„Es war immer klar und offensichtlich, dass es für Assad und später für seine russischen und iranischen Verbündeten nur einen denkbaren Weg zum Sieg gab: nicht die vom Westen immer wieder beschworene ‚politische Lösung‘, nicht der Deal, nicht die Einigung, sondern nur die militärische Vernichtung all der Menschen, die ein Leben ohne Assad herbeigesehnt haben.
Es war immer klar, dass Assad genau das plant, was sich in diesen Tagen vollzieht. Wir konnten auf Social Media live dabei zusehen. Niemand soll sagen, er habe nichts gewusst oder das Ausmaß der Katastrophe nicht absehen können.
‚Assad, oder wir brennen das Land nieder‘ schrieben die Truppen des Tyrannen fünf Jahre lang auf die Mauern eroberter Städte. Wenn die Geschichte uns irgendetwas lehrt, dann ist es, dass wir die Drohungen von Despoten wörtlich nehmen sollten. Uns aus Bequemlichkeit einzureden, dass es so schlimm schon nicht kommen wird, ist ein Selbstbetrug, mit dem wir Schuld auf uns laden. (…)
Ich habe versucht, einen Weg hinein zu finden nach Aleppo, um den Untergang dieser Stadt dokumentieren zu können, aber Aleppo war abgeriegelt. So blieb nur Skype. Immer endeten die Gespräche mit demselben hoffnungsvollen Satz: Wir sehen uns in Aleppo, wenn Frieden ist.‘
Dann, in den vergangenen Tagen, bekam ich auf meine Anrufe und Nachrichten an verschiedene Kontakte keine Antwort mehr. Aleppo verstummte, je mehr Menschen im Bombenhagel umkamen. Inzwischen ist es friedhofsstill, auch mein letzter Kontakt in die Stadt ist abgerissen.
Ich gehe davon aus, dass nahezu alle Menschen, die ich in Aleppo kannte, tot sind. Ich habe keine Worte, die diese Leere beschreiben könnten. Es fällt schwer, die leuchtende Friedlichkeit dieser Adventstage zu ertragen. Sie sind alle tot. Es war alles umsonst.“ (Julian Reichelt: „Der Westen hat in Aleppo total versagt“)