Der ehemalige deutsche Botschafter in der Türkei glaubt, dass die Tage des autokratischen Präsidenten Erdogan gezählt sind.
Susanne Güsten, Der Tagesspiegel
Ich habe in den fünf Jahren große Sympathien für die Türkei, für die Menschen dieses Landes entwickelt. Aber seit einem Jahr fällt mir auf, dass das Land zunehmend von dem autokratischen Arm des Präsidenten und Parteiführers der AKP, Recep Tayyip Erdogan, niedergedrückt und seiner Zukunft beraubt wird; dass es in vielen Bereichen immer weniger Freiheiten gibt, eigentlich kaum noch Freiheiten; und dass wir es mit einer konstitutionellen Autokratie zu tun haben. (…)
Die EU hangelt sich seit einem Jahr von Gipfel zu Gipfel durch, was eine klare Bewertung von Demokratie, Menschenrechten und Wertebasis in der Türkei angeht. Und sie tut dies, indem sie Entscheidungen und klare Worte mit einer Nebelwand von „Licht und Schatten“ auf den jeweils nächsten Gipfel vertagt. (…)
Ich glaube, dass man unterschätzt, dass die Erosion dieses Systems doch sehr schnell und über Nacht geschehen kann. Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass der Machterhalt mit allen Mitteln langsam ausgereizt ist und dass die Unterstützung in der Bevölkerung und beim Wähler zunehmend schwindet.
(Aus dem Interview „‚Erdogan beraubt das Land seiner Zukunft‘“, das vom Tagesspiegel veröffentlicht wurde.)