet seine Enttäuschung aus: »Der Verteidigungsminister hat uns nichts Neues erzählt. Es herrscht eine völlige Pattsituation zwischen den Seiten und es gibt keinen Anhaltspunkt für eine Wiederaufnahme der Verhandlungen. Unsere Frustration hat sich verschlimmert, da es seit dem 7. Oktober keine solche festgefahrene Situation mehr gab.«
Torpedierung durch Hamas
Trotz der Herausforderungen versucht Israel, die Verhandlungen wieder aufzunehmen und die Gespräche an mehreren Fronten fortzusetzen. Der Direktor des israelischen Sicherheitsdienstes Ronen Bar reiste am Sonntag zu einem geheimen Besuch nach Kairo und traf sich laut Medienberichten mit dem ägyptischen Geheimdienstchef Abbas Kamal, was den ersten Besuch eines hochrangigen israelischen Beamten in Ägypten seit dem 22. August darstellte.
Inmitten dieser diplomatischen Bemühungen erklärte Jerusalems Ansprechpartner in der Entführungs- und Geiselfrage Gal Hirsch auf dem Weltgipfel zur Terrorismusbekämpfung an der Reichman-Universität in Herzliya: »Es finden ständig Verhandlungsbemühungen und Schritte im Zusammenhang mit Verhandlungen statt. Das Problem ist die Zeit, die es in Anspruch nimmt. Wir sind immer noch nicht in der Lage, effektive Verhandlungen mit der Hamas zu führen, weil sie die Gespräche ständig torpediert.«
Diese Schwerpunktverlagerung hat offenbar die Verhandlungsstrategie Israels verändert. Gallant erklärte am Montag, Israel strebe nun einen groß angelegten, einmaligen Deal zur Freilassung von Geiseln an und sagte laut Ynet: »Wenn sich die Gelegenheit ergibt, die Schauplätze Gaza und Libanon für einen Deal zu verbinden, würde Israel sie nutzen, auch wenn bisher versucht wurde, die Verbindung, welche die Hisbollah herzustellen versucht, zu kappen.« Gallant fügte jedoch hinzu, dass die Vereinigten Staaten vor einem Abkommen zurückschrecken, das die sofortige Freilassung aller Geiseln vorsieht.