In einem vorher gänzlich unbekannten neunzehnseitigen Dokument diskutiert ein hochrangiger Jihadist die Beziehungen der Gruppe zum Iran. Darin erklärt der Autor, der Iran habe einigen ‚saudischen Brüdern’ innerhalb al-Qaidas ‚als Gegenleistung für Schläge gegen amerikanische Interessen in Saudi-Arabien und am Golf alles, was sie brauchen’, angeboten, darunter ‚Geld, Waffen’ und die Möglichkeit der ‚Ausbildung in Lagern der Hisbollah im Libanon’. Iranische Geheimdienste hätten die Reisen von al-Qaida-Agenten mit Visa ermöglicht und anderen Unterschlupf geboten. Abu Hafs al-Mauritani, ein einflussreicher Ideologe vor 9/11, war an der Aushandlung eines Rückzugsorts für seine jihadistischen Kameraden im Iran beteiligt. Aus dem Bericht des offenbar gut vernetzten Autors geht allerdings hervor, dass al-Qaeia-Kämpfer gegen die Vereinbarung verstoßen hätten, und der Iran gegen das Netzwerk der sunnitischen Dschihadisten vorgegangen sei und einige von ihnen festgesetzt habe. Der Autor erklärt gleichwohl, dass al-Qaida sich mit dem Iran nicht im Krieg befinde und ihre Interessen sich zum Teil überschnitten, insbesondere mit Blick auf die ‚Feindschaft gegen Amerika’.
Aus Bin Ladens Dokumenten geht hervor, dass es zwischen den beiden Parteien zu heftigen, zum Teil feindseligen Auseinandersetzungen kam. Al-Qaida schrieb sogar einen Brief an Ayatollah Khameini, in dem die Freilassung von im Iran inhaftierten Angehörigen verlangt wurde. Aus anderen Dokumenten geht hervor, dass al-Qaida einen iranischen Diplomaten entführte, um ihn gegen eigene Mitglieder und Angehörige auszutauschen. Bin Laden erwog Maßnahmen, um dem seines Erachtens schädlichen Einfluss des Iran im Nahen Osten etwas entgegenzusetzen. Doch habe bin Laden dafür plädiert, sich mit Angriffen auf den Iran zurückzuhalten. In einem zuvor bereits freigegebenen Brief beschrieb bin Laden den Iran als al-Qaidas ‚Schlagader in Sachen Geld, Personal und Kommunikation’. Trotz der Meinungsverschiedenheiten unterstützte der Iran die Aktivitäten al-Qaidas auch weiterhin auf entscheidende Weise. Die US-amerikanischen Finanz- und Außenministerien haben seit Juli 2011 wiederholt versucht, gegen die ‚zentrale Förderungspipeline’ al-Qaidas im Iran mit einer Reihe von Einstufungen [als Terrororganisationen oder -unterstützer] und offiziellen Erklärungen vorzugehen. Quellen, die mit den Geheimdienstinformationen vertraut sind, die zur Begründung jener Einstufungen dienten, berichten, diese beruhten zum Teil auf den Dokumenten aus Abbottabad. Es ist wahrscheinlich, dass sich aus den jetzt entsperrten Materialien noch weitere Einsichten in die Beziehungen al-Qaidas zum Iran ergeben werden.“ (Thomas Joscelyn / Bill Roggio: „Analysis: CIA releases massive trove of Osama bin Laden’s files“)