Warum Peter Beinart mit seinen Ausführungen zur palästinensischen Flüchtlingsproblematik nah an der Wahrheit ist und dennoch völlig daneben liegt.
Adi Schwartz / Einat Wilf, Fathom Journal
Peter Beinart ist nah dran. Er nähert sich langsam dem Verständnis des Kerns des Konflikts zwischen Israel und den Palästinensern. Er begreift endlich, dass es dabei nicht um all die Dinge geht, die uns jahrzehntelang erzählt wurden. Es geht nicht um die militärische Besetzung von Gebieten, die als Ergebnis des Krieges von 1967 unter israelische Kontrolle kamen. Es geht nicht um die Siedlungen, die in diesen Gebieten gebaut wurden. Es geht nicht einmal um die israelische Kontrolle über Ost-Jerusalem.
Während die palästinensischen Araber natürlich wollen, dass all diese Dinge aufhören, versteht Beinart, dass ein Ende dieser Dinge nicht das Ende des Konflikts bedeuten würde. Nachdem er – wie er beschreibt – unser Buch „The War of Return“ gelesen hat, hat er vielleicht endlich verstanden, dass die Palästinenser immer etwas mehr wollten. Er hat verstanden, dass die palästinensische Forderung, sich im Namen des „Rechts auf Rückkehr“ innerhalb des souveränen Territoriums des Staates Israel niederzulassen für die Palästinenser weitaus wichtiger ist als jene Fragen, die mit der „Besatzung“, den „Siedlungen“ und sogar Jerusalem zu tun haben.
Beinart schlägt daher vor, dass Israel die Forderung akzeptieren soll, Millionen von Palästinensern innerhalb Israels anzusiedeln, und argumentiert, dass dies sowohl machbar als auch wünschenswert sei und – vor allem – eine tiefgreifende Verwirklichung jüdischer Werte darstelle. Dadurch, so glaubt er, würden jahrzehntealte Missstände behoben, was wiederum Frieden und Wohlstand ermögliche.
Aber Beinarts Vorschlag geht völlig an dem vorbei, was mit dem „Recht auf Rückkehr“ erreicht werden soll. Wie wir in unserem Buch ausführlich erörtern, wurde diese (nach internationalem Recht nie als Recht anerkannte) Idee eines „Rechts“ aller Palästinenser, sich unter Verletzung der israelischen Souveränität massenhaft in Israel niederzulassen, von den Arabern nach ihrer Niederlage im Krieg von 1948 entwickelt – und zwar vorsätzlich als Mittel, diesen Krieg mit anderen Mitteln fortzusetzen.
Die Forderung nach „Rückkehr“ war nie dazu gedacht, Frieden zu erzielen, sondern um das gleiche Ziel zu erreichen, das den Arabern im Krieg von 1948 misslang: die Verhinderung jüdischer Selbstbestimmung. Die Ansiedlung der ursprünglichen Flüchtlinge und ihrer Millionen von Nachkommen in Israel war und ist, anders als Beinart zu glauben scheint, keine humanitäre Geste. Es ist eine politische Aktion, die darauf abzielt, die arabische und muslimische Vorherrschaft in einem Land wiederherzustellen, das die Palästinenser als ausschließlich ihres betrachten.
Deswegen war das „Recht auf Rückkehr“ nie eine unschuldige Idee, die losgelöst von der breiteren arabischen Ablehnung jüdischer Selbstbestimmung zu denken wäre. Es ging nie nur darum, dass Araber in das gesamte Land zurückkehren – sondern darum, den Arabern das gesamte Land zurückzugeben. Das ist der Grund, warum die palästinensische Führung sich dem Wunsch vieler Flüchtlinge widersetzte, die im Laufe des Krieges oder unmittelbar danach in ihre Heimat zurückkehren wollten. Ihr Argument war, dass dies einer Anerkennung der Existenz Israels gleichkäme.
