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Erleben die Abraham-Abkommen mit Trumps Rückkehr ein Comeback?

Entscheidet sich saudischer Kronprinz Mohammed bin Salman für einen Beitritt zu den Abraham-Abkommen?
Entscheidet sich saudischer Kronprinz Mohammed bin Salman für einen Beitritt zu den Abraham-Abkommen? (© Imago Images / ABACAPRESS)

Mit dem Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023 wurden zwei Friedensabkommen gekippt, die fast unterschriftsreif waren.

Nadav Shragai

Als Premierminister Benjamin Netanjahu vor zwei Monaten vor den Vereinten Nationen seine »Segen und Fluch«-Rede hielt, wobei er die iranische »Achse des Widerstands« als Fluch und die Abraham-Abkommen als weiter auszubauenden Segen bezeichnete, hatte er hauptsächlich zwei Länder im Sinn, die ihre Beziehungen zum jüdischen Staat normalisieren könnten: Saudi-Arabien und Indonesien.

Solche Abkommen hätten in der Vergangenheit zwei strategisch bahnbrechende Schritte sein können, die den Plänen des Irans, Israel mit einem »Feuerring« von Terror-Stellvertretern zu umgeben und einen gesamt-islamischen Krieg gegen Israel zu führen, einen schweren Schlag versetzt hätten. Aber der Krieg der Hamas hat beide vorübergehend gestoppt. Jetzt allerdings legen der designierte US-Präsident Donald Trump und sein Team diese fortgeschrittenen Entwürfe wieder auf den Tisch, schütteln den Staub ab und versuchen aktiv, sie voranzutreiben.

An erster Stelle steht Saudi-Arabien, der Hüter der heiligen Stätten des Islams und weltweit größter Ölexporteur. Die Angst Riads vor dem Iran hat das Königreich im vergangenen Jahr dazu veranlasst, zwei scheinbar widersprüchliche Beziehungen zu pflegen: eine zu den USA und dem Westen mit einem Augenzwinkern in Richtung Israel, und eine weitere zu Russland und dem Iran, neben Gesten gegenüber den Palästinensern.

In den letzten Monaten der Amtszeit von Eli Cohen als israelischer Außenminister wurde Ende 2023 auch ein Friedensabkommen mit Indonesien ausgearbeitet, das bereits Handels- und Tourismusbeziehungen zu Israel unterhält.

Zwei Optionen für Saudis

Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman ist zwischen zwei Hauptoptionen hin- und hergerissen: Entweder wartet er darauf, dass Trump die Gespräche über ein umfassendes Verteidigungsbündnis mit den USA wieder aufnimmt, wobei ein Teil der saudischen Verpflichtungen in einer Normalisierung der Beziehungen zu Israel bestehen würde. Oder er unterzeichnet noch vor dem Ausscheiden von Joe Biden aus dem amerikanischen Präsidentenamt ein begrenzteres militärisches Verteidigungsabkommen mit den USA, ohne dass eine Normalisierung der Beziehungen zu Israel erforderlich wäre.

Der große Deal würde über ein umfassendes Verteidigungsbündnis sicherstellen, dass die USA im Fall iranischer Drohungen oder Angriffe die volle Verteidigung Saudi-Arabiens übernehmen würden. Das Szenario, das Saudi-Arabien am meisten fürchtet, ist ein massiver iranischer Angriff, der als Vergeltung für israelische Angriffe gegen die saudischen Ölanlagen gerichtet sein könnte, wie der Iran in der Vergangenheit drohte.

Im Rahmen eines solchen Abkommens würden die USA Saudi-Arabien einen Kernreaktor für friedliche Zwecke (theoretisch könnte er später zur Anreicherung von Uran für militärische Zwecke genutzt werden), moderne F-35-Jets und fortschrittliche Luftverteidigungssysteme zur Verfügung stellen. Im Gegenzug würde Saudi-Arabien ein Normalisierungsabkommen mit Israel unterzeichnen, das die wirtschaftlichen Beziehungen legalisiert und ausbaut und die Zusammenarbeit im Militär- und Geheimdienstbereich verbessert, die ausländischen Berichten zufolge bereits besteht.

Das kleinere Abkommen würde Saudi-Arabien von der Notwendigkeit befreien, die Beziehungen zu Israel zu normalisieren, da Jerusalem nicht bereit ist, der saudischen Forderung nach praktischen Schritten zur Gründung eines palästinensischen Staates mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt nachzukommen. Es würde die Zusammenarbeit mit den USA auf gemeinsame regionale Militärübungen beschränken, die über das derzeitige Maß hinausgehen, und Saudi-Arabien in Bereichen wie Cybersicherheit, künstliche Intelligenz und Drohnenabwehr unterstützen.

Im Zwiespalt

Für jedes dieser beiden Abkommen gilt ein anderes amerikanisches Genehmigungsverfahren. Das kleinere Abkommen würde wahrscheinlich keine Zustimmung des Kongresses erfordern, und Biden könnte es wie das im September 2023 angekündigte Sicherheitsabkommen mit Bahrain im Rahmen seiner Exekutivbefugnisse oder durch die Erklärung Saudi-Arabiens zum wichtigen Nicht-NATO-Verbündeten umsetzen. Versucht Biden, solch ein kleineres Abkommen durch den Kongress zu bringen, wird er aufgrund der darin fehlenden Normalisierung mit Israel auf Schwierigkeiten stoßen. Ein umfassenderes Abkommen würde jedoch in jedem Fall die Zustimmung des Kongresses erfordern.

