Frankreich hat beschlossen, sein Engagement für den Libanon zu verstärken. Doch der Besuch des französischen Gesandten in Beirut vergangene Woche warf viele Fragen auf.
Der Gesandte des französischen Präsidenten Jean-Yves Le Drian traf vergangenen Mittwoch zu Gesprächen in Beirut ein, die bis zum kommenden Freitag dauerten, und bei denen er zum vierten Mal in Folge versuchte, einen Durchbruch in der Krise um die Wahl eines neuen libanesischen Präsidenten zu erzielen. Der Besuch erfolgte nach dem Scheitern aller Versuche des libanesischen Parlaments, einen neuen Präsidenten zu wählen – mittlerweile dreizehn Monate nach dem Ende der Amtszeit des ehemaligen Präsidenten Michel Aoun.
Die Hisbollah und ihre Verbündeten bestehen auf der Nominierung von Suleiman Franjgeh für das Präsidentenamt, während die Opposition an Jihad Azour festhält. Keine der beiden Parteien verfügt über die erforderliche Mehrheit, um ihren Kandidaten durchzusetzen.
Regionale Entwicklungen
Dem Besuch von Le Drian gingen Bemühungen des Emirats Katar voraus, die eine Woche zuvor mit einer nicht an die große Glocke gehöngten Visite des Gesandten von Doha begonnen. hatten. Dabei traf sich Jassem bin Fahd Al Thani mit mehreren Amtsträgern, darunter dem geschäftsführenden Premierminister Najib Mikati, und versuchte, zwischen den Parteien zu vermitteln.
Die libanesische Zeitung Al-Nahar zitierte informierte Quellen mit der Aussage, der französische Präsident Emmanuel Macron habe Le Drian ausgerechnet zum jetzigen Zeitpunkt nach Beirut geschickt, da er davon überzeugt sei, dass die libanesischen Parteien angesichts der instabilen Lage in der Region mehr denn je zur Eile gezwungen seien, um das Vakuum im Präsidentenamt zu füllen.
Die saudische Zeitung Al-Sharq Al-Awsat nannte andere Quelle, die sagten, Le Drian werde »seinen neuen Versuch dort starten, wo der letzte Versuch endete: mit einem Hinweis auf die Verpflichtung von Paris, einen dritten Kandidaten [sprich: einen anderen als Suleiman Frangieh oder Jihad Azour] vorzuschlagen.«
Der Ball liege bei den Libanesen und dem Repräsentantenhaus, nicht bei einem anderen Spieler, hieß es weiter. »Der französische Gesandte geht von den großen Entwicklungen aus, die in der Region stattgefunden haben und immer noch stattfinden«. Die Risiken, die mit dem Scheitern der Wahl eines neuen Präsidenten verbunden sind, seien in der Vergangenheit »hauptsächlich interner Natur gewesen, heute aber sind sie regionaler Natur.« Nicht zuletzt deswegen, weil »der Libanon durch seinen Präsidenten an jeder künftigen großen Lösung in der Region beteiligt sein muss.«
Kein Durchbruch in Sicht
Der auf französische Angelegenheiten spezialisierte Autor Tammam Nour El-Din meinte im Vorfeld, der französische Gesandte würde Beirut auf Ersuchen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron besuchen, »obwohl es in der libanesischen Präsidentschaftsfrage keine Entwicklungen gibt, die seine Ankunft erforderten und er keine neue Initiative mitbringt.« Alles, was Le Drian tun könne, sei es »den Libanesen eine Botschaft über die dringende Notwendigkeit der Wahl eines Präsidenten übermitteln sowie eine Warnung vor den Folgen einer Ausweitung des Kriegs im Süden« gegen Israel.
Alain Aoun, Mitglied des Parteienblocks Starker Libanon, glaubt, Le Drians Besuch habe auch unmittelbar mit dem Dem Krieg zwischen Israel und der Hamas zu tun. So gehe des Macrons Gesandten nicht nur darum, die Rolle Frankreichs im Libanon zu stärken, sondern auch darum, die Libanesen aufzufordern, »durch die Bildung einer vollwertigen Behörde, also eines Präsidenten und einer Regierung, bereit zu sein, an einer möglichen internationalen Konferenz nach dem Krieg im Gazastreifen teilzunehmen.«
Allerdings geht auch Aoun nicht von einem Durchbruch in der Präsidentschaftskrise zum jetzigen Zeitpunkt aus. Le Drians Versuch werde nicht von Erfolg gekrönt sein, »weil sich die interne Situation nicht geändert hat und wir uns immer noch an dem Punkt befinden, an dem Le Drian das Land nach seinem letzten Besuch im Juni verlassen hat«.
Der Abgeordnete Elias Hankash, Mitglied des Blocks Libanesische Phalange, ist ebenfalls der Ansicht, dass die Lösung der Krise des Präsidentenvakuums nicht in greifbarer Nähe liegt: Die aktiven Kräfte auf internationaler Ebene müssten stärkeren Druck ausüben, »damit alle libanesischen Parteien die Notlage spüren, in der sich das Land befindet und die sie dazu zwingt, einen Schritt nach vorne und die notwendigen Zugeständnisse zu machen, um so schnell wie möglich einen Präsidenten zu wählen.«