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Alice Nderitu: Eine unterdrückte Stimme für die Wahrheit in der UNO

Nderitus Mandat als UNO-Sonderberaterin für die Verhütung von Völkermord wurde nicht verlängert
Nderitus Mandat als UNO-Sonderberaterin für die Verhütung von Völkermord wurde nicht verlängert (Imago Images / ZUMA Press Wire)

Nachdem Alice Nderitu sich geweigert hatte, den Kampf Israels gegen die Hamas als Völkermord zu bezeichnen, wurde ihr Mandat als UNO-Sonderberaterin nicht verlängert.

Ben Cohen

Sollte einmal die Geschichte des Kriegs im Gazastreifen geschrieben werden – ein Krieg, der durch das Hamas-Massaker im Süden Israels am 7. Oktober 2023 ausgelöst wurde – wird der Name Alice Nderitu wahrscheinlich höchstens eine Fußnote sein. Das ist eine große Schande, denn Nderitus Mut, sich der institutionalisierten Besessenheit der Vereinten Nationen von den Palästinensern entgegenzustellen, führt uns zum Kern der großen Fragen, die mit diesem Konflikt verbunden sind: seinem Zweck, der Art und Weise, wie er geführt und der Außenwelt präsentiert bzw. von ihr wahrgenommen wurde.

Die Geschichte von Alice Nderitus Leidensweg als Sonderberaterin der Vereinten Nationen für die Verhütung von Völkermord war Gegenstand eines Artikels von Johanna Berkman, der Anfang Februar vom Online-Magazin Air Mail veröffentlicht wurde. Nderitu übernahm die unbezahlte Position während der COVID-19-Pandemie im Jahr 2020. Sie hatte dieses Amt fast vier Jahre lang inne, bevor UN-Generalsekretär António Guterres im vergangenen November beschloss, ihr Mandat nicht zu verlängern, nachdem die bekannte Menschenrechtsaktivistin aus Kenia wegen ihrer Weigerung, die Kämpfe in Gaza als »Völkermord« zu bezeichnen, einer anhaltenden und oft beleidigenden Kampagne ausgesetzt war.

Damals war Guterres’ Entscheidung, sich von Nderitu zu trennen, Gegenstand eines Leitartikels im Wall Street Journal, in dem die UNO eines »neuen Tiefpunkts« in ihren permanenten Bemühungen beschuldigt wurde, Israel als schlimmsten Täter unter ihren Mitgliedstaaten, zu denen Menschenrechtsgrößen wie Russland, China und Nordkorea gehören, zu diskreditieren. Aber im Großen und Ganzen blieb der Skandal unbemerkt, obwohl doch so viele dazu neigen, sich mit im Namen der »Bevölkerung von Gaza« formulierten Appellen in den israelisch-palästinensischen Konflikt einzumischen. Dasselbe galt für den Artikel in der Air Mail, in dem Nderitu porträtiert und der ebenfalls weitgehend ignoriert wurde.

Plötzliches Interesse

Einen der Hauptgründe für das allgemeinen Desinteresse an ihrem Schicksal nannte Nderitu selbst in ihrem Interview mit Berkman. Fast drei der vier Jahre ihrer UN-Amtszeit war sie zwar unglaublich beschäftigt, blieb aber zugleich weitgehend unbemerkt. Ihre Arbeit führte sie in Flüchtlingslager in Bangladesch und im Irak, ins Landesinnere Brasiliens, um das Schicksal indigener Stämme zu beobachten, und in den Tschad, wo sie aus erster Hand die Auswirkungen des ethnischen Gemetzels sah, das weitgehend außerhalb der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit wie der Medien im benachbarten Sudan wütete. »Bei all diesen Schauplätzen scheint sich niemand dafür zu interessieren, was ich sage«, erklärte Nderitu resigniert.

Der Kernpunkt Nderitus ist nämlich, dass sie diese vergessenen Konflikte unbedingt zu einem zentralen Thema der Diskussion und des Handelns machen möchte. Als ich ihre Kommentare las, empfand ich eine deutliche Mischung aus Abscheu und Scham, wenn sie erzählte, dass sudanesische Flüchtlinge ihr sagten: »Im Moment kümmert sich niemand um unser Land. Wenn es jemals Frieden gibt und die Kameras eingeschaltet werden, werden Sie mit dem Schockierendsten des Jahrhunderts konfrontiert sein, einem Völkermord, der völlig ignoriert wurde.« Diese Beobachtung ist unbestreitbar.

Aber nach dem Massaker am 7. Oktober 2023 wollte plötzlich jeder ein Stück von Alice Nderitu. Doch diejenigen, die plötzlich interessiert an sie herantraten, baten die Kenianerin nicht, die Gräueltaten der Hamas als »Völkermord« zu bezeichnen, sondern wollten sie dazu bringen, die »Völkermord«-Bestimmung auf Israel anzuwenden, noch bevor die israelischen Streitkräfte ihre Kampagne zur Zerschlagung der Hamas-Terrorbanden im Gazastreifen überhaupt gestartet hatten.

