Warum Europa auf die Friedensschlüsse Israels mit den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain so unterkühlt reagierte.
Remko Leemhuis, Internationale Politik
Statt die Friedensverträge zwischen Israel auf der einen und den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain auf der anderen Seite enthusiastisch zu unterstützen, waren die Verlautbarungen aus Brüssel und auch aus Berlin auffallend zurückhaltend. Der Hohe Repräsentant begrüßte diese historischen Friedensschlüsse lediglich in einem kurzen Statement und erwähnte die positive Rolle, die die USA beim Erreichen dieser Ziele gespielt hatten.
Auch in Berlin wurden die Abkommen nicht überschwänglich kommentiert, weder aus dem Auswärtigen Amt noch von den meisten Fachpolitikern. Angesichts der historischen Dimension der Abkommen ist dies nicht nur enttäuschend. Es wirft auch die Frage auf, warum die Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und den arabischen Staaten, gerade angesichts der Entwicklungen im Nahen Osten seit 2011, nicht entsprechend gewürdigt werden. Maßgeblich dafür sind wohl zwei Gründe.
Der erste Grund ist zweifellos, dass die Abkommen die seit Jahrzehnten vorherrschende deutsche und europäische Sichtweise negieren, dass es erst zu einer Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts kommen muss, bevor arabische Staaten bereit sind, mit Israel zu verhandeln. Indirekt wird den Palästinensern damit nach wie vor quasi ein Vetorecht in Fragen von Krieg und Frieden im Nahen Osten eingeräumt.
Die im September geschlossenen Abkommen widerlegen diese Position. Die arabischen Staaten haben kein Interesse mehr daran, sich ihre Beziehungen zu Israel von den Palästinensern diktieren zu lassen. Der Abschluss der Abraham-Accords und die Aussicht, dass weitere Staaten der Region mit Israel Frieden schließen könnten, entkräften auch, dass der Konflikt zwischen den Palästinensern und Israel den Stellenwert hat, der ihm immer noch in Europa eingeräumt wird und der im bis heute gebrauchten Begriff des „Nahost-Konflikts“ zum Ausdruck kommt.
Angesichts der Bürgerkriege in Syrien, im Jemen und im Irak und der aggressiven iranischen Regionalpolitik, von der noch zu sprechen sein wird, sowie der Herausforderung durch dschihadistisch-islamistische Gruppen verblasst der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern für die politischen Führer der sunnitischen Staaten zusehends – anders als in Europa. Auch sie sind von der grundsätzlichen Verweigerungshaltung frustriert, die in Ramallah vorherrscht. Angesichts der innen- und außenpolitischen Herausforderungen in ihren Staaten ist die Geduld mit der Palästinensischen Autonomiebehörde und der Tatsache, dass noch jedes Friedensangebot abgelehnt worden ist, weitgehend erschöpft. (…)
Zweitens sind die Friedensschlüsse auch ein Ergebnis der europäischen Iran-Politik, die gemeinsam mit der Obama-Regierung vorangetrieben worden ist und im Abschluss des Atomabkommens JCPOA gipfelte. Mit diesem Deal waren in Brüssel, Berlin und seinerzeit auch Washington große Erwartungen verbunden, er werde den Weg öffnen, mit dem Regime in Teheran auch über andere problematische Aspekte ins Gespräch zu kommen. Diese Hoffnungen haben sich allerdings nicht erfüllt – im Gegenteil.
Seit der Unterzeichnung des Abkommens hat der Iran seine imperiale Regionalpolitik mit beispielloser Brutalität im Irak, in Syrien, im Jemen und natürlich auch im Libanon vorangetrieben. Dieses iranische Gebaren führte zu der Suche nach neuen Verbündeten seitens der sunnitischen Staaten – die gleichzeitig wahrnahmen, dieser Aggression ohne Hilfe aus Europa ausgeliefert zu sein und sich auch nicht auf den traditionellen Verbündeten in Washington verlassen zu können. So wurde Israel für die sunnitischen Staaten in der Auseinandersetzung mit dem Mullah-Regime ein natürlicher Verbündeter.
(Aus dem Artikel „Warum schweigt Europa, wenn Israel Frieden mit seinen Nachbarn schließt?”, der in Internationale Politik erschienen ist.)