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Plädoyer für einen Regimewechsel im Iran

Eine Politik des Regimewechsels zielt auf das Ende der theokratischen Diktatur im Iran ab. (imago images/ZUMA Wire)
Eine Politik des Regimewechsels zielt auf das Ende der theokratischen Diktatur im Iran ab. (imago images/ZUMA Wire)

Niemand weiß, wie der Iran nach dem Sturz der Theokratie aussehen wird. Aber immer mehr Iraner wollen es herausfinden – und brauchen unsere Unterstützung.

Eric Edelman/Ray Takeyh, Foreign Affairs

„Regime Change“ ist in Washington ein vergifteter Begriff. Er beschwört Bilder des Irak-Kriegs herauf, bei dem die Vereinigten Staaten in einem von ihnen selbst geschaffenen Sumpf zu versinken drohten. Aus diesem Grund werden diejenigen, die für eine Politik des Drucks und des Zwangs gegenüber dem Iran eintreten, routinemäßig beschuldigt, insgeheim einen Regimewechsel zu unterstützen.

Als Reaktion darauf wird dies von den Beschuldigten fast immer zurückgewiesen. Sie bestehen darauf, dass sie keinen Regimewechsel wollen, sondern nur, dass die Theokraten der Islamischen Republik ihr Verhalten ändern.

Aber eine solche Transformation wird es nie geben, denn das iranische Regime wird von einer revolutionären Bewegung getragen, die den Vereinigten Staaten niemals entgegenkommen wird. Deshalb ist ein Regimewechsel keine radikale oder rücksichtslose Idee, sondern das pragmatischste und effektivste Ziel, dass die US-Politik gegenüber dem Iran verfolgen kann – ja das einzige Ziel, das eine Chance hat, die Bedrohung durch den Iran effektiv zu verringern.

Einen Regimewechsel nachdrücklich zu unterstützen, bedeutet nicht, eine militärische Invasion im Iran zu befürworten, sondern darauf zu drängen, dass die Vereinigten Staaten alle ihnen zur Verfügung stehenden Instrumente einsetzen, um den klerikalen Staat Iran zu untergraben, einschließlich der verdeckten Unterstützung von Dissidenten.

Die Vereinigten Staaten können die Islamische Republik nicht stürzen, aber sie können Bedingungen fördern, die einen solchen Untergang möglich machen würden. Das Regime ist schwächer, als viele westliche Analysten glauben; eine Kampagne von äußerem Druck und innerem Widerstand könnte es möglicherweise stürzen. In den vergangenen Jahren kam es zu Ausbrüchen breiter öffentlicher Opposition gegen das Regime.

Die Iraner sind hungrig nach einer besseren Führung. Die Frage für Washington sollte nicht sein, ob es für einen Regimewechsel eintritt, sondern wie es dem iranischen Volk helfen kann, diesen zu erreichen. (…)

Im Kern eine revolutionäre Organisation

Alle US-Regierungen haben zu verstehen verabsäumt, dass das iranische Regime im Kern eine revolutionäre Organisation bleibt. Einmal an der Macht, geben Revolutionäre oft den Versuchungen der Mäßigung und des Pragmatismus nach. Die Erfordernisse, eine Regierung zu führen und sich mit innenpolitischen Belangen zu befassen, führen schließlich dazu, dass sie sich an die herrschende internationale Ordnung anpassen.

Doch vier Jahrzehnte nach ihrer Gründung entzieht sich die Islamische Republik weiterhin diesem Schicksal. Ihre Eliten halten immer noch an den Geboten der Revolution fest, selbst wenn sie sich als selbstzerstörerisch erweisen. Das liegt daran, dass sich der Revolutionsführer, Ayatollah Ruhollah Khomeini, nicht auf säkulare Prinzipien stützte, sondern die Religion zu seinem Regierungsbekenntnis machte.

Khomeinis Ideologie beruhte auf einer politisierten und radikalisierten Version des schiitischen Islam, die oft im Widerspruch zu langjährigen Glaubenstraditionen steht. Doch für ihren engagiertesten Kern von Anhängern bleibt die iranische Theokratie ein wichtiges Experiment zur Verwirklichung von Gottes Willen auf Erden. Angeführt von Khomeinis Nachfolger, dem Obersten Führer Ali Khamenei, behalten diese wahren Gläubigen die Kontrolle über die mächtigsten Arme der iranischen Regierung und haben sich erfolgreich den Reformbemühungen verschiedener Präsidenten und Parlamente widersetzt.

