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Erdogans große Umkehr gegenüber Israel?

Israels Präsident Issac Herzog zu Besuch in der Türkei
Israels Präsident Issac Herzog zu Besuch in der Türkei (© Imago Images / Xinhua)

Dieser Tage traf der israelische Staatspräsident Yitzchak Herzog auf Einladung des türkischen Präsidenten in Ankara zu einem offiziellen Staatsbesuch ein. Alles scheint darauf hinzudeuten, dass die Türkei ihre Beziehungen zu Israel neu aufstellen möchte.

Bald ist Purim, der Feiertag, an dem der wundersamen Rettung des jüdischen Volkes im einstigen persischen Königreich gedacht wird. Es ist ein fröhliches Fest, das unter dem Motto »Alles steht auf dem Kopf« ausgelassen gefeiert wird. Macho-Männer Iassen sich die Haare ondulieren, Power-Frauen als Playboy-Häschen fotografieren und Abstinenzler zum Trinken animieren. Kurz: Alles läuft verkehrt.

Herzog besucht Erdogan

Genau das trifft dieser Tage auch auf Israel zu. Der Kampf, der derzeit die Welt erschüttert, findet diesmal nicht vor Ort statt. Dafür scheint sich im kriegsgebeutelten Israel ein völlig überraschender Friedensprozess anzubahnen. Es geht um die Türkei.

Am Mittwoch trat Staatspräsident Yitzchak Herzog einen offiziellen Besuch in Ankara an, wo er mit großem Pomp empfangen wurde. Bei der Begrüßungszeremonie gab es 21 Ehrensalven, eine stramme militärische Garde, riesige in Einklang wehende türkische und israelische Fahnen und natürlich auch ein stimmungsvolles Anklingen der jeweiligen Landeshymnen.

Danach ging es gleich zum Präsidentenpalast in Ankara, wo sich Herzog und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan zu einem eingehenden Gespräch trafen. Gemeinsam gaben sie danach eine Pressekonferenz und bekundeten ihre Bereitschaft zur Freundschaft und einer künftig fruchtbaren Kooperation.

Schwierige Vergangenheit

Dieser würdige Empfang und die herzlichen Worte sind ob der in den vergangenen Jahren äußerst angespannten Beziehungen zwischen Israel und der Türkei überraschend. Tatsächlich hat seit dem Jahr 2007 kein israelischer Präsident mehr seinen Fuß in die Türkei gesetzt.

Kein Wunder, schließlich sparte Erdogan in der Vergangenheit nicht mit antisemitischen Aussagen, behauptete, Israel würde mit Vorsatz palästinensische Kinder töten und ließ im staatlich kontrollierten Fernsehen antisemitisch gefärbte Serien ausstrahlen.

Im Jahr 2010 sandte die mit Erdogan verbundene IHH-Stiftung das Schiff Mavi Marmara mit bewaffneten Passagieren in Richtung Gaza, um die Seeblockade der IDF vor dem Küstenstreifen zu durchbrechen. Auch ließ er seitdem keine Gelegenheit aus, Israel zu kritisieren und seinen Botschafter, so jener gerade in Israel weilte, bei jedem Aufflammen der Unruhen im Gazastreifen sofort abzuberufen.

Erst kürzlich sorgte Erdogan in Israel wieder für Aufregung, als er das unbescholtene Ehepaar Oknin als angebliche israelische Spione verhaften ließ. Die beiden Busfahrer hatten in der Türkei Urlaub gemacht. Ihr Verbrechen: Sie fotografierten Erdogans kolossalen Präsidentenpalast.

Bedenklich für Israel ist aber vor allem die Tatsache, dass Erdogan in der Türkei Hamas-Zellen beherbergt. Von Ankara und Istanbul aus sollen Terrorangriffe auf Israel geplant worden sein.

