Der kürzlich gerettete beduinische Israeli Farhan al-Qadi war nach Gaza entführt worden, weil er sich geweigert hatte, der Hamas jüdische Israelis auszuliefern.
Der am 7. Oktober von der Hamas als Geisel genommene und vergangene Woche von israelischen Truppen befreite Farhan al-Qadi erklärte letzten Mittwoch gegenüber Channel 12 News, entführt worden zu sein, weil er sich geweigert hatte, den Hamas-Terroristen bei ihrer Suche nach versteckten Juden behilflich zu sein.
In einem Interview mit dem israelischen TV-Sender gab al-Qadi einen Rückblick auf die letzten elf Monate, von seiner Geiselnahme bei der Arbeit im Kibbutz Magen an der Grenze zum Gazastreifen bis zu seiner Rettung.
Als am 7. Oktober 2023 die Sirenen ertönten, dachte al-Qadi, es handele sich um eine weitere Raketensalve, wie sie häufig aus dem Gazastreifen auf Israel abgefeuert wird, bis sein Bruder ihn anrief und ihm mitteilte, dass Terroristen nach Israel eingedrungen seien. »Ich ging nach draußen und sah hundert Meter von mir entfernt drei Hamas-Terroristen, die in meine Richtung schossen und auf mich zurannten«, erzählte er. »Einer von ihnen schlug mich mit seiner Waffe. Der andere hat mich mit dem Fuß getreten. Sie schlugen mich zu Boden und fesselten meine Hände. Als ein ausländischer Arbeiter vorbeikam, erschossen sie ihn direkt neben mir.«
Al-Qadi sagte, sie hätten ihn gefangen genommen und sein Islamwissen getestet, um sicherzugehen, dass er ein Muslim sei, und dann zu ihm gesagt: »Bring uns mit deinem Auto dorthin, wo wir Juden finden können.« Er sei aber »eher bereit gewesen zu sterben, als sie auch nur zu einem einzigen Juden zu führen, nicht einmal zu einer Katze. Der ganze Moschaw, das sind gute Freunde von mir.«
Daraufhin schossen ihm die Terroristen ins Bein, warfen ihn zu Boden und fesselten ihm die Hände auf dem Rücken. Dann wurde er in einem Auto nach Gaza gebracht, wo er sah, wie eine Gruppe ausländischer Arbeiter in einen Tunnel verfrachtet wurde.
Verhöhnt und eingekerkert
Er selbst hatte zu diesem Zeitpunkt so starke Schmerzen in seinem Bein, dass er nicht mehr gehen konnte, und einer der Terroristen beschloss, ihn ins Nasser-Krankenhaus in Khan Yunis zu bringen. Da er nicht gehen konnte, war al-Qadi gezwungen, auf allen Vieren die Treppen des Krankenhauses hinaufzusteigen, während seine Entführer ihn auslachten und verhöhnten: »Seht mal, da läuft unser Hund.« »Es waren viele Leute da und man konnte ihre Freude sehen; sie fühlten sich, als hätten sie gewonnen«, erinnerte sich al-Qadi.
Schließlich wurde er zu zwei Ärzten gebracht, die seine Verletzung ohne Betäubung vernähten, während er verhört wurde. »Ich sagte, der Schmerz in meiner Seele sei schlimmer sei als der in meinem Bein. Ich dachte an meine Familie und daran, dass sie Farhan nicht mehr haben würde.«
Nachdem sein Bein versorgt worden war, wurde al-Qadi mit dem 85-jährigen Aryeh Zalmanovich, einem an Kopf und Hand verletzten Verschleppten aus Nir Oz, der an Diabetes litt, in einem Krankenhauszimmer eingesperrt, in dem sie anderthalb Monate lang festgehalten wurden. Zalmanovich »erzählte mir Geschichten. Er hatte eine Enkelin, die er so sehr liebte, und zwei Söhne, die im Norden [Israels] leben, und er erzählte bei jeder Gelegenheit von ihnen«, erinnerte sich al-Qadi. Zalmanovich erzählte ihm an manchen Morgen, er habe geträumt, sie beiden wären zusammen entlassen worden.
