EU-Parlament: Antisemitische Tagung ja, Kritik am iranischen Regime nein

Von Stefan Frank

EU-Parlament: Antisemitische Tagung ja, Kritik am iranischen Regime neinOmar Barghouti, der Gründer der BDS-Bewegung, die anstrebt, den Staat Israel durch einen Boykott von Waren und Personen zu zerstören, wird am 28. Februar im Europäischen Parlament eine Konferenz unter dem Titel: „Die israelischen Siedlungen in Palästina und die Europäische Union“ abhalten. Eingeladen ist er von der Abgeordneten Ana Gomes von der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten (S&D).

Omar Barghouti hat selbst an der Universität Tel Aviv studiert, wirft dem jüdischen Staat aber trotzdem „Apartheid“ und „ethnische Säuberungen“ vor; eine Zweistaatenlösung und die Existenz Israels lehnt er kategorisch ab. Selbst die radikalen israelischen Linken hält er nicht für echte Linke, sondern für einen „Schwindel, eine große Lüge“, da viele von ihnen gar nicht für die Abschaffung Israels seien. „Ich bin völlig und kategorisch gegen Binationalismus, da er davon ausgeht, dass es zwei Nationen mit gleichen moralischen Ansprüchen auf das Land gäbe“, sagt er. Für ihn sind alle Araber in der geografischen Region Palästina Eingeborene, die Juden hingegen Invasoren. „Israel als einen ‚jüdischen Staat’ auf unserem Land zu akzeptieren, ist unmöglich“, so Barghouti. Er fordert, dass Palästina „dezionisiert“ werden müsse. Bei der Frage nach dem „Rückkehrrecht“ für die vermeintlichen „Flüchtlinge“ (je nach dem, wen man fragt, sind es fünf, sechs, sieben oder acht Millionen), kämpft er gegen jeglichen Kompromiss. Er ist gegen jeglichen Vorschlag, der weniger vorsieht, als die Abschaffung Israels; dort, wo heute Israel liegt, will er einen arabischen Staat.

 

Antisemitische Legenden

Zudem verbreitet Barghouti gern antisemitische Legenden; er suggeriert, „Zionisten“ hätten hinter den Anschlägen vom Elften September gesteckt: „Die zionistische Bewegung hat eine Schlüsselrolle dabei gespielt, wie verrückt diese Theorie des ‚Zusammenpralls der Kulturen’ [der Titel eines Buches des amerikanischen Politikwissenschaftlers Samuel Huntington; S.F.] zu bewerben, das auf der falschen Prämisse basiert, dass der elfte September ein Kampf zwischen Muslimen und dem Rest der Welt gewesen wäre, zwischen dem Islam und der sogenannten ‚judäo-christlichen’ Zivilisation.“

EU-Parlament: Antisemitische Tagung ja, Kritik am iranischen Regime neinEs handle sich um ein „von Neocons und Zionisten unterstütztes Konzept“. Huntingtons 1996 veröffentlichtes Buch und die Anschläge auf das World Trade Center und das Pentagon vom 11. September 2001 bilden für den verschwörungsgläubigen Barghouti eine Einheit: Er vermutet hinter der akademischen Abhandlung und den Terroranschlägen dieselben Drahtzieher: „Wer auch immer diejenigen waren, die [die Anschläge vom] elften September verübt haben, sie wussten genau, was sie taten. Es war beinahe eine self-fulfilling prophecy, schuf auf dramatische und kriminelle Weise die Infrastruktur für diese ‚clash of civilizations‘-Theorie.“

Die „Zionisten“, so muss man ihn wohl verstehen, hätten also die Anschläge verübt, um Muslime schlecht aussehen zu lassen. Das müsste dann wohl auch für den ersten, gescheiterten Anschlag auf das World Trade Center von 1993 gelten,  für die Anschläge auf die US-Botschaften in Daressalam und Nairobi im August 1998, den Anschlag auf den amerikanischen Zerstörer USS Cole im Oktober 2000 (für den Al-Qaeda die Verantwortung übernahm) – und für jeden anderen Akt des Terrors, der seither von Islamisten im Westen verübt wurde. Die „Zionisten“ müssen alle Hände voll zu tun haben, und man wundert sich, wie sie es immer schaffen, es so aussehen zu lassen, als würden all diese Taten von Islamisten begangen, zumal die meisten dieser Anschläge ja „Märtyrer“-Operationen sind.

In demselben Interview behauptet Barghouti auch, Arafat sei „getötet“ worden und die heutigen Muslime würden in Europa „noch weniger als Menschen betrachtet als einst die Juden“. Man sieht: Omar Barghouti ist eine taube Nuss ersten Ranges, der kein intelligenter Mensch auch nur eine Minute zuhören könnte. Ist das Europäische Parlament der richtige Ort für ihn? Wie man`s sieht.

