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Hafen-Explosion: Irans politischer Spielraum massiv eingeschränkt

Aufräumarbeiten nach der Explosion im iranischen Hafen von Bandar Abbas
Aufräumarbeiten nach der Explosion im iranischen Hafen von Bandar Abbas (Quelle: JNS)

In den letzten Wochen gab es im Iran eine Serie ungeklärter Explosionen und Bränden, die besonders sensible militärische und wirtschaftliche Anlagen zerstörten, was Spekulationen über gezielte Sabotageakte aufkommen lässt.

Yaakov Lappin

Eine Reihe ungeklärter Brände und Explosionen in Industrieanlagen, Häfen und Einrichtungen, die mutmaßlich mit der Islamischen Revolutionsgarde in Verbindung stehen, hat in den letzten Wochen in der Islamischen Republik etliche Fragen zur inneren Sicherheit, zur Kompetenz von Behörden und zu möglichen verdeckten Operationen aufgeworfen.

Die Serie an Vorfällen, die Ende April begonnen hatte, traf besonders relevante Infrastrukturen wie den Hafen in Bandar Abbas, einige Kraftwerke und Anlagen, die unbestätigten Berichten zufolge mit dem Raketen- und Drohnenprogramm in Verbindung stehen. Da von offizieller Seite bis heute keine Informationen über die Ursachen bekannt gegeben bzw. die Geschehnisse als »Unfälle« abgetan wurden, entstanden in kürzester Zeit Spekulationen über mögliche Sabotageakte.

Am 26. April kam es im modernsten und größten Containerhafen des Landes, Shahid Rajaei, der zur Hafenanlage von Bandar Abbas an der südiranischen Küste gehört, zu einer gewaltigen Detonation, als ein Container explodierte, der Berichten zufolge Chemikalien aus China enthielt, die zur Herstellung von Festtreibstoff für Raketen bestimmt waren. Während einige internationale Analysten schnell eine Verwicklung Israels vermuteten, dementierte Jerusalem jede Beteiligung an dem Vorfall, bei dem 57 Personen getötet und über tausend verletzt wurden.

Schon am 4. April gab es Brände in einer Raketenproduktionsstätte in Teheran; in einem Industriegebiet in Natanz in der Nähe von Isfahan (einer Region, die für ihre Nuklearanlagen bekannt ist); in einer Motorradfabrik in Maschhad, die angeblich in Verbindung zum Raketenprogramm der Revolutionsgarde steht, und in der Mahmoudabad-Industriezone in Qom, einem Gebiet, in dem sich eine unterirdische Urananreicherungsanlage befindet. 

Dieses Muster setzte sich fort, als es am 3. Mai zu einem Brand im Wärmekraftwerk Montazer Ghaem in der Nähe von Karaj und zwei Tage später zu einem Feuerausbruch in einem unterirdischen Munitionsdepot der Revolutionsgarde in der Nähe von Schiras kam. Am 6. Mai brach in Teheran ein Feuer in einem Lagerhaus für Motorradteile aus, das ebenfalls mit Unternehmungen der Revolutionsgarde in Zusammenhang gebracht wird. Am 5. Mai kam es im Hafen von Bandar Abbas in der Nähe eines Öltanks zu einem weiteren Brand, der jedoch schnell gelöscht werden konnte. Zeitgleich gaben in diesem Zusammenhang Behördensprecher die Festnahmen zweier Personen bekannt. 

Erhebliche Einbußen

Die wirtschaftlichen Folgen dieser Vorfälle sind zweifelsohne erheblich. Ein hochrangiger Beamter schätzt die Schadenshöhe in Bandar Abbas auf mehr als drei Milliarden Dollar.

Saeed Ghasseminejad, Berater bei der in Washington ansässigen Foundation for Defense of Democracies, der sich auf die iranische Wirtschaft und Finanzmärkte, Sanktionen und illegale Finanzgeschäfte spezialisiert hat, erklärte gegenüber Jewish News Syndicate, der Hafen von Bandar Abbas sei mit einem Anteil von rund achtzig Prozent aller Containerverladungen das wichtigste Tor für den Seehandel. Über Bandar Abbas laufen 57 Prozent der iranischen Seehandelskapazität, allen voran Ölprodukte, von denen 52 Prozent von hier aus exportiert werden.

Ein Sabotageakt läge zwar im Rahmen des Möglichen, so der Experte, könne aber, sollte es sich tatsächlich um Sabotage handeln, von der Regierung keinesfalls eingestanden werden: »Das Regime ist ziemlich inkompetent. Erst am 6. Mai gab es einen weiteren Brand in Bandar Abbas. Aber angesichts der Tatsache, dass es sich um chinesische Chemikalien für Raketen handelte, ist Sabotage doch möglich, auch wenn wir keine Beweise dafür haben.« Ungeklärte Explosionen wie beispielsweise jene in der Fabrik in Maschhad könnten »viel eher auf Sabotage« zurückzuführen sein.

Reduzierte Raketenkapazität

Sollte der Raketentreibstoff im Hafen gelagert gewesen und durch die Explosion verbrannt worden sein und berücksichtigt man den Angriff der israelischen Luftwaffe am 19. April, bei dem Maschinen für die Herstellung von festem Raketentreibstoff zerstört wurden, ist die gesamte Raketenkapazität massiv reduziert, so Ghasseminejad, was sich auch auf die Atomgespräche mit den Vereinigten Staaten negativ auswirke und den Iran in eine geschwächte Verhandlungsposition bringt.

»Es verringert ihre Verhandlungsmacht im Allgemeinen in dem Sinn, als die Amerikaner erkennen, dass es sich um ein Regime handelt, dessen Atomprogramm, sei es durch Sabotage oder Inkompetenz, auf andere Weise bekämpft werden kann«, analysierte Ghasseminejad. 

All diese ungeklärten Vorfälle belegen, dass sich das Mullah-Regime in einer Phase höchster Verwundbarkeit befindet, denn sie beeinträchtigen die strategischen Möglichkeiten und die wirtschaftliche Stabilität des Landes erheblich.

Yaakov Lappin ist Korrespondent und Analyst für militärische Angelegenheiten in Israel, hausinterner Analyst am MirYam-Institut, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Alma-Forschungs- und Bildungszentrum und am Begin-Sadat-Zentrum für strategische Studien an der Bar-Ilan-Universität sowie Autor von Virtual Caliphate – Exposing the Islamist State on the Internet. (Der Text erschien auf Englisch zuerst beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)

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