Nach einiger Zeit, so al-Qadi, verschlechterte sich der Gesundheitszustand des alten Mannes drastisch und er sprach kaum noch. »An dem Tag, an dem er starb, begann er gegen Mittag zu sprechen. Ich stand auf und ging näher zu ihm, und er sagte Lebewohl zum Kibbuz, Lebewohl zu seinen Freunden, Lebewohl zu seiner Enkelin … Es zerriss mich. Ich habe versucht, mit ihm zu reden, ich habe ihn ›Aryeh, Aryeh‹ gerufen, aber nichts. Er hörte mich nicht. Und dann war alles vorbei.« Einige Stunden wurde er mit dem Toten alleine gelassen, dann kamen zwei Hamas-Terroristen und ein Videofilmer, die von ihm verlangten, vor laufender Kamera zu bestätigen, Zalmanovich wäre schwer krank gewesen und die Geiselnehmer alles getan hätten, um ihm zu helfen.
Eine Familie
Einige Wochen später wurde al-Qadi in ein Haus in Khan Yunis gebracht, das am nächsten Morgen durch einen Luftangriff zerstört wurde. Die Hamas wartete, bis die Zivilisten begannen, die Stadt zu evakuieren, um die Geisel unter ihnen zu verstecken, und verfrachteten ihn schließlich in einen Tunnel unter einem Haus, in dem er die nächsten acht Monate verbringen musste und zum Teil in völliger Dunkelheit gehalten wurde: »Es war stockdunkel, und ich hielt mir die Hände über die Augen, um sicherzugehen, dass ich noch sehen konnte, so dunkel war es.«
Al-Qadi verbrachte seine Zeit mit schlafen und dem Lesen des Korans. »Ich dachte mir, wenn ich als Muslim schon so behandelt werde, wie werden dann die Juden behandelt«, sagte er. Irgendwann bat er darum, mit einigen anderen Geiseln zusammen zu sein, aber das wurde ihm verweigert, weil sie ihn als Verräter und Feind ansahen, der schlimmer war als die jüdischen Israelis. »Hättest du uns gesagt, wo Juden sind, wärst du bei deiner Familie geblieben«, wurde ihm gesagt.
Ende August wurde er von IDF-Soldaten gerettet, nachdem er zwei Wochen zuvor von seinen Entführern zurückgelassen worden war, die im Zuge dessen den Tunnel mit Sprengstoff versehen hatten, um ihn an der Flucht zu hindern. Zwar hätten ihn die israelischen Soldaten herzlich willkommen geheißen, nicht aber alle in Israel, wo er kritisiert und bedroht worden sei, nachdem der rechtsgerichtete Kanal 14 ihn mit der Aussage zitiert hatte, er sehe sich mehr als Palästinenser denn als Israeli. Tatsächlich hatte al-Qadi gesagt, es sei egal, ob jemand Israeli oder Palästinenser sei; jeder verdiene es, frei zu sein.
Diese negativen Reaktionen hätten ihn sehr getroffen, erzählte der Gerettete: »Ich wurde ins Bein geschossen, weil ich keine Juden ausliefern wollte. So sind wir aufgewachsen, so ist mein Großvater aufgewachsen, und so wachsen auch meine Kinder auf. Neunzig Prozent der Bewohner Israels, Muslime, Juden, Beduinen, sind zusammen eine Familie, ein Volk, jüdisch und arabisch. Niemand kann dieses Zusammengehörigkeitsgefühl zerstören«, sagte al-Qadi, der sein Interview mit einem Aufruf zur Freilassung der Geiseln beendete. »Holen Sie sie da raus, und dann tun Sie, was Sie wollen«, richtete er sich an Premierminister Benjamin Netanjahu und fügte hinzu, dass er zwar frei sei und sich freue, wieder bei seiner Familie zu sein, sein Kopf aber immer noch in Gaza sei.