Wer nicht der reinen Lehre des Israelhasses Folge leistet, muss zum Schweigen gebracht werden – wenn nötig, auch mit Gewalt.
Hamas-Unterstützer haben letzte Woche einen Farbanschlag auf das Gebäude der New York Times verübt. Sie beschmierten die Fassade mit roter Farbe und schrieben: »NYT lügt, Gaza stirbt.« Der Anlass war, dass die New York Times (einem winzigen Teil ihrer Leserschaft) Informationen über ein Kind im Gazastreifen hatte zukommen lassen, die sie ihnen bis dahin vorenthalten hatte und die nach Ansicht der Hamas-Unterstützer niemand wissen soll.
Es geht um den extrem abgemagerten, achtzehn Monate alten Mohammed Zakaria al-Mutawaq in den Armen seiner Mutter Hedaya, abgelichtet von einem Fotografen der türkischen Agentur Anadolu. Da sein Bruder, wie andere Fotos zeigen, normal ernährt ist, kann dieses Bild nicht beispielhaft für den Gesundheitszustand von Kindern im Gazastreifen sein. Das Kind ist unterernährt, was aber nicht allein auf einen Nahrungsmangel zurückzuführen ist. Das aber war der Eindruck, den die New York Times und zahlreiche andere Medien vermittelten. Am 30. Juli veröffentlichte das New Yorker Blatt in der Rubrik »Anmerkungen der Redaktion und Korrekturen« folgende Richtigstellung:
»In einem Artikel vom Freitag über die Menschen im Gazastreifen, die nach fast zwei Jahren Krieg mit Israel unter Unterernährung und Hunger leiden, fehlten Informationen über Mohammed Zakaria al-Mutawaq, ein Kind, das an schwerer Unterernährung litt und dessen Foto im Artikel prominent abgebildet war. Nach der Veröffentlichung des Artikels erfuhr die Times von seinem Arzt, dass Mohammed bereits vorher gesundheitliche Probleme hatte. Hätte die Times diese Information vor der Veröffentlichung gekannt, wäre sie in den Artikel und die Bildunterschrift aufgenommen worden.«
Die Korrektur wurde auf dem PR-Account der New York Times auf X veröffentlicht, der nur 88.000 Follower hat, nicht aber auf ihrem Hauptaccount mit über 55 Millionen. Josh Kraushaar, Chefredakteur des Magazins Jewish Insider, kommentierte dies mit einem Zitat von Mark Twain: »Eine Lüge kann um die halbe Welt reisen, während die Wahrheit sich die Schuhe anzieht.«
»Viel zu spät. Diese Korrektur wird nur ein Tausendstel der Reichweite haben. Die Geschichte war ein Blutschuldvorwurf gegen Juden überall auf der Welt«, schrieb der Arzt Shaun Maguire.
Unwissen keine Erklärung
In ihrer Richtigstellung brachte die Zeitung eine weitere dreiste Behauptung unter. »Hätte die Times diese Information vor der Veröffentlichung gekannt, wäre sie in den Artikel und die Bildunterschrift aufgenommen worden.«
Wirklich? Die Redaktion tut so, als hätte sie die Leser nicht in die Irre führen wollen (das kann sie ja auch schlecht zugeben) und lediglich selbst ein Informationsdefizit gehabt. Die Wahrheit ist, dass die Redaktion bewusst entschieden hat, den anscheinend gesunden und nicht unterernährten Bruder des Jungen aus dem Bild zu schneiden, weil dessen Anwesenheit im Foto den angestrebten Effekt gestört oder zunichte gemacht hätte.
Es gibt noch einen anderen Grund, warum keine dritte Person im Bild sein darf: das Pietà-Motiv. Die Mutter mit dem leidenden Kind erinnert an Maria, die Mutter Gottes, mit dem toten Christus; ein Motiv, das wohl jeder kennt, weil es seit Jahrhunderten die bildenden Künste prägt. Hier werden die beiden klassischen antisemitischen Klischees von den Juden als Kinder- und Gottesmörder wachgerufen. »Sie tun mit dem Kind, was sie mit Jesus gemacht haben«, so die unterschwellige Botschaft.
Die New York Times kann behaupten, die Information über die angeborene genetische Krankheit des Jungen – die »gesundheitlichen Probleme«, wie sie es nennt –, nicht gekannt zu haben. Aber das kann nicht erklären, warum sie den Bruder aus dem Bild entfernt hat. »Die in den verschiedenen Nachrichtensendungen und Publikationen veröffentlichten Bilder wurden entweder absichtlich zugeschnitten, um das Bild des gesunden Bruders zu entfernen, ihn unkenntlich zu machen, oder die Journalisten verwendeten ausschließlich Fotos, auf denen der Bruder überhaupt nicht zu sehen ist«, kommentierte der unabhängige Journalist David Collier.
