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Ein palästinensischer Traum, der den Frieden verhindert

Soeben auf Deutsch erschienen: Adi Schwartz / Einat Wilf: Der Kampf um Rückkehr
Soeben auf Deutsch erschienen: Adi Schwartz / Einat Wilf: Der Kampf um Rückkehr (Quelle: Hentrich & Hentrich)

Ein jüngst auf Deutsch übersetztes Buch befasst sich mit dem sogenannten Rückkehrrecht, das die Autoren als Kernthema bei der Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts charakterisieren.

Pascal Beck

Wird Israel heute kritisiert, wird fast schon automatisch die Resolution 194 der UN-Generalversammlung vom 11. September 1948 aufgezählt, laut der, so die Kritiker, die palästinensischen Flüchtlinge gemäß Artikel 11 ein Rückkehrrecht besäßen. Gelesen zu haben scheint jedoch niemand die Resolution oder den beliebten Artikel in Gänze beziehungsweise aufmerksam.

Artikel 11 spricht denjenigen eine Rückkehr zu, die »in Frieden mit ihren Nachbarn leben wollen«. Ihnen soll »zum frühestmöglichen Zeitpunkt gestattet werden«, in ihre Wohnstätte zurückzukehren. Weder spricht die Resolution von einem »Recht«, noch meint sie ausnahmslos alle palästinensischen Flüchtlinge, sondern stellt ganz konkrete Bedingungen, an die eine Rückkehr gebunden ist.

Ein weiterer Streitpunkt ist außerdem die Definition eines palästinensischen Flüchtlings. Vor diesem Problem stand schon die UNWRA, das Palästinenserhilfswerk der Vereinten Nationen. Im Jahr 1950 kam die UN zu dem Entschluss, es sei unwahrscheinlich, eine genaue Aussage über die Zahl der »echten«, aus dem Krieg resultierenden Flüchtlinge jetzt oder in Zukunft machen zu können. Nachträglich war es ihr nämlich unmöglich zu bestimmen, welche Menschen, die sich am Vorabend des Kriegs von 1948/49 im Mandatsgebiet Palästina aufhielten, tatsächlich auch Palästinenser waren, da häufig, beispielsweise aus wirtschaftlichen Gründen, Araber aus den Nachbarländern nach Palästina gekommen waren.

Die Frage nach »echten« Flüchtlingen ist dementsprechend nicht unbedeutend: Von welchen Menschen wird heute gesprochen, wenn ein »Rückkehrrecht« gefordert wird, und wohin soll zurückgekehrt werden?

Endlich auf Deutsch

Vor Kurzem erschien erstmals eine deutsche Übersetzung des Buches von Adi Schwartz und Einat Wilf. In Der Kampf um Rückkehr charakterisieren die Autoren die Frage der palästinensischen Flüchtlinge zu einem der Kernthemen bei der Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts, gar zu »dem Problem schlechthin«. Erfrischend unaufgeregt und wertfrei stellen die beiden die Frage von ihren Anfängen im Krieg von 1948 bis heute anhand von historisch-politischen Entscheidungen und zeitgenössischen Äußerungen aller beteiligten Parteien dar und liefern eine Analyse, weshalb gerade an dieser Frage eine friedliche Lösung bis heute gescheitert ist.

Als zentrales Hindernis wird hierfür die UNRWA selbst genannt, die in den Jahren zunehmend vom ursprünglichen Hilfswerk für palästinensischen Flüchtlinge zum politischen Agitator und Druckmittel seitens der arabischen Staaten wurde. Schwartz und Wilf stellen eindrucksvoll dar, wie das Flüchtlingsproblem heute kein juristisches oder humanitäres Problem mehr ist, sondern vielmehr ein politisches, das den Wunsch nach Herrschaft über das gesamte Land widerspiegelt und damit letztlich keinen souveränen jüdischen Staat mehr ermöglichen würde.

Die Geschichte des Konflikts langweilt fast schon, weil sie sich innerhalb der knapp siebzig Jahre lediglich im Kreis zu drehen scheint. Einzig in Nuancen, die sich vor allem in strategischen Positionen zeigen, deuten sich Unterschiede an. So zeigen die Autoren unter anderem auf, wie die palästinensische Führung erst die Fortsetzung des Krieges jener der Möglichkeit einer Rückkehr vorzog, da Letztere die Anerkennung Israels bedeutet hätte.

