„Faktisch regiert Erdogan die Türkei ohnehin als Alleinherrscher. Bald könnte er jedoch auch offiziell alle Vollmachten bekommen, die er heute schon in Anspruch nimmt. Am Donnerstag erklärten die regierende AKP-Partei und die ultranationalistische MHP, dass sie sich auf eine Verfassungsänderung geeinigt haben, die das politische System auf den Präsidenten zuschneidet. (…)
Doch so sehr AKP-Politiker auf die Kritik, Erdogan arbeite an einer Diktatur, mit dem Verweis auf die USA antworten – mit den USA ist das Präsidialsystem, das sich nun abzeichnet, nicht vergleichbar. Die Türkei ist ein Zentralstaat; es gibt kein föderatives System, in dem die Bundesstaaten ein Gegengewicht zum Präsidenten bilden würden.
Falls sich die AKP damit durchsetzt, dass der künftige Präsident zugleich Parteichef sein darf, und eingedenk dessen, dass in der Türkei die Parteichefs allein die Kandidatenlisten bestimmen dürfen, würde dieses System nicht die Bedeutung des Parlaments gegenüber der Exekutive stärken, ganz im Gegenteil. (…)
(D)ie Wirtschaftskrise könnte (…) den Wunsch nach einer autoritären Lösung stärken. Schon erklären AKP-nahe Kommentatoren den Sinkflug der Lira als eine Intrige ausländischer Mächte, als Fortsetzung des Putsches mit anderen Mitteln. Mit einer verschwörungstheoretischen Rhetorik könnte Erdogan dieses Referendum nach bewährter Methode gewinnen.“ (Denis Yücel: „Erdogan will seine Alleinherrschaft in der Verfassung verankern“)