Er wies auch darauf hin, dass Mohammeds Mutter in einem Kurzinterview mit der BBC sowohl die angeborene Erkrankung als auch die durchgeführte Physiotherapie erwähnt hatte. Doch der BBC-Journalist hakte nicht nach und sowohl die BBC als auch alle anderen Medien beschlossen, diesen Aspekt der Situation zu ignorieren. »Das ist kein Journalismus. Hier verbreiten die britischen Staatsmedien bewusst eine irreführende Geschichte, die nur der Hamas nützt und Fake News verbreitet«, so Collier.
Terror und Einschüchterung
Der Farbanschlag auf die New York Times ergänzt diese Story um einen weiteren beunruhigenden Sachverhalt. Noch zurückhaltender und weiter entfernt vom Licht der Öffentlichkeit hätte die Redaktion die Informationen über die genetische Erkrankung des Kindes kaum präsentieren können. Und doch war das den Tätern schon zu viel. Sie wollen die totale Kontrolle über das, was die Öffentlichkeit erfährt. Farbanschläge sollen alle einschüchtern, die nicht hundertprozentig ihrer Meinung sind.
Solche Anschläge gab es zuvor schon auf die Häuser der jüdischen Direktorin des Brooklyn Museums und dreier anderer Museumsleiter, auf das Bundeskanzleramt in Berlin, das Wohnhaus des ehemaligen Berliner Kultursenators Joe Chialo (CDU), auf ein historisches Gemälde des Trinity Colleges in Cambridge, das Lord Balfour zeigt, jenen britischen Außenminister, der 1917 die Balfour-Erklärung verfasste; auf eine Basis der britischen Luftwaffe, auf einen Golfclub, der in Besitz des amerikanischen Präsidenten Donald Trump ist und auf viele weitere Ziele. Und immer wieder trifft es die britische BBC, obwohl sie in ihrer Berichterstattung extrem antiisraelisch ist und auch Hamas-Propaganda verbreitet.
Auch Linke im Visier
Auch Alexandria Ocasio-Cortez, jene antiisraelische Abgeordnete des US-Repräsentantenhauses, wurde zum Opfer, indem ihr New Yorker Büro vor zwei Wochen verwüstet und mit roter Farbe beschmiert wurde, nachdem sie und ihr Lebensgefährte in der Vergangenheit schon Opfer von antiisraelischen Stalkern geworden waren, die sie beim Verlassen eines Kinos bedrängt hatten.
Der Anlass des jüngsten Anschlags? Die Abgeordnete Marjorie Taylor Greene vom äußersten rechten Rand der Republikaner, bekannt durch ihre antisemitischen Verschwörungstheorien wie die vom »jüdischen Weltraumlaser«, hatte im Parlament einen Änderungsantrag zum Militärhaushalt eingebracht, um die Förderung des israelischen Raketenabwehrsystems Iron Dome in der Höhe von 500 Millionen Dollar zu streichen. Ocasio-Cortez stimmte zwar letztlich gegen den von den Republikanern eingebrachten Militärhaushalt in seiner Gesamtheit, aber zuvor auch gegen den Antrag von Taylor Greene. Einigen Ultralinken wäre es lieber gewesen, hätte Ocasio-Cortez Greene unterstützt. Weil sie das nicht tat, erhält sie nun Morddrohungen, berichtete ihr Wahlkampfmanager Oliver Hidalgo-Wohlleben auf X:
»Gestern Abend wurde unser Wahlkampfbüro in der Bronx verwüstet und wir sind dabei, es aufzuräumen. In den letzten Tagen haben wir außerdem mehrere Morddrohungen gegen die Kongressabgeordnete erhalten und wir nehmen dies gemeinsam mit unseren Sicherheitspartnern ernst, um ihre Sicherheit sowie die unserer Mitarbeiter und Freiwilligen zu gewährleisten.«
Der Hass auf Israel duldet keinerlei Abweichung oder Individualismus, selbst von denen nicht, die wie die New York Times, die BBC und Alexandria Ocasio-Cortez noch nie pro-israelisch waren. Zu seinen Dogmen gehört, dass Israel von Beginn an auf Verbrechen gegründet gewesen sei und die schlimmsten Verbrechen verübe, die man sich nur vorstellen könne. Jeder, der beim Sprechen dieser Glaubensbekenntnisse zögert oder nur ein Jota ändert, wird exkommuniziert und für vogelfrei erklärt.