Es war klar, dass die Frage der Rückkehr der Flüchtlinge der größeren Frage untergeordnet war, Israel die Legitimität abzusprechen. (…) Diese Feststellung trifft den Kern der Sache: Statt ein rechtliches oder humanitäres Problem, ist das Flüchtlingsproblem damals wie heute in erster Linie ein politisches Problem, das den arabischen Wunsch widerspiegelt, das gesamte Land zu beherrschen und den Juden die Souveränität in auch nur irgendeinem Teil davon abzusprechen.
Kurz nach dem Krieg von 1948, als dessen Folgen immer offensichtlicher und Israels Etablierung immer schwerer zu ignorieren wurden, änderte die palästinensische Führung ihre Position dann radikal. Sie erkannte, dass die Forderung nach Rückkehr der Flüchtlinge den neuen Status quo tatsächlich verändern und die Existenz des Staates Israel untergraben könnte. (…)
Das Ziel der „Rückkehr“ war und ist nicht, eine moralische oder humanitäre Ungerechtigkeit zu korrigieren, wie Beinart glaubt, sondern die jüdische Unabhängigkeit rückgängig zu machen. Denn in palästinensischen und arabischen Augen ist die größte Ungerechtigkeit von allen, dass Juden souverän die Herren ihres eigenen Geschicks in einem Gebiet sind, von dem die Araber glauben, dass es ausschließlich ihnen gehöre.
Im Januar 2001 wiederholte die offizielle Zeitschrift der Fatah diese Idee mit dem Argument, dass die Massenrückkehr von Flüchtlingen „den Juden helfen würde, den rassistischen Zionismus loszuwerden, der ihre permanente Isolation vom Rest der Welt erzwingen will.“
Bei der Ausübung des „Rückkehrrechts“ geht es also eindeutig nicht um humanitäre Fragen, sondern dieses Recht soll dem politischen Zweck dienen, den Charakter Israels zu verändern, seinen Charakter als Nationalstaat des jüdischen Volkes abzuschaffen und es in einen weiteren arabisch dominierten Staat zu verwandeln. Dabei präsentieren sich die Palästinenser wie freundliche Ärzte, die einem Patienten die Euthanasie anbieten, der noch sehr gerne weiterleben möchte. (…)
Es gibt keinen Ausweg aus der einfachen Tatsache, dass der Konflikt fortbesteht, weil die Ziele beider Seiten miteinander unvereinbar sind. Die Juden wollen zumindest in einem Teil des Landes einen souveränen Staat haben, und die palästinensischen Araber wollen, dass die Juden in keinem Teil des Landes einen souveränen Staat haben. (…)
Beinarts Antwort auf diese Frage scheint klar: Die Juden sind diejenigen, die ihren Staat aufgeben sollen. Das ist das Langzeitprojekt, dem Beinart verpflichtet ist, und dazu versucht er, die Juden davon zu überzeugen, dass der Verzicht auf ihren Staat, ihre Souveränität und ihre Selbstverteidigung die wahre Verwirklichung jüdischer Werte sei.
Beinarts Projekt ist ein Echo eines alten dunklen Wunsches, dem historischen Gewicht des Jüdischseins zu entkommen, indem man völlig verschwindet, indem man aufhört, jüdisch zu sein – oder zumindest nicht mehr so sichtbar und offensichtlich jüdisch zu sein, wie Israel und der Zionismus es nun einmal sind. Das würde wenigstens die jüdische Moral als die eines machtlosen Volkes ohne Wahlmöglichkeiten bewahren: eine Variante der bekannten Ansicht, dass die Juden das letzte Mal wirklich moralisch gewesen seien, als sie darauf warteten, die Duschräume in Auschwitz zu betreten.
In seinem Versuch, die Auflösung jüdischer Souveränität als jüdischen Wert darzustellen, postuliert Beinart eine Äquivalenz zwischen jüdischer und palästinensischer „Rückkehr“. Aber die jeweiligen Vorstellungen von „Rückkehr“ sind lediglich die Reflexionen ihrer sich gegenseitig ausschließenden Ziele: der jüdischen Selbstbestimmung auf der einen und deren Ablehnung auf der anderen Seite. (…)
Man kann die Augen nicht vor der einfachen Erkenntnis verschließen, dass der Konflikt zwischen Juden und Arabern nur zu zwei gegensätzlichen Resultaten führen kann, unter denen er als beendet und vollständig gelöst betrachtet werden könnte: Entweder der Antizionismus führt dazu, dass die Juden ihre Souveränität und nationale Selbstbestimmung verlieren, wie Beinart es vorzuschlagen scheint. Oder der Zionismus wird von der arabischen Welt akzeptiert und die Existenz jüdischer Selbstbestimmung damit anerkannt.
