„Während sich der türkische Präsident Erdoğan einen Krieg der Worte mit EU-Ländern liefert, befindet sich die Wirtschaft in der Türkei ‚einen Schritt von der großen Krise entfernt‘, warnen Analysten. Das Land ist dringend auf ausländische Kreditgeber angewiesen, die es so leidenschaftlich beschimpft. Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte will sich also nicht entschuldigen. Der Eklat wegen des Besuchs einer türkischen Ministerin in Rotterdam und die anschließenden Ausschreitungen haben das diplomatische Verhältnis zwischen den Niederlanden und der Türkei massiv erschüttert. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan, der dieser Tage einen Wahlkampf zu führen hat, ist bereit, viel Porzellan zu zerschlagen, und beschimpft deutsche und andere europäische Politiker als Nazis und Faschisten.
Während Erdoğan schimpft, spüren die Türken in ihrem Alltag allerdings nicht die niederländische Diplomatie, sondern steigende Preise, höhere Zinsen für Kredite und die ausbleibenden Touristen. Das ehemals kräftig wachsende Land am Bosporus befindet sich auf einem wirtschaftlichen Scheideweg. ‚Die Türkei wird zu einer wirtschaftlich geschwächten Autokratie‘, schreibt Andrew Wachtel in einer aktuellen Project-Syndicate-Kolumne. Tatsächlich hat sich seit dem gescheiterten Coup im Vorjahr gerade auch die wirtschaftliche Lage verschärft. Wer Wohl und Wehe in Schwellenländern analysieren möchte, kann etwa den ‚Misery Index‘ heranziehen. Er zeigt die Addition zweier Übel, der Inflationsrate und der Arbeitslosigkeit. Beide sind zuletzt in der Türkei kräftig angestiegen. Seit dem gescheiterten Coup ist die Inflation von knapp 7,6 auf 10,1 Prozent gestiegen, die Arbeitslosigkeit von 10,7 auf 12,1 Prozent.“ (Lukas Sustala : „Wie Erdoğan den Karren an die Wand fährt“)