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Erdogan bezeichnet Proteste gegen Verhaftung Imamoglus als »Straßenterror«

Protest gegen die Verhaftung von Oppositionsführer Ekrem Imamoglu in der Türkei
Protest gegen die Verhaftung von Oppositionsführer Ekrem Imamoglu in der Türkei (Imago Images / CTK Photo)

Der türkische Innenminister erklärte, die Polizei habe Hunderte protestierende Personen festgenommen, da sie das Demonstrationsrecht missbraucht hätten.

Der Bürgermeister von Istanbul, Ekrem Imamoglu, schwor, weiter zu kämpfen, nachdem er am Sonntag seines Amtes enthoben und inhaftiert worden war, wodurch die schlimmsten Straßenunruhen in der Türkei seit mehr als einem Jahrzehnt ausgelöst wurden. »Wir werden diesen schwarzen Fleck auf unserer Demokratie auslöschen. Ich werde mich nicht beugen«, ließ Imamoglu verlautbaren.

Vor Zehntausenden von Demonstranten, die sich zum fünften Mal in Folge vor dem Rathaus versammelt hatten, warnte Imamoglus Ehefrau Dilek die Behörden von der Bühne aus: »Er wird euch besiegen! Ihr werdet verlieren! Die Ungerechtigkeit, mit der Ekrem konfrontiert war … hat jeden Menschen berührt. Jeder hat etwas von sich selbst und den Ungerechtigkeiten, mit denen er konfrontiert war, in dem, das Ekrem angetan wurde, wiedergefunden.«

Vier Tage nach seiner Festnahme wurde der beliebte Oppositionsbürgermeister am Sonntag seines Amtes enthoben und in das Gefängnis von Silivri gebracht. »Dies ist kein Gerichtsverfahren, sondern eine [politische] Hinrichtung ohne Prozess«, ließ er über seine Anwälte auf X ausrichten.

Während die Gerichtsanhörung lief, hielt die wichtigste Oppositionspartei, die Republikanische Volkspartei (CHP), eine lang geplante Vorwahl ab, bei der Imamoglu zum Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen im