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Die Für und Wider einer Normalisierung zwischen Israel und Syrien

Syriens Präsident Ahmed al-Sharaa bei der Präsentation des neuen Staatswappens
Syriens Präsident Ahmed al-Sharaa bei der Präsentation des neuen Staatswappens (© Imago Images / Anadolu Agency)

Israels Haltung gegenüber einem Abkommen mit Syrien ist geprägt von den bitteren Erfahrungen aus früheren diplomatischen Bemühungen.

Israel Kasnett

Die sich entwickelnden Beziehungen zwischen Israel und Syrien bieten eine seltene, aber komplexe Gelegenheit, die Sicherheitslage an Israels Nordgrenze neu zu gestalten. Die Aussicht auf ein Friedensabkommen zwischen den beiden Ländern ist nach dem dramatischen Sturz des Assad-Regimes im Dezember 2024 erneut Gegenstand intensiver Spekulationen, aber die Möglichkeit eines solchen Abkommens bietet sowohl verlockende Chancen als auch gewaltige Herausforderungen.

Da die nun von Ahmed al-Sharaa – einem als Abu Mohammed al-Jolani bekannt gewordenen ehemaligen al-Qaida-Terroristen – angeführte Regierung sich offen für einen Dialog zeigt, muss Israel das Potenzial für strategische Gewinne gegen die Risiken einer Zusammenarbeit mit einem Regime mit bislang unbewährter Erfolgsbilanz abwägen.

Rote Linien

Israels Herangehensweise an ein mögliches Abkommen mit Syrien ist dabei geprägt von den hart erlernten Lehren aus früheren diplomatischen Bemühungen. Der ehemalige israelische Nationale Sicherheitsberater Meir Ben-Shabbat warnte in einem Interview mit dem Jewish News Syndicate, Israel stehe vor einer heiklen Entscheidung: »Konzentriert Israel sich ausschließlich auf die Bedrohungen, riskiert es, eine seltene Gelegenheit zu verpassen, die Realität an seiner Nordgrenze neu zu gestalten. Macht es hingegen Zugeständnisse im Stil des Oslo-Prozesses [mit den Palästinensern; Anm. Mena-Watch], könnte sich dies als gefährliches Spiel erweisen.«

Zur Bewältigung dieses Spagats skizzierte Ben-Shabbat sieben rote Linien, wobei die Golanhöhen an erster Stelle stehen. Der Status dieses im Sechstagetagekrieg an Israel gefallenen, strategisch wichtigen Gebiets sei nicht verhandelbar, erklärte er und betonte, dass »die Golanhöhen ohne Frieden besser sind als Frieden ohne die Golanhöhen«. Israel strebt die De-jure-Anerkennung seiner Kontrolle über den Golan an und betrachtet ihn als »strategische Verteidigungslinie an seiner Ostgrenze«.

Über die territoriale Kontrolle hinaus bestand Ben-Shabbat auf der Notwendigkeit der »Wahrung der militärischen Handlungsfreiheit Israels – in der Luft und am Boden – in Syrien« für mindestens ein Jahrzehnt, um feindlichen Kräften wie dem Iran oder der Hisbollah entgegenzuwirken. Wichtig sei auch, dass Damaskus keine Bündnisse eingehen darf, die es Gegnern ermöglichen würde, von syrischem Territorium aus zu operieren, und ihm die Entwicklung strategischer Waffen, darunter »nukleare, chemische, biologische, Raketen- und Präzisionswaffen«, verwehrt sein muss.

Weitere rote Linien sind die Verhinderung des Waffenschmuggels in den Libanon und nach Jordanien sowie die Gewährleistung der Sicherheit der drusischen Gemeinschaft, unterstützt durch »wirksame Durchsetzungsmechanismen«.

Neue Sicherheitsdoktrin

Während eines Besuchs auf der syrischen Seite des Hermon im Januar erklärte der israelische Verteidigungsminister Israel Katz: »Die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) werden auf unbestimmte Zeit auf dem Gipfel des Hermon und in der Sicherheitszone bleiben, um die Sicherheit der Gemeinden auf den Golanhöhen und im Norden Israels sowie aller Einwohner des Landes zu gewährleisten.« Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hielt fest, keine Stationierung von al-Sharaa-loyalen Truppen im Gebiet südlich von Damaskus dulden zu werden.

Der Senior Research Fellow am Jerusalem Institute for Strategy and Security, Jonathan Hessen, bekräftigte diese Haltung und nimmt an, Israel werde verlangen, dass der »Einsatz von Truppen, schwerer Munition und Agenten südlich von Damaskus« untersagt ist, um eine sichere Pufferzone aufrechtzuerhalten. Diese Einschränkung zielt darauf ab, direkte Bedrohungen für die Nordgrenze Israels zu minimieren und gleichzeitig Bedenken hinsichtlich einer neuerlichen iranischen Verankerung anzugehen.

Ein zentraler Pfeiler der Sicherheitsstrategie Israels ist das Beharren auf operativer Autonomie: »Das muss Israels Forderung sein«, um die Fähigkeit zu aktiven Operationen gegen terroristische Aktivitäten zu behalten, stellte Ben-Shabbat klar. »Wenn das syrische Regime solche Aktivitäten vor einer israelischen Intervention verhindert, erspart es sich die Blamage.«

Hessen schloss sich dem an und erklärte, dass »die Handlungsfreiheit gewahrt bleiben muss, insbesondere im Hinblick auf die Verankerung iranischer Positionen und den Schmuggel von Munition durch Syrien in den Libanon«. Er schlug vor, Israel könnte solche Maßnahmen mit Damaskus koordinieren, um Vertrauen aufzubauen, und wies darauf hin, dass Operationen zur »Bekämpfung terroristischer Elemente entlang der Front« in Abstimmung mit Damaskus durchgeführt würden.

Diese Forderung spiegelt die neue, im Nachgang des 7. Oktobers 2023 verfolgte, aktive Sicherheitsdoktrin Israels wider, die präventiven Maßnahmen im gesamten Nahen Osten Vorrang einräumt. Die Fähigkeit des syrischen Regimes, feindliche Aktivitäten einzudämmen, wird entscheidend sein, um seine Zuverlässigkeit als Partner unter Beweis zu stellen.

Die im Rahmen des Waffenstillstandsabkommens von 1974 eingerichtete entmilitarisierte Zone (DMZ) bleibt ein wesentlicher Bestandteil des Sicherheitsgefüges Israels. Geht es nach Ben-Shabbat, müsse Israel »den Gipfel des Hermon weiterhin als wichtigen Beobachtungspunkt halten, um Verbindungen zwischen Syrien, der Hisbollah und dem Iran zu blockieren«. Er sprach sich dafür aus, die Pufferzone »mindestens für das nächste Jahrzehnt« aufrechtzuerhalten, wobei ein Rückzug von »einer Bewertung der Stabilität des syrischen Regimes, der Umsetzung seiner Verpflichtungen und der Bewertung der Sicherheitsrisiken« abhängig gemacht werden solle.

Hessen schloss sich dieser vorsichtigen Haltung an und merkte an, die mögliche Vereinbarung werde wahrscheinlich eher »eine aktualisierte Version des Waffenstillstandsabkommens von 1974« als ein vollständiger Friedensvertrag sein; eine Vereinbarung, die aber »die Anerkennung Israels durch Syrien und die Anerkennung der al-Sharaa-Regierung durch Jerusalem« beinhalten wird. Die Zurückhaltung, die DMZ aufzugeben, unterstreicht die Vorsicht Israels, die durch frühere Vereinbarungen geprägt ist, die keine dauerhafte Sicherheit gebracht haben. Jegliches territoriales Zugeständnis würde solide Garantien und eine nachgewiesene Erfolgsbilanz von Damaskus erfordern.

Potenzial

Obwohl die Sicherheit ganz oben auf der Tagesordnung steht, sehen beide Experten Potenzial für ein breiteres Engagement. Hessen hob Jerusalems Erfolgsbilanz bei der Unterstützung seiner Nachbarn hervor und stellte fest, dass »Israel die Stabilität in seinen Nachbarländern als nationales Sicherheitsinteresse betrachtet und systematisch die Unterstützung seiner Nachbarn bei zivilen Projekten betreibt«, und schlug vor, dass »dies auch mit Syrien schrittweise geschehen könnte«, möglicherweise durch Zusammenarbeit in den Bereichen Medizin, Landwirtschaft oder anderen.

Ben-Shabbat äußerte sich zurückhaltender und erklärte, es sei schwierig zu sagen, was das Abkommen beinhalten und wie es umgesetzt werde bzw. wie sich die Dinge schrittweise entwickeln würden, insbesondere im Hinblick auf zivile Kontakte wie etwa (touristische) Reisen von Israelis nach Syrien.

Allerdings schlug er eine innovative Idee vor: So könnte Syrien im Einklang mit der »Initiative von US-Präsident Trump Palästinenser aus dem Gazastreifen, die umziehen möchten«, neu ansiedeln. Israels nordöstliches Nachbarland wäre dafür geeignet, »da es ein arabisches Land ist, geografisch nahe liegt, historische Verbindungen zur Region hat« und sein ohnehin bestehender Wiederaufbaubedarf eine solche Umsiedlung ohne außergewöhnliche Belastungen verkraften könnte.

Zugleich bestehen Hoffnungen, die weiterreichenden Auswirkungen eines Abkommens zwischen Israel und Syrien könnten möglicherweise die demografische und politische Dynamik in der gesamten Region neu gestalten. Sowohl Israel als auch die USA signalisieren die Möglichkeit einer baldigen Ankündigung neuer Normalisierungsabkommen mit weiteren Ländern. Ben-Shabbat riet diesbezüglich jedoch zur Vorsicht: »Je weniger wir in dieser Phase darüber sprechen, desto größer sind die Chancen für eine letztendliche Beteiligung.«

Zur entscheidenden Frage, ob und wie weit man al-Sharaa vertrauen kann, äußerte sich Ben-Shabbat skeptisch und bezeichnete dessen freundliches Auftreten als potenzielle »Überlebensstrategie und nicht als echten inneren Wandel«. Hessens Antwort war ein dezidiertes »Nein«, er fügte jedoch hinzu, dass »in Verbindung mit internationalen Zusicherungen und angemessenen Verteidigungsvorkehrungen eine für beide Seiten vorteilhafte Vereinbarung ernsthaft in Betracht gezogen werden muss«.

Die Aussicht auf ein Abkommen zwischen Israel und Syrien ist also ein risikoreiches Unterfangen, das sowohl Chancen als auch Risiken birgt. Die roten Linien Israels – Kontrolle über den Golan, operative Freiheit und Beschränkungen für syrische Allianzen und Waffen – spiegeln einen Sicherheitsansatz wider, der durch vergangene Enttäuschungen geprägt ist.

Hessens Vision einer »für beide Seiten vorteilhaften Vereinbarung, die Israels nationale Sicherheitsinteressen direkt stärkt«, deutet jedoch einen Weg zur Stabilität an, der durch zivile Zusammenarbeit und regionale Neuausrichtungen noch verstärkt werden könnte. Die Fähigkeit des syrischen Regimes, seine Verpflichtungen einzuhalten, unterstützt durch internationale Zusicherungen, wird darüber entscheiden, ob der aktuelle Moment zu einem Wendepunkt wird.

Vorerst verfolgt Israel eine Strategie der Wachsamkeit, die durch strategische Offenheit gemildert wird und Skepsis mit der Möglichkeit eines transformativen Abkommens in Einklang bringt. Wie Ben-Shabbat warnte: »Nachdem Israel ein gebranntes Kind ist, hat es keine andere Wahl, als äußerste Vorsicht walten zu lassen.«

Der Text erschien auf Englisch zuerst beim Jewish News Syndicate. (Übersetzung von Alexander Gruber.)

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