Später sah man in der Rückkehr die Möglichkeit, den Status quo anzugreifen und damit Israels Existenz zu untergraben. Seitdem wurde die Forderung für das Rückkehrrecht zur prioritären Forderung. Die Strategie wurde zwar geändert, die Motivation blieb jedoch dieselbe: die Vernichtung des jüdischen Staates.

Politisches Kalkül

Die Zahl der Flüchtlinge wuchs, woran die UNRWA wesentlich beteiligt war und noch immer ist. So entschied sie 1965 die Ausweitung des Anspruchs auf Rückkehr auch auf die Kinder derjenigen, die nach dem 14. Mai 1948 geboren wurden – also den Enkeln der tatsächlichen Flüchtlinge. Schließlich wurde es auf alle Nachkommen ausgeweitet.

Damit aber nicht genug: Ein weiteres Mittel, die Flüchtlingszahl in die Höhe zu treiben, besteht in der Ablehnung des internationalen Standards, dass Menschen, die mittlerweile Staatsbürger eines Landes sind, keine Flüchtlinge mehr sein können. Als Beispiel führen die Autoren Jordanien an. Das Königreich hat mindestens vierzig Prozent der palästinensischen Flüchtlinge die jordanische Staatsbürgerschaft verliehen. Zudem besteht die überwältigende Mehrheit der in Jordanien registrierten Flüchtlinge aus Nachkommen von Personen, die ihrerseits bereits als jordanische Staatsbürger auf die Welt gekommen sind. Darüber hinaus leben mehr als achtzig Prozent der in Jordanien als Flüchtlinge registrierte Menschen nicht in Lagern, sondern sind gut integriert und durchaus erfolgreich.

Schwartz und Wilf stellen also die berechtigte Frage, inwiefern es sich hier noch um Flüchtlinge handeln kann. Noch absurder wird es, wenn die UNRWA diejenigen weiterhin als Flüchtlinge definiert, die in den Gebieten leben, die entweder von der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) oder der Hamas regiert werden. Die UNRWA zählt demnach Menschen als Flüchtlinge, die faktisch in dem Land leben, das sie selbst als Palästina beanspruchen und anerkannt sehen wollen. Hier zeigt sich das politische Kalkül ganz offen, das nicht auf eine friedliche Lösung ausgerichtet ist.

Sachliche Analyse statt emotionaler Meinung

Irritierend allerdings ist der von Schwartz und Wilf vorgeschlagene Weg, wie die UNRWA aufgelöst werden sollte. Mit dieser Auflösung zu beginnen sei in den von der PA verwalteten Gebieten, wobei die beiden die Tätigkeit der UNRWA und der PA zusammengelegt wissen wollen. Die Geberstaaten könnten fortan alle für den Betrieb von UNRWA-Schulen und -Krankenhäusern vorgesehene finanzielle Unterstützung an die PA umleiten.

Wie damit jedoch ein Schritt hin zur Zwei-Staaten-Vision gemacht werden soll, bleibt unklar – vor allem angesichts der Tatsache, dass die PA einen großen Teil ihres Haushalts und damit auch internationale Hilfsgelder an überführte Attentäter oder deren Angehörige ausbezahlen. Auch die Inhalte der Schulbücher der PA lassen dieser Hoffnung wenig Raum.

Adi Schwartz und Einat Wilf weisen eindrücklich nach, weshalb die palästinensische Forderung nach Rückkehr eine Zwei-Staaten-Lösung bis heute behindert. Auch denjenigen, die sich bereits intensiv mit dem Konflikt auseinandergesetzt haben, liefern die Autoren zusätzliche Details und schaffen es, ein klares und chronologisches Bild zu zeichnen, wobei die Nachsicht der westlichen Staaten den Palästinensern gegenüber nicht zu kurz kommt, die von den beiden dargestellt, historisch eingeordnet und kritisiert wird. Das Buch ist denjenigen wärmstens zu empfehlen, die sich dem Thema nicht weiter emotional, sondern sachlich-analytisch nähern wollen.

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