Der irrationale Hass auf Israel überträgt sich auf jeden, der im Verdacht steht, ein Abweichler zu sein. Denn dieser Hass ist nicht nur fanatisch, sondern in jeder Hinsicht totalitär. Er duldet keinen Widerspruch, keine »Normalisierung« mit dem Feind Israel und auch keine Versöhnung mit Fakten, die dem Dogma widersprechen.
Denunzierung
Die Al-Jazeera-Journalistin Hind Khoudary denunzierte im Jahr 2020 den im Gazastreifen lebenden Friedensaktivisten Rami Aman bei der Hamas. Auf der Website Electronic Intifada beschrieb sie später, was in ihr vorgegangen war. Anlass war ein Zoom-Meeting in der Frühphase der Corona-Pandemie gewesen:
»Das Zoom-Meeting brachte Palästinenser mit Israelis zusammen. Erklärtes Ziel war es, die Ausbreitung des Coronavirus im Gazastreifen zu diskutieren. … Ich hörte Aman sagen: ›Wir Palästinenser lieben Israelis‹, ›die Mehrheit ist wie ich, sie will Frieden‹. Ich hörte ihn sagen, wie schwierig es im Gazastreifen sei, aber wie er hoffe, eine ›neue Generation‹ zu schaffen.«
Sie sei dabei »so wütend« geworden, dass sie »zu zittern« angefangen habe: »Das war schlicht und einfach Normalisierung. Für mich gibt es keine größere Sünde.« Sie wollte Rami Aman von der Bildfläche verschwinden sehen: »Ich habe drei Hamas-Funktionäre in den sozialen Medien markiert. ›Hoffentlich hört dieser Unsinn so schnell wie möglich auf‹, schrieb ich ihnen.« Aman habe »gegen die Regeln verstoßen«, nämlich gegen das »Revolutionäre Strafgesetzbuch der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) von 1979«. Der Friedensaktivist wurde verhaftet und wegen »Schwächung des revolutionären Geistes« angeklagt und inhaftiert.
Doch das reiche nicht, schrieb Khoudary: »Ein Verbot der Aktivitäten, an denen Aman beteiligt ist, könnte jedoch einen Unterschied machen. Deshalb habe ich die Beamten markiert.«
Wenn Worte allein nicht ausreichen, um alle hinter der Idee zu einen, es gebe erst dann »Frieden«, wenn Israel zerstört ist, wird zu Gewalt gegen alle gegriffen, die im Verdacht stehen, es am notwendigen Konformismus fehlen zu lassen oder Israel »normalisieren« zu wollen.
Symbolisches Blutvergießen
Warum gibt es im Westen Angriffe auf Juden und auf jene, die im Verdacht stehen, dem »palästinensischen Kampf« im Weg zu stehen, aber niemals Gewalt gegen die, die zur Vernichtung Israels aufrufen oder den jüdischen Staat täglich verleumden? – Weil auf der Seite Israels meist diejenigen stehen, die nicht unprovoziert Gewalt einsetzen, sondern alle Menschen respektieren und mit ihnen in Frieden leben wollen, mögen die von ihnen vorgebrachten Argumente auch noch so hanebüchen sein. Für Israel zu sein, geht oft Hand in Hand mit der Überzeugung, dass eine pluralistische Gesellschaft mit offener Debatte für alle das Beste ist und niemand das Recht hat, anderen seine Ansichten aufzuzwingen.
Die Israelhasser hingegen bilden einen Kult, der allein auf Zerstörung und blinder Wut basiert. Die Mittel – Boykotte und Störungen von Debatten, Sportveranstaltungen und kulturellen Aufführungen, Gewalt und Morddrohungen –, entsprechen dem Ziel. Das Ziel ist der Tod des Juden, wie Sartre schreibt, und alles, was auf diesem Weg unternommen wird, soll das Ziel symbolisch vorwegnehmen.
»Natürlich«, so Sartre, »schreien nicht alle Judenfeinde am helllichten Tag nach seinem Tod, aber die Maßnahmen, die sie vorschlagen und die alle seine Erniedrigung, Demütigung und Verbannung bezwecken, sind ein Ersatz für den Mord, den sie im Sinn haben. Es sind symbolische Morde.« (Überlegungen zur Judenfrage. Psychoanalyse des Antisemitismus.)
Die blutrote Farbe an der Fassade der New York Times und anderswo erinnert an die Blutlachen, welche die Hamas in den Häusern der Kibbuzim am Rande des Gazastreifens hinterließ und soll alle Welt daran erinnern, dass ein Tag wie der 7. Oktober 2023 jederzeit wiederkommen wird.






