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„Frauenrechte sind der Gradmesser einer Demokratie“

„Frauenrechte sind der Gradmesser einer Demokratie“
Naïla Chikhi

Trotz der Gefahr für Leib und Leben erheben Algerierinnen auf der Straße oder in den sozialen Medien in dieser angespannten politischen Situation ihre Stimme gegen das staatliche, das traditionelle und das religiöse Patriarchat. (…)

Und in Deutschland und anderen europäischen Ländern? Hier übersehen oder leugnen manche feministischen oder linksliberalen Kräfte frauenverachtende Praktiken, um den Rechten nicht in die Hände zu spielen. Sie betreiben einen krassen kulturellen Relativismus und messen mit zweierlei Maß. Man kann nicht für sich selbst Gleichheit und Freiheit fordern und gleichzeitig bei anderen Unfreiheit und Bevormundung akzeptieren! Warum sollten für mich, eine muslimische Deutsche, andere Rechte und Pflichten gelten als für eine nichtmuslimische Deutsche? Den einen Rechte zuzugestehen, während man den anderen diese vorenthält, ist eine Denkweise, die dem identitären Denken der Islamisten gleicht und den Gedanken universaler Menschenrechte ablehnt.

Sich einem rückwärtsgewandten Islamverständnis zu öffnen, ist keine Toleranz, sondern Verrat an Millionen von Frauen, die in muslimischen Ländern für ihre Freiheit und gegen den Fundamentalismus kämpfen. Wir sollten den muslimischen Frauen weder im Westen noch in den muslimisch geprägten Gesellschaften in den Rücken fallen.

Einigkeit besteht darüber, dass Frauenrechte der Gradmesser einer Demokratie sind. Deshalb sind für mich die Errungenschaften der Aufklärung und der Frauenbewegung nicht verhandelbar und müssen von Frauen und für alle Frauen gleichermaßen verteidigt werden. Von der Generation meiner Mutter, von den algerischen Kämpferinnen habe ich bereits als junges Mädchen gelernt, dass in angespannten Zeiten der universale und säkulare Feminismus unteilbar ist. Mit Spannung verfolge ich, wie die junge Generation im heutigen Algerien sich dafür einsetzt, dass die Unantastbarkeit der Würde der Frau und die Gleichberechtigung der Geschlechter anerkannt und gesetzlich festgeschrieben werden. Solidarisch mit ihrem Kampf wünsche ich den Töchtern von Dihya, Fadhma n’Soumer und Akila, dass sie [in Algerien] eine zweite Republik mit einer Grundordnung erschaffen, die ihnen ermöglicht, frei von jeglichem religiösen Druck und Dogmatismus zu leben. Die Fürsprecherinnen des Kopftuchs in Deutschland seien daran erinnert, was Simone de Beauvoir geschrieben hat: ‚Der Unterdrücker wäre nicht so stark, wenn er keine Komplizen unter den Unterdrückten selbst hätte.‘“ (Naïla Chikhi in der Jungle World: „Aufstand der Frauen“)

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