Alice Nderitu tritt in diesem Krieg weder für die israelische Seite ein, noch ist sie, soweit bekannt, eine generelle Unterstützerin Israels. Und das ist in Ordnung, denn als Vollprofi weiß sie, dass ihre persönlichen Neigungen für ihre Arbeit als Expertin für die Verhinderung von Völkermord nicht relevant sind und auch nicht sein dürfen. Wie die Kenianerin sagt, kann die Feststellung eines Völkermords nur von einem Gericht getroffen werden, und kein Gericht hat dies – trotz der Bemühungen Südafrikas, Irlands, des Anklägers des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag Karim Khan und verschiedener anderer – bisher getan.

Aber in den Augen derer, für die der Gazastreifen alles andere auf der Welt in den Schatten stellt, war Nderitus Entschlossenheit, sich an das korrekte Verfahren zu halten, ein unmissverständliches Zeichen für eine geheime Absprache mit der verhassten »zionistischen Entität«. »Dreckige zionistische Ratte, du wirst für immer in der Hölle schmoren«, lautete denn auch eine der heftigeren Mails, die sie in ihrem Posteingang fand. Andere Kritiker sagten im Wesentlichen dasselbe, wenn auch mit höflicheren Worten.

Absurde Fixierung

Wie Nderitu betont, sind der Drang und die Eile, Israel zu kritisieren, exakt die Kehrseite des Fehlens einer lautstark geäußerten, anhaltenden Fürsprache für die Bevölkerung in Konfliktgebieten von Kurdistan bis zur Demokratischen Republik Kongo.

Deshalb haben der UN-Menschenrechtsrat und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) auch jeweils einen eigenen Tagesordnungspunkt, um Israel zu verurteilen, was es für kein anderes Land der Welt gibt. Deshalb gibt es in Form der UNRWA eine eigene Agentur für die Nachkommen palästinensischer Flüchtlinge, was es für sonst keine weitere Flüchtlingsgruppe weltweit gibt. Und deshalb gibt es im UN-Hauptquartier in New York City eine Abteilung für die Rechte der Palästinenser, aber keine für die Rechte einer anderen bedrängten Volksgruppe.

Diese Institutionen sind der konkrete Ausdruck einer Strategie, die darauf beruht, den Status der Palästinenser als Opfer aufrechtzuerhalten, indem sie – im deutlichen Gegensatz zur Integration Hunderttausender misrachischer Juden in Israel, die aus der islamischen Welt ethnisch gesäubert worden waren – nicht in die arabischen Länder integriert werden, in denen die meisten von ihnen leben, und indem die absurde und moralisch verwerfliche Vorstellung am Leben erhalten wird, dass sie eines Tages »nach Hause zurückkehren« und ihre »Kolonisatoren« vertreiben werden.

Deshalb sollte der Vorschlag von US-Präsident Donald Trump, der Masse der Bewohner des Gazastreifens eine freiwillige, unterstützte Umsiedlung in andere Länder anzubieten, während die Küstenenklave wieder aufgebaut wird, trotz vieler potenzieller Mängel auf praktischer Ebene als ein weiterer Versuch gesehen werden, mit dem bislang vorherrschenden Muster zu brechen. Denn solange die Palästinenserfrage als eine rein israelische Schöpfung verstanden wird – eine, für die Israel allein büßen und den Preis zahlen muss und eine, der die Welt auf Kosten von allem und jedem anderen Vorrang einräumen muss –, wird es nie Frieden geben. Bestenfalls werden wir Tief- und Höhepunkte eines größtenteils beherrschbaren Konflikts erleben, wie es im letzten Jahrhundert der Fall war.

Vor vielen Jahren las ich ein Interview mit dem Führer der kurdischen PKK, Abdullah Öcalan, der nach wie vor in der Türkei inhaftiert ist. Darin äußerte er die Hoffnung auf eine Lösung der Palästinenserfrage, da dies anderen Themen wie die Selbstbestimmung der Kurden, die viel weniger Aufmerksamkeit erhalten, ermöglichen würde, ins Rampenlicht zu rücken. Weder die Kurden noch sonst jemand sollte gezwungen sein, länger in der Warteschlange zu stehen.

Wenn Trumps unausgegorener und problematischer Vorschlag dazu führt, dass der Konflikt zwischen Palästinensern und Israelis anders konzeptualisiert und dargestellt und gleichzeitig erkannt wird, dass der Weltfrieden nicht vom sogenannten Nahostkonflikt abhängt, dann hat es sich aller Kritik zum Trotz gelohnt.

Ben Cohen ist leitender Analyst bei der Foundation for the Defense of Democracies (FDD). Der in London geborene Journalist war über ein Jahrzehnt lang leitender Korrespondent bei The Algemeiner und ist wöchentlicher Kolumnist von Jewish News Syndicate. (Der Text erschien auf Englisch zuerst beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)

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