Aus saudi-arabischer Sicht ist das kleinere Abkommen nicht optimal, da es im Fall eines Angriffs auf das Golfkönigreich keinen vollständigen Schutz durch die USA garantiert. Ein umfassendes, formelles und vom Kongress gebilligtes Verteidigungsabkommen würde theoretisch auch den nächsten Präsidenten, Donald Trump, binden. Daher neigt Saudi-Arabien derzeit dazu, auf ihn zu warten anstatt einen Schritt zu unternehmen, der ihn im Vorfeld vor den Kopf stoßen könnte.

Andererseits erinnern sich die Saudis an ihre Frustration über Trump, der nichts unternahm, als die Huthi-Rebellen 2019 die Luftverteidigungssysteme Saudi-Arabiens überwanden. Damals richteten die Huthi mit Dutzenden iranischen Drohnen und Raketen, die sie vom Jemen aus abfeuerten, erheblichen Schaden an den Ölanlagen von Aramco in Abqaiq an. Aktuell befürchtet Saudi-Arabien einen ähnlichen Vergeltungsschlag, nachdem Israel im vergangenen September den Hafen von Hodeidah im Jemen angegriffen und beschädigt hatte. Ausländischen Berichten zufolge, die Saudi-Arabien allerdings dementierte, flogen israelische Jets während dieses Angriffs durch den saudischen Luftraum.

Marinemanöver mit dem Iran

Die jüngsten Hinweise auf den Zeitpunkt und die Richtung, für die sich Saudi-Arabien entscheiden wird, erfolgten während einer Investitionskonferenz in Riad, an der der saudische Außenminister Faisal bin Farhan Al Saud teilnahm. Dort machte Faisal deutlich, dass sein Land Israel nicht ohne die Gründung eines palästinensischen Staates anerkennen werde. In dieser Frage sei Saudi-Arabien geduldig: Es werde mit den USA in Bereichen wie Handel und künstliche Intelligenz zusammenarbeiten, »Bereiche, die nicht mit Dritten in Verbindung stehen« und schnelle Fortschritte sehen könnten, während die Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich komplizierter sei.

In der Zwischenzeit, zumindest bis Donald Trump Anfang Januar sein Amt antritt, trifft Saudi-Arabien Vorsichtsmaßnahmen gegen den Iran, wenn auch nicht auf eine Weise, die Israel oder die USA gutheißen würden, denn Riad nähert sich dazu sowohl dem Iran als auch Russland an. Dabei handelt es sich nicht um eine ideologische Hinwendung zum Schiismus oder zu den Geistlichen in Teheran, sondern um eine interessengeleitete. Die Saudis glauben, dass dies derzeit der sicherere Weg ist, um einen Angriff des Irans oder seiner Stellvertreter zu verhindern; sicherer als das, was sie von der scheidenden Biden-Regierung erwarten könnten, der sie nur wenig vertrauten.

Im Geiste dieser Annäherung an den Iran sagte Kronprinz Mohammed bin Salman, der noch vor etwas mehr als einem Jahr erklärt hatte, dass »die Normalisierung mit Israel keine Frage des ›ob‹, sondern des ›wann‹ ist«, jetzt: »Israel begeht in Gaza einen Völkermord.« Er wies seine UN-Delegation sogar an, für die Gewährung der Vollmitgliedschaft für die Palästinenser zu stimmen.

Im Rahmen des Sicherheitsnetzwerks, das Saudi-Arabien mit wie gegen den Iran aufgebaut hat, haben sich die Außenminister beider Länder bereits getroffen; die Generalstabschefs des saudischen und des iranischen Militärs haben Gespräche geführt und die Länder haben an einer gemeinsamen Marineübung teilgenommen.

Ein der Trump-Regierung nahestehender US-Beamter glaubt, dass es sich hierbei um eine vorübergehende, taktische Zusammenarbeit handelt, die sicherlich nicht fundamental ist: »Wenn sich die Umstände ändern, und das wird bald geschehen, wird Saudi-Arabien seine Entscheidung erneut treffen. Der [Waffenstillstands-]Deal im Libanon und der [Geisel-]Deal, den Trump vor seinem Einzug ins Weiße Haus mit Israel sichern will, auch [mit der Hamas] im Süden, werden ein wichtiger Katalysator für einen solchen Wandel sein.«

Danach Indonesien?

Nach Saudi-Arabien ist Indonesien an der Reihe, das mit rund 220 Millionen Muslimen bevölkerungsreichste islamische Land der Welt. Jakarta hatte ebenfalls ein Abkommen mit Israel vorbereitet, das nach dem 7. Oktober 2023 scheiterte.

Es sollte bis Ende 2023 unterzeichnet werden und beinhaltete die Normalisierung und öffentliche Anerkennung bereits bestehender Handels-, Wirtschafts- und anderer Beziehungen sowie die zunächst auf konsularischer Ebene geplante Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Israel und Indonesien. Im Gegenzug erklärte sich Israel bereit, seinen Widerstand gegen den Beitritt Indonesiens zur OECD aufzugeben, einem Club von Industrienationen, der als wirtschaftliches Gegenstück zur NATO gegründet worden war.

Der Text erschien auf Englisch zuerst beim Jewish News Syndicate. (Übersetzung von Alexander Gruber.)

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