„Die Europäische Union versucht sich der Welt als eine einheitliche Front zu präsentieren, aber eine Vielzahl von Themenkomplexen spaltet den Kontinent zunehmend. Die jüngste Frage, an der sich die Geister scheiden, dreht sich darum, ob beim Wiederaufbau von Syrien geholfen werden soll – oder vielmehr, ob dem syrischen Präsidenten Bashar al-Assad dabei geholfen werden soll. Obwohl die Länder formal geschlossen hinter den Sanktionen gegen das Assad-Regime stehen, beginnen einzelne Länder zu hinterfragen, ob die derzeitige maximalistische Position beibehalten werden sollte.
Während Frankreich, Deutschland und das Vereinigte Königreich ihre strenge Anti-Assad-Haltung aufrechterhalten wollen, wollen andere süd- und osteuropäische Ländern, insbesondere jene mit populistischen Regierungen, diese Haltung abschwächen. Diplomaten aus ganz Europa sagten gegenüber Foreign Policy, dass die letztgenannte Ländergruppe die Beziehungen zu Syrien in erster Linie über die Flüchtlingskrise definiere und glaube, dass sie durch die Anerkennung von Assads Kriegsgewinn und durch die Hilfe beim Wiederaufbau seines Landes, die Rückkehr der syrischen Flüchtlinge beschleunigen könne. (…)
Die derzeitige EU-Politik wird durch die im Dezember 2015 verabschiedete US-amerikanische Resolution 2254 geregelt, in der ein ‚politischer Übergang‘ in Syrien gefordert wird. Der Wortlaut ist absichtlich mehrdeutig gehalten, da so die westlichen Länder, die Assad ablehnen, seinen Rücktritt fordern können, während Russland, China und andere sagen, dass es sich bei der Forderung lediglich um vereinbarte politische Reformen handelt. Nun da klar ist, dass Assad seine Machtstellung nicht aufgeben wird, führt die Mehrdeutigkeit der Resolution zu Unstimmigkeiten innerhalb der EU. (…)
Barnes-Dacey [der Direktor des Programms für den Nahen Osten und Nordafrika des Europäischen Rates für auswärtige Beziehungen] sagte, die Frage, die sich Europa jetzt stellt, laute, ob man sich auf eine realistischere Position einigen kann, die die Unwahrscheinlichkeit eines Übergangs in Syrien anerkennt. Andernfalls könnte eine allmähliche Implosion der europäischen Position unvermeidlich sein. Es ist unwahrscheinlich, dass die Risse, die sich durch die EU-Länder ziehen, am 12. März öffentlich gezeigt werden, wenn die EU-Mitgliedstaaten die dritte jährliche Konferenz zur Unterstützung der Zukunft Syriens und der Region in Brüssel abhalten. Aber es ist jetzt bereits klar, dass die leisen Forderungen in ganz Europa, die eine Änderung der Syrien-Politik fordern, im Laufe dieses Jahres lauter werden dürften.“ (Anchal Vohra: „Europe Doesn’t Even Agree on Assad Anymore“)