In der Regel werden Staatsfonds von Ländern gebildet, die über einen Haushaltsüberschuss verfügen, den sie für Investitionen zugunsten ihrer Bürger und der Wirtschaft abzweigen können. Ölreiche Länder wie Norwegen und die Golfstaaten verfügen in der Regel über derartige Staatsfonds. Da die Türkei weder über einen Haushaltsüberschuss noch über Energieerträge verfügt, ist ihr Staatsfonds eher außergewöhnlich. Da der Fonds ohnehin von der Regierung kontrolliert wird, stellt sich die Frage, warum Erdogan es für erforderlich hielt, die Zügel selbst in die Hand zu nehmen. Die Opposition hat darauf hingewiesen, dass die entscheidenden wirtschaftlichen und finanziellen Ressourcen der Türkei infolge der Neuordnung nicht mehr der öffentlichen Revision unterliegen. Hinzu kommt, dass der Fonds genutzt werden soll, um Anleihen für die Überwindung der zunehmenden Wirtschaftskrise zu tätigen. Die Türkei braucht 230 Milliarden Dollar an ausländischen Mitteln, um ihre Wirtschaft für die nächsten zwölf Monate in Gang zu halten.
Im Dezember war der TVF durch einen Erlass ermächtigt worden, Geld aufzunehmen und Schulden zu transferieren. Warum genügte die Staatskasse hierfür nicht? Weil sie weiterhin an gewisse Regeln und insbesondere an einen vom Parlament gebilligten Haushalt gebunden ist. Rechtlich handelt es sich bei dem TVF dagegen um ein Unternehmen, das flexibler agieren kann und der öffentlichen Revision nicht unterliegt. Er kann nun gegen die Einkünfte der in ihm zusammengefassten Unternehmensbeteiligungen von jedem erdenklichen Geldgeber so viel Geld aufnehmen, wie er will, und die vom TVF kontrollierten Unternehmen können ihre Schulden auf andere vom Fonds geschaffene Firmen übertragen. Kurzum, die Vollmachten der Staatskasse, im In- und Ausland Geld aufzunehmen, sind auf den Fonds und damit auf Erdogan ausgedehnt worden. Daher ist der Fonds wiederholt als ‚zweite Staatskasse‘ beschrieben worden.“ (Fehim Tastekin: „Erdogan makes himself ‚czar of the economy’”)