Der jüngste Besuch des französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Marokko hat die Beziehungen zu Rabat positiv, jene zu Algerien hingegen negativ beeinflusst.
Während Beobachtern zufolge mit diesem Besuch ein neues Kapitel in den französisch-marokkanischen Beziehungen aufgeschlagen wird, spiegelt er zugleich Emmanuel Macrons – wenn auch nur vorübergehende – Abkehr von einem wichtigen Ziel seiner Außenpolitik wider: die Verbesserung der Beziehungen zu Algerien und die Fortsetzung des Wegs der historischen Versöhnung zwischen den beiden Ländern.
Nach fast drei Jahren voller Spannungen besuchte der französische Präsident Emmanuel Macron Ende letzten Monats auf Einladung Königs Mohammed VI. Marokko. Eines der wichtigsten Ergebnisse von Macrons Besuch war die Unterzeichnung diverser Abkommen, deren finanzieller Wert zehn Milliarden Euro entspricht. Dementsprechend soll Frankreich in den kommenden Jahren stark in Marokko investieren, und zwar in wichtigen Sektoren, insbesondere in der Produktion und dem Transport grüner Energie, der Errichtung einer Hochgeschwindigkeitseisenbahntrasse, der Luftfahrtindustrie und der Meerwasserentsalzung.
In einer Rede vor dem marokkanischen Parlament bekräftigte der französische Präsident die Unterstützung Frankreichs für Marokkos Souveränität über die Westsahara. Macron sagte auch französische Investitionen in dem umstrittenen Gebiet der separatistischen Polisario-Front zu.
Das achtzig Prozent der Westsahara kontrollierende Marokko betrachtet diesen Landstrich als integralen Bestandteil seines Territoriums, hat aber keine Einwände gegen eine Autonomie des Gebiets, solange es unter seiner Souveränität bleibt. Die Polisario-Front hingegen, unterstützt vom Nachbarland Algerien, besteht auf einem Referendum über die nationale Selbstbestimmung, wie es in dem 1991 unterzeichneten Waffenstillstandsabkommen festgelegt ist.
Für Marokko war die französische Anerkennung seiner Souveränität über die Sahara die Grundlage für die Beendigung der Spannungen mit Paris, eine Bedingung, der Frankreich vor einigen Monaten nachkam. Im Gegensatz dazu lehnteAlgerien diese Anerkennung der marokkanischen Souveränität über die Westsahara ab und rief im vergangenen Juli seinen Botschafter zu Konsultationen aus Paris zurück.
Stärkung der Beziehungen
Der marokkanische Kolumnist bei der in London ansässigen Zeitung Al-Araby Al-Jadeed, Omar Al-Morabit kommentierte, bei Macrons Besuch sei ein Abkommen geschlossen worden, das »die Anerkennung der marokkanischen Sahara durch Frankreich (die Linse, durch die Marokko nun seine Beziehungen zu anderen Ländern betrachtet) im Austausch für eine Vereinbarung über eine erneuerte, außergewöhnliche und enge Partnerschaft zwischen den beiden Ländern« beinhaltete.
Die von König Mohammed VI. und Macron in Rabat unterzeichnete Partnerschaftserklärung könne in allen Bereichen als strategische Allianz zwischen Marokko und Frankreich betrachtet werden, insbesondere in Bezug auf die politischen und wirtschaftlichen Aspekte. Es handle sich um ein umfassendes Abkommen, mit dem ein neues Kapitel in den Beziehungen zwischen den beiden Ländern aufgeschlagen und ihre Beziehung von einem Verhältnis von dem zwischen einem Kolonisator und seiner ehemaligen Kolonie »zu einer außergewöhnlichen Beziehung zu machen, die auf soliden Fundamenten und gemeinsamen Interessen mit einer beiderseitigen Win-win-Logik aufgebaut ist«.
Auf Kosten Algeriens
Die Annäherung Frankreichs an Marokko scheint jedoch auf Kosten Algeriens zu gehen. In diesem Zusammenhang sagte der Politikwissenschaftler Jean-Noël Ferré: »Frankreich musste sich zwischen seinen seit einem Jahr unterkühlten Beziehungen zu Algerien und der Wiederherstellung der Beziehungen zu Marokko nach Jahren diplomatischer Krisen entscheiden, und es entschied sich für Marokko.«
Der Forschungsdirektor am französischen Nationalen Zentrum für wissenschaftliche Forschung und am Institut für Politikwissenschaften in Bordeaux meinte, die Anerkennung der marokkanischen Souveränität über die Westsahara durch die US-Regierung von Donald Trump im Jahr 2020 sei der erste Schritt in einer Reihe von diplomatischen Schachzügen gewesen, mit denen Algerien in den letzten Jahren zu kämpfen hatte. »Im Jahr 2022 änderte Spanien seine Haltung und schloss sich Marokko bei seinem Autonomieplan für die Westsahara an. Algerien sieht sich in Konkurrenz zu Marokko. Daher ist die Annäherung zwischen Paris und Rabat etwas, das Algerien nicht akzeptieren kann.« Paris als nicht-afrikanische Macht könne aber auch gar nicht daran arbeiten, ein Gleichgewicht zwischen den beiden rivalisierenden Nachbarn zu finden, so Ferré.
Zu Frankreichs Fähigkeit, ausgewogene Beziehungen zu beiden Ländern zu unterhalten, sagte der Forscher am Ägyptischen Zentrum für Strategische Studien Tawfik Aklemandos: »Frankreichs Beziehungen zu Algerien und Marokko sind zu einem Nullsummenspiel geworden, da jede Verbesserung der Beziehungen zu einem der beiden Länder eine Verschlechterung der Beziehungen zum anderen bedeutet.«
In der Folge kam Aklemandos zu dem Schluss, Macrons jüngster Besuch in Rabat biete die Möglichkeit, ein neues Kapitel in den französisch-marokkanischen Beziehungen aufzuschlagen, er aber zugleich – wenn vielleicht auch nur vorübergehend – ein anderes wichtiges Ziel französischer Außenpolitik, nämlich die Verbesserung der Beziehungen zu Algerien, verunmöglicht.