 

Jüdische Gemeinden besorgt

Vertreter jüdischer Organisationen in Europa zeigten sich in einem an Parlamentspräsident gerichteten Brief besorgt: „Wir, die unterzeichnenden jüdischen Dachorganisationen und Führer der belgischen und portugiesischen jüdischen Gemeinden, ebenso wie führende Organisationen, die die europäisch-israelischen Beziehungen und Interessen vertreten, wollen unsere tiefe Sorge und Opposition gegen die Einladung von Herrn Omar Barghouti ausdrücken“, schreiben sie. Sie weisen auf den antisemitischen Gehalt der BDS-Bewegung hin, erinnern an Barghouthis völlige Ablehnung Israels und daran, dass er immer wieder Vergleiche zwischen Israel und dem Naziregime zieht und etwa von „Konzentrationslagern“ und „Israels Endlösung“ spricht. „Die Ziele der BDS-Bewegung und die wiederholten antisemitischen Äußerungen von Herrn Barghouti selbst schaden unmittelbar Europas jüdischen Gemeinden und sind nicht mit europäischen Werten vereinbar“, heißt es in dem Brief; sie stünden zudem in jähem Widerspruch zu dem „auf Dialog basierenden konstruktiven Friedensprozess zwischen Israel und den Palästinensern“, „den die EU als ehrlicher Makler unterstützt“.

EU-Parlament: Antisemitische Tagung ja, Kritik am iranischen Regime neinTomas Sandell, Gründer und Direktor der European Coalition for Israel (ECI), erinnert gegenüber Mena Watch daran, dass die Europäische Kommission und das Europäische Parlament jeden Versuch, den Staat Israel durch Boykotte, Investitionsstopps oder Sanktionen zu isolieren, „klar verurteilt“ hätten. „Eine Resolution, die das Europäische Parlament 2017 verabschiedet hat, sagt deutlich, dass es antisemitisch ist, dem jüdischen Volk das Recht auf Selbstbestimmung abzusprechen“, so Sandell. Jemand wie Omar Barghouti dürfe nicht im Europäischen Parlament reden. „Barghouti hat wiederholt gesagt, es könne ‚keinen jüdischen Staat in Palästina geben’, und er vergleicht den modernen Staat Israel mit dem Naziregime. Dies ist in einer zivilisierten westlichen Demokratie völlig inakzeptabel und kann im Herzen des politischen Europa nicht toleriert werden.“ Die ECI habe darum den Präsidenten des Europaparlaments, Antonio Tajani, gedrängt, „die Veranstaltung mit Barghouti im Europaparlament zu stoppen und klar zu sagen, dass das Europäische Parlament nicht als Bühne für Hass und Antisemitismus benutzt werden kann.“

Der schwedische Europaabgeordnete Lars Adaktusson (EVP), Mitglied des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten und des Unterausschusses Menschenrechte, sagt gegenüber Mena Watch: „Die BDS-Bewegung steht für eine neue Form des Antisemitismus. Sie tut so, als habe sie rechtschaffene Ziele und sei bloß eine Reaktion auf israelische Politik. Es gibt aber keinen Zweifel, was das Endziel der Bewegung ist: die Vernichtung des Staates Israel. Ich bedaure zutiefst, dass Abgeordnetenkollegen einer solchen Organisation eine Plattform hier im Europäischen Parlament bieten.“

 

Keine Kritik am Iran erlaubt

Daraus, dass ein Antisemit im Europäischen Parlament seine Hetze verbreiten kann, sollte man allerdings nicht den Schluss ziehen, dort herrschten keine strikten Regeln: Eine Ausstellung von Karikaturen, in denen Folter, Hinrichtungen und Unterdrückung im Iran angeprangert werden, wurde nicht genehmigt. Wie die Jüdische Allgemeine berichtet, hätten vier Abgeordnete verschiedener Parteien die Ausstellung im Europaparlament zeigen wollen. Dies habe die für die Genehmigung zuständige Abgeordnete, die britische Liberale Catherine Bearder, unter Berufung auf „interne Regeln“ abgelehnt. Laut Daniel Schwammenthal vom American Jewish Committee (AJC) sei dabei indirekt auf die „Würde des Parlaments“ verwiesen worden. „Dies ist kein Ruhmesblatt für ein westliches Parlament, insbesondere für eines, das erklärtermaßen Menschenrechte, Meinungsfreiheit und den Kampf für Demokratie zu seinen Hauptprioritäten zählt“, so Schwammenthal.

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