Für Khomeini und seine Jünger machte die Notwendigkeit, ihre Revolution am Leben zu erhalten, es unausweichlich, sie unerbittlich zu exportieren. Es sollte eine Revolution ohne Grenzen sein; ihre Anziehungskraft würde nicht durch kulturelle Unterschiede oder unterschiedliche nationale Rücksichtnahmen innerhalb der muslimischen Welt eingeschränkt werden.

Khamenei hat diese Mission treu fortgeführt, indem er Stellvertretermilizen im gesamten Nahen Osten mit dem Ziel unterstützte, den Islamismus iranischer Prägung voranzubringen und die von den USA unterstützte regionale Sicherheitsordnung zu untergraben. (…)

Deshalb wird sich die Islamische Republik nie zu einem verantwortungsvollen regionalen Akteur entwickeln. Sie wird niemals eine echte politische Auseinandersetzung möglich machen oder zulassen, dass eine organisierte Opposition Gestalt annimmt. Sie wird niemals ihre nuklearen Ambitionen im Tausch für wirtschaftlichen Erfolg aufgeben. Und sie wird niemals US-Interessen welcher Art auch immer im Nahen Osten als legitim anerkennen. Die Revolutionäre werden ihre Revolution niemals aufgeben.

Die einzig realistische Option: Regimewechsel

Da es keine Aussicht auf eine nachhaltige Annäherung gibt, solange die Theokraten den Ton angeben, ist die einzige sinnvolle US-Politik, einen Regimewechsel anzustreben, d.h. im Iran alles zu tun, um die Regierung zu schwächen und diejenigen zu stärken, die sich ihr widersetzen. Das Ziel sollte sein, den zahlreichen Iranern zu helfen, die das ursprüngliche Versprechen der Revolution von 1979 einlösen wollen: Der Schah wurde von einer Bewegung gestürzt, die von vielen Akteuren, einschließlich liberaler und pro-demokratischer Gruppen, unterstützt wurde – bevor sie von Khomeini und seinen islamistischen Parteigängern gekidnappt wurde. (…)

Heute befindet sich die Islamische Republik in einer Sackgasse. Das Regime sieht sich mit einer unzufriedenen Bevölkerung konfrontiert, die zunehmend die Angst verliert und immer öfter bereit ist, den Sicherheitskräften des Regimes auf der Straße entgegen zu treten. Niemand kann sicher sagen, wie eine post-theokratische Zukunft aussehen könnte, aber immer mehr Iraner scheinen bereit zu sein, das herausfinden zu wollen. (…)

Obwohl im Iran der Widerstand brodelt, ist bisher keine kohärente Oppositionsbewegung entstanden. Washington kann keine schaffen, aber durch eine offen verfolgte Schwächung des Regimes sowie die verdeckte Unterstützung von Kräften im Iran, die die Forderungen der Bevölkerung nach einem Wandel bündeln können, können die Vereinigten Staaten den derzeit getrennten Strängen der Opposition helfen, sich zu konsolidieren.

Washington sollte versuchen, die iranische Wirtschaft weiter unter Druck zu setzen, Akteure aus den Reihen Regimes zum Überlaufen einzuladen und denjenigen, die es wagen, das Regime herauszufordern, heimlich unter die Arme greifen. Weiter können die Vereinigten Staaten aber nicht gehen: Der Regimewechsel selbst, d.h. die Beseitigung der Theokratie, muss von den Iranern selbst vorgenommen werden. (…)

Viele Einwände

Es gibt viele Einwände gegen eine Politik des Regimewechsels. Einer lautet, dass die Unterstützung der USA für pro-demokratische Kräfte, Menschenrechtsaktivisten und Regimekritiker im Iran diese in den Augen anderer Iraner diskreditieren würde. Aber sicherlich können die iranischen Dissidenten dieses Risiko selbst am besten beurteilen. Washington sollte die vielversprechendsten Empfänger von US-Hilfe identifizieren und diese selbst entscheiden lassen, ob sie diese Hilfe annehmen wollen.

Und es sollte erwähnt werden, dass in allen Protesten, die der Iran in den letzten zehn Jahren erlebt hat, nie die Vereinigten Staaten an den Pranger gestellt wurden. Tatsächlich riefen 2009 viele Demonstranten der Grünen Bewegung Präsident Obama vergeblich auf, sich öffentlich zu ihrer Sache zu bekennen. Selbst Trump wurde im vergangenen Jahr nicht zur Zielscheibe von Straßenprotesten. (…)

Einige Kritiker wenden ein, dass eine Politik des Regimewechsels jede Hoffnung auf eine Einschränkung des iranischen Atomprogramms durch Verhandlungen zunichte machen würde. Das setzt aber voraus, dass es die Möglichkeit eines verlässlichen Rüstungskontrollabkommens mit dem gegenwärtigen Regime gibt – und die gibt es nicht.

