Nachdem die Spannungen zwischen der Türkei und ihrem Nachbarland im Sommer deutlich zugenommen hatten, kommen nun unerwartet versöhnliche Töne aus Ankara.
Michael Thuman, Zeit Online
[D]ie Türkei drohte Griechenland tatsächlich unverhohlen mit Krieg, während beide Seiten große Militärmanöver abhielten und griechische und türkische Schiffe einander rammten. Vordergründig streiten beide Seiten um Gasvorkommen, tatsächlich geht es der Türkei um die Macht am Mittelmeer, im Raum zwischen der EU und der arabischen Welt. Umso überraschender ist, dass aus der Türkei seit vergangener Woche neue Töne zu hören sind. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan erklärte, er sei schon immer für Gespräche gewesen. (…)
Für Erdoğan gibt es drei wesentliche Gründe, sich jetzt auf Gespräche einzulassen. Erstens hat er innenpolitisch mit der Zuspitzung der Krise alles erreicht, was zu erreichen war. Die emotionale Mobilmachung der Staatsmedien gegen die Griechen, die den Türken „den Zugang zu lebenswichtigen Rohstoffen versperren“ wollten, ist mittlerweile bei den meisten Türken angekommen. Und die Botschaft, dass Erdoğan hart für ihr Recht kämpfe, auch. (…)
Zweitens sieht Erdoğan die Kosten einer möglichen militärischen Auseinandersetzung. Frankreich hat Griechenland mit der Entsendung von Kriegsschiffen und gemeinsamen Manövern unterstützt. Italien und Ägypten sprangen den Griechen ebenfalls bei. Die Türkei stünde bei einer Eskalation in der Region isoliert da.
Drittens fordert das Europaparlament mittlerweile offen Sanktionen gegen Ankara. Würde Erdoğan weiter gegen Athen poltern, hätten solche Forderungen auch unter den Staats- und Regierungschefs der EU vielleicht eine Chance. (…) Gedacht ist auf jeden Fall daran, die Gespräche zwischen beiden Hauptstädten wieder aufzunehmen, die nach dem Putschversuch in der Türkei 2016 abgebrochen waren.
(Aus dem Artikel „Der Krieg fällt erst mal aus“, der in bei Zeit Online erschienen ist.)