Anlässlich des heutigen Welttags gegen die Todesstrafe wächst die Angst, dass der Iran den Krieg gegen Israel dazu nutzt, seine Politik der Einschüchterung mit einer Hinrichtungswelle zu forcieren.
Negar Jokar
Für Bürger europäischer, skandinavischer, australischer, kanadischer und anderer Länder mag das Wort »Hinrichtung« etwas Abstraktes sein, dessen volle Bedeutung nur schwer zu erfassen ist. Für die Menschen im Iran sieht die Situation jedoch anders aus. Iraner sind mit der Todesstrafe nur allzu vertraut, da Hinrichtungen aus verschiedenen Gründen – politisch, wegen Mordes oder anderer Vergehen – praktisch jeden Tag vollstreckt werden.
Während die internationalen Nachrichten über den Iran zumeist Mechanismen wie den Snapback und andere Sanktionen betreffen, hat die Zahl der Hinrichtungen im Land einen beängstigenden Aufwärtstrend genommen. Über 1.500 Bürger und Bürgerinnen wurden im vergangenen Jahr hingerichtet. Diese Zahl stellt die höchste der letzten zehn Jahre dar.
Folter und erzwungene Geständnisse
Um die Grausamkeit dieser Situation zu verdeutlichen, sei auf die Hinrichtung von sieben politischen Gefangenen – Saman Mohammadi Khiare, Ali Mojaddam, Mohammadreza Moghaddam, Moein Khanfari, Habib Deris, Adnan Ghabishavi und Salem Mousavi – an einem einzigen Tag verwiesen. Jeder dieser Gefangenen, der vor wenigen Tagen hingerichtet wurde, war jahrelang inhaftiert, von seinen Bürgerrechten ausgeschlossen und für erzwungene Geständnisse schwer gefoltert worden.
Im Iran werden politische Gefangene psychischen und physischen Folterungen unterzogen, um erzwungene Geständnisse wie das Eingestehen von Taten, an denen sie keine Beteiligung hatten, die Ermordung eines Regierungsbeamten oder der Spionage für bzw. Kollaboration mit Israel – zu erhalten. Anschließend werden diese Geständnisse als Dokumentationen in den offiziellen Nachrichtenagenturen der Islamischen Republik Iran veröffentlicht. Die Veröffentlichung erzwungener Geständnisse gilt als klares Beispiel für die Ausübung von Folter an Gefangenen. Die Richter erlassen die Todesurteile in der Regel, ohne diesen erzwungenen Geständnissen Beachtung zu schenken.
Ein Beispiel für ein äußerst umstrittenes erzwungenes Geständnis betraf Ruhollah Zam, einen politischen Gefangenen, der nach seiner Entführung und Rückführung in den Iran hingerichtet wurde. Die Dokumentation seines erzwungenen Geständnisses, die vom staatlichen Rundfunk ausgestrahlt wurde, löste starke Reaktionen aus. Jeder wusste, dass er schwer gefoltert worden war und sein erzwungenes Geständnis keine rechtliche Grundlage hatte. Der Tag, an dem das Todesurteil gegen Ruhollah Zam vollstreckt wurde, versetzte die iranische Gesellschaft in einen Schockzustand.
Nach der Hinrichtung politischer Gefangener bestatten Sicherheitsbeamte die Leichen selbst, um Menschenansammlungen zu verhindern, und informieren die Familien erst danach über den Bestattungsort. Falls der Leichnam der Familie übergeben wird, werden die Angehörigen unterwiesen, Trauerfeiern zu unterlassen. In vielen Fällen wird der Leichnam des hingerichteten politischen Gefangenen der Familie überhaupt nicht übergeben und es wird ihr nicht einmal mitgeteilt, wo die sterblichen Überreste beigesetzt wurden. Dieses Phänomen wird als »erzwungenes Verschwinden« bezeichnet.
Zusätzlich zu all dem zerstören Sicherheitsbeamte die Gräber politischer Gefangener, um die Familien psychologisch unter Druck zu setzen.
Politik der Einschüchterung
Nach dem zwölftägigen Konflikt zwischen dem Iran und Israel befürchteten viele, dass die Zahl der Hinrichtungen zunehmen würde und viele Gefangene ohne Beweise der »Spionage für Israel« beschuldigt werden könnten. Eine Angst, die leider Realität wurde und die iranische Gesellschaft in Bestürzung und Schrecken versetzte.
Viele sind der Ansicht, dass das Regime diesbezüglich in die Zeit nach der Revolution von 1979 und während des achtjährigen Iran-Irak-Kriegs zurückgekehrt ist. Damals wurden ebenfalls Tausende politischer Gefangener unterschiedlichen Alters, einschließlich Minderjähriger, aus politischen und religiösen Gründen hingerichtet. Schreckliche Jahre, die im Iran als »Massaker der 1980er Jahre« bekannt sind.
Die Islamische Republik nutzte die Gelegenheit des Iran-Irak-Kriegs, um ihre Gegner zu töten. Todesurteile wurden durch Minutengerichte gefällt; Familien erfuhren erst durch Zeitungsveröffentlichungen von der Hinrichtung ihrer Angehörigen. Angesichts dieser Praktiken glauben viele, dass die Islamische Republik während der zwölftägigen Auseinandersetzung mit Israel dieselbe Taktik angewandt hat, um ihre Gegner zu liquidieren. In dieser Zeit wurden die Todesurteile vieler politischer Gefangener vom Obersten Gerichtshof bestätigt und zahlreiche von ihnen hingerichtet.
Politische Inhaftierte fordern in Briefen aus den Gefängnissen heraus, die Hinrichtungen zu verurteilen und dieser unmenschlichen Strafe ein Ende zu setzen. Jeder Sonnenaufgang und der Ruf zum Gebet im Iran führen zur Hinrichtung von mindestens einem Menschen.
Die plötzliche Zunahme der Hinrichtungen im Iran ist kein Zufall, sondern Teil einer staatlichen Politik der Einschüchterung. Inmitten einer Wirtschaftskrise, zunehmender interner Proteste und wachsender sozialer Unzufriedenheit nutzen die Behörden die Todesstrafe als Mittel, um Angst zu verbreiten und die Kontrolle zu festigen. Obwohl die iranischen Behörden behaupten, die Todesstrafe sei ein abschreckendes Mittel gegen Kriminalität, gibt es keine verlässlichen Beweise, die diese Behauptung stützen. Internationale Menschenrechtsorganisationen betonen stets, dass die Todesstrafe keine einzigartige abschreckende Wirkung hat.
Negar Jokar ist Journalistin und Menschenrechtsaktivistin.