Erdogans Kehrtwende

Jetzt aber scheint Erdogan eine Kehrtwende vollzogen zu haben. Es begann damit, dass er Yitzchak Herzog zu seinem Amtsantritt gratulierte und ihm zum Ableben seiner Mutter kondolierte. Die beiden Staatsmänner haben offenbar einen guten Draht zueinander gefunden. Jedenfalls versicherte der israelische Präsident seinem Gegenüber, viele ihrer Konflikte könnten bei einer Tasse Kaffee bereinigt werden. Das schien wohl auch Erdogan einzuleuchten, und so lud er Herzog zu einem Staatsbesuch ein.

Herzliche Worte

Bei der Pressekonferenz gab es dann auch viele warme Worte. Nächsten Monat schon soll der türkische Außenminister sein Pendant in Jerusalem treffen und den erneuten Botschafter-Austausch arrangieren. In Folge soll auch der türkische Energieminister mit seinem Team Israel besuchen.

Man habe, so jedenfalls Yitzchak Herzog in seiner Ansprache, die vergangenen Schwierigkeiten nicht vergessen, aber Wege besprochen, um künftig Auseinandersetzungen auf freundschaftlicher und konstruktiver Basis zu bereinigen.

Erdogan nannte den Antisemitismus »ein Verbrechen gegen die Menschheit« und versicherte, die Türkei werde weiterhin gegen Antisemitismus, Islamophobie, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus kämpfen.

Was will Erdogan?

In Israel herrscht neben der Überraschung über die schier unglaubliche Kehrtwende des türkischen Präsidenten auch einige Skepsis. Was, so fragt man, will Erdogan von Israel?

Klar ist, dass sich sein Land in einer wirtschaftlichen Krise befindet, durch die der Power-Präsident auch politisch an Boden verliert, weshalb er sich zum Ausgleich eine künftig noch engere wirtschaftliche Kooperation mit Israel wünscht.

Zudem hat Erdogan auch großes Interesse an einer Zusammenarbeit mit Israel im Energiesektor. So kann er sich eine Gaspipeline vorstellen, die vom Mittelmeer über die Türkei nach Europa führt. Damit rechnet er sich lukrative Chancen aus, nachdem Europa seine Abhängigkeit vom russischen Erdgas reduzieren will.

Zudem sucht er sich regionale Partner, mit denen er sich gegen den Iran abzusichern gedenkt. Schließlich merkt auch der türkische Präsident, dass sich Israels Standing spätestens seit den Abraham-Abkommen im Nahen Osten ständig verbessert. Bei dieser Neuordnung will er wohl nicht zurückbleiben.

Was will Israel?

Erdogan hat also mit einer Annäherung an Israel viel zu gewinnen. Aber auch Israel scheint der Entwicklung nicht abgeneigt.

Erstens tut es dem kleinen Land gut, freundschaftliche Beziehungen zu einem Quasi-Nachbarland zu unterhalten. Außerdem erhofft es sich, Erdogan würde die Präsenz der Hamas in seinem Land verbieten.

Die Prüfung aufs Exempel, so ist man sich in Israel einig, wird beim ersten Zwischenfall im Gazastreifen erfolgen. Wird Erdogan, wie bislang üblich, seinen Botschafter wieder abziehen und Israel übel beschimpfen, oder wird er sich an die neue Freundschaft halten?

Die Premierminister

Interessant ist bei diesem Treffen auch das Ungleichgewicht der beiden beteiligten Personen. Hier ein Alleinherrscher, dort ein verehrter Staatspräsident mit geringer politischer Schlagkraft. Ganz aus dem Spiel waren bei diesem Treffen die israelischen Powerplayer aber nicht.

Offenbar hat sich Herzog vor dem Besuch mit Oppositionsführer Benjamin Netanjahu beraten (und sich damit sehr schlau den Zuspruch der sonst so streitsüchtigen Opposition gesichert). Zudem hat er auch den Segen des jetzigen Regierungschefs Naftali Bennett eingeholt, der ihm versichert haben soll:

»Wenn jemand die Hand zum Frieden ausstreckt, lässt man ihn nicht in der Luft hängen.«

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