Solange nicht eines dieser beiden Ergebnisse eingetreten ist, wird der Konflikt weitergehen, wobei die Gewalt einmal verebbt, dann wieder aufflammt und dabei ihre Formen und Methoden verändert.
Das Land zwischen dem Jordan und dem Mittelmeer kann geteilt werden, ebenso wie das Wasser, die Luft und alle anderen natürlichen Ressourcen. Es könnten Sicherheitsvereinbarungen getroffen werden. Siedlungen könnten aufgelöst werden und wurden dies auch schon. Aber das, was niemals in Einklang gebracht werden kann, sind Zionismus und Antizionismus.
Eine Lösung des Konflikts in dem Sinne, dass er voll und ganz beendet ist, bedeutet, dass entweder der Zionismus oder der Antizionismus den Sieg davonträgt. Beides zusammen geht nicht: Es gibt keinen „Mittelweg“ zwischen Zionismus und Antizionismus. Der Mittelweg ist der Konflikt, den wir in den letzten 150 Jahren hatten.
Friedensstifter müssen wählen, welchen Weg zum Frieden sie favorisieren, um den Konflikt zu lösen. Es gibt diejenigen, die den Konflikt beenden wollen, indem sie den Zionismus beenden, wie Beinart es tut, und deswegen befürworten sie eine Vielzahl von Mitteln, um die Juden ihrer Souveränität zu berauben. Ob sie nun „einen Staat“ oder „zwei Staaten samt ‚Rückkehr‘” fordern – das alles sind Formeln, die leider immer noch bedeuten, dass Juden nirgendwo und innerhalb keiner Grenzen Selbstbestimmung und Hoheitsgewalt haben dürfen.
Wir sind jedoch der festen Überzeugung, dass es noch keine brauchbare Alternative zur jüdischen Selbstbestimmung als Mittel zur Garantie der Sicherheit, der Würde und des Gedeihens des jüdischen Volkes gibt. Deswegen weigern wir uns, uns durch leere Versprechungen beschwichtigen zu lassen, dass es den Juden als Minderheit gut gehen würde, auch wenn es kein Israel mehr gibt. Und wir fragen uns, wo jene Leute wohl sein werden, die unsere Sorge über das Schicksal der Juden ohne staatliche Hoheitsgewalt beiseite wischen, wenn diese Sorge sich einmal als richtig erwiesen haben wird.
Unser Weg zum Frieden ist also jener der arabischen Akzeptanz des Zionismus. Die arabische Akzeptanz des Zionismus ist ein erreichbares Ziel, und die Abraham-Abkommen zeigen, wie eine solche Zukunft aussehen könnte.
Dennoch ist es unwahrscheinlich, dass dies die vorherrschende Position in der gesamten arabischen Welt wird, bevor die meisten Araber und Palästinenser alle Mittel ausgeschöpft haben, um die Region von der jüdischen Souveränität zu befreien – von Kriegen über Terrorismus bis hin zu internationaler Verurteilung – und diese als nicht zielführend erkannt haben. Was sie nicht werden, solange der Westen sich gegenüber der palästinensischen Idee der „Rückkehr“ nachsichtig zeigt.
Der Westen hatte einmal eine grundlegende Wahrheit verstanden: Damit es Frieden gibt, muss der Krieg enden. Wenn die Palästinenser sich endlich mit der Tatsache abfinden, dass ihr langer Krieg gegen die jüdische Souveränität vorbei ist, und dass sie sich eine Zukunft neben, aber nicht anstelle von Israel aufbauen können, dann wird es Frieden geben.
Aus dem Artikel „Peter Beinart and Palestinian Refugee ‘Return’: A Critique“, der bei Fathom erschienen ist. Übersetzung von Alexander Gruber.