Die Idee eines Regimewechsels ist weder abstrakt noch abwegig. Das iranische Volk bemühte sich 2009 mit massiven Protesten um ihn und tut dies seit den landesweiten Demonstrationen im vergangenem Dezember erneut. Die andauernden Proteste haben innerhalb der herrschenden Elite eine Welle an Dissens und Zwietracht ausgelöst und womöglich auch die regimeinternen Beratungen über das Atomprogramm beiseitegeschoben. Den Mullahs bleibt wenig anderes übrig, als sich dem Ausbruch öffentlichen Ärgers zuzuwenden. In den Reden, die er am 21. Mai in Washington und am 22. Juli in der Reagan-Bibliothek hielt, betonte Außenminister Pompeo die Nöte der iranischen Bevölkerung unter dem theokratischen Regime – so gut wie kaum ein amerikanischer Regierungsvertreter seit der Islamischen Revolution.
Philosophisch und operationell würde ein derartiger Wandel in der politischen Herangehensweise einer grundlegenden Wahrheit Rechnung tragen: Auf friedlichem Weg wird die Islamische Republik sich nicht in einen Staat verwandeln, der aufhören würde, die Sicherheit im Nahen Osten zu gefährden. (…)
Für Amerikaner, die mit der Hollywood-Berieselung ruchloser CIA-Intrigen groß geworden sind, mag es schwer vorstellbar sein, aber bei einer der sagenumwobensten Episoden des Kalten Krieges handelte es sich nicht um eine von der CIA gesteuerte Verschwörung, sondern um eine iranische Initiative. (…) Im Iran gab es 1953 einen ‚Putsch‘, weil die Iraner es so wollten. Wenn das Kleriker-Regime demnächst stürzt, tut es das unabhängig von amerikanischen Bemühungen, weil die Iraner es so wollen. (…)
Das Mullah-Regime steht heute seltsam entblößt dar, ohne überzeugende Ideologie und ohne verlässliche Machtbasis in der Bevölkerung. In jedem Jahrzehnt seit der Machtübernahme hat es die Unterstützung eines weiteren Teils der Gesellschaft verloren. Seine zahlreichen Sicherheitsorgane erwecken den Eindruck von Macht, doch könnte sich dieser im Falle einer weiteren landesweiten Protestbewegung leicht als Schein entpuppen. Die Frage ist nur, ob Amerika willens und fähig ist, das iranische Volk gegen seine Herrscher zu unterstützen. Die Islamische Republik ist schwer angegriffen, ähnlich wie die Sowjetunion es in den 1970er und 1980er Jahren war. Aber die Theokratie noch stark genug sein, um ihr imperialistisches Programm noch auf Jahre hinaus fortzuführen. Gerade wegen der Schwierigkeiten, in denen die Islamische Republik sich befindet, wird das Regime seine Aggression [im Ausland] vermutlich noch intensivieren. (…)
Entgegen den häufigen geäußerten, aber irrigen Behauptungen etlicher Experten haben die Vereinigten Staaten nie eine Strategie des Regimewechsels gegenüber der Islamischen Republik verfolgt. All den anderslautenden Annahmen zum Trotz verfügt die Trump-Administration durchaus über einen einigermaßen kohärenten außenpolitischen ‚Plan B‘ für das weitere Vorgehen nach dem Rückzug aus dem Atomabkommen, vorausgesetzt die Zersetzung der Theokratie ist tatsächlich das Endziel, das sie anvisiert. Wie sein Vorgänger glaubt Khamenei fest daran, dass die Vereinigten Staaten stets bestrebt gewesen seien, die Islamische Republik zugunsten verwestlichter iranischer Demokraten zu stürzen, die ein dekadentes und gottloses Zeitalter einläuten würden. Er weiß im Gegensatz zu vielen in Washington, dass die Auseinandersetzung zwischen den Vereinigten Staaten und der Islamischen Republik für die Zukunft des Nahen Ostens von entscheidender Bedeutung ist.“ (Reuel Marc Gerecht/Ray Takeyh: „The Preeminent Challenge“)