Das Nuklearabkommen, das der Iran mit den Vereinigten Staaten und anderen Mächten abgeschlossen hat, war mit fatalen Mängeln behaftet: Es verbot weder die inländische Urananreicherung durch den Iran noch die Entwicklung fortschrittlicher Zentrifugen, und alle seine wichtigsten Beschränkung waren mit Ablaufdaten versehen. (…)

Ein weiterer häufiger Einwand gegen eine US-Strategie des Regimewechsels im Iran ist die Befürchtung, dass die Regierung, die der Theokratie folgen würde, noch schlimmer wäre. Einige Befürworter dieser Ansicht sind davon überzeugt, dass eine erfolgreiche Politik des Regimewechsels nur zum Aufstieg zwielichtiger Führer aus den Reihen der Revolutionsgarden führen würde. In dieser Darstellung würde sich der Iran von einer aggressiven Theokratie zu einer faschistischen Militärdiktatur entwickeln.

Dieses Argument geht fälschlicherweise davon aus, dass die Pasdaran über eine eigene Identität verfügen würden, die von dem klerikalen Regime losgelöstwäre, dem sie dienen. In Wirklichkeit sind die klerikalen Oligarchen und die Führer der Revolutionsgarden untrennbar miteinander verbunden. (…)

Schließlich warnen Kritiker einer Politik des Regimewechsels manchmal davor, dass der Iran im Falle eines Sturzes der Islamischen Republik zu einem gescheiterten Staat nach dem Vorbild des Irak nach der US-Invasion von 2003 oder Libyens in den Jahren seit der US-geführten Intervention im Jahr 2011 werden könnte.

Es gibt jedoch erhebliche Unterschiede zwischen dem Iran und diesen Ländern. Ein iranischer Staat und ein iranisches Gemeinwesen gibt es seit Tausenden von Jahren – im Gegensatz zum Irak und zu Libyen ist der Iran keine Erfindung europäisch-postkolonialer Grenzziehungen.

Hinzu kommt, dass im Iran zwar ethnische Spannungen bestehen und das Regime in Teheran religiöse Minderheiten unterdrückt, die iranische Gesellschaft aber überwiegend schiitisch geprägt ist und weder von den ethnischen und sektiererischen Spaltungen zerfressen wir, die den Irak plagen, noch von solchen Stammesfraktionen geprägt ist, wie sie Libyen schwer regierbar machen.

Zu guter Letzt gedeiht die iranische Zivilgesellschaft auch unter der Theokratie; sie ist nicht so atomisiert worden, wie ihre Pendants von den Diktatoren, die lange Zeit den Irak und Libyen regierten. (…)

Die Demonstranten von heute sind die Führung von morgen

In jedem Jahrzehnt seines Bestehens war das theokratische Regime mit einer Rebellion konfrontiert. Die Liberalen waren die ersten, die in den 1980er Jahren gegen die Machtübernahme der Mullahs protestierten. Universitätsstudenten, die im Iran stets eine politische Avantgarde waren, haben der Theokratie mit ihrem eigenen Aufstand 1999 eine Absage erteilt; zehn Jahre später traf eine weitere Welle jugendlicher Rebellion das Regime.

Und in den letzten Jahren sind die Iraner erneut aufgestanden. Studenten, Arbeiter, Geistliche und Kaufleute agitieren gegen die despotische Herrschaft, so wie sie es schon im Großteil des vergangenen Jahrhunderts getan haben. Die Menschen, die heute auf den Straßen protestieren, sind diejenigen, die morgen den Iran führen werden – und ihr Kampf ist es wert, von Washington in die Arme genommen zu werden.

Ein Regimewechsel im Iran wäre keine schöne Angelegenheit. Er würde nicht sofort alle Probleme zwischen Washington und Teheran lösen, geschweige denn den Nahen Osten sofort stabilisieren. Aber die Vereinigten Staaten sollten zumindest versuchen, das iranische Volk in die Lage zu versetzen, die Art von Regierung zu bekommen, die es verdient. Andernfalls ist Washington dazu verdammt, die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen (…).

The Next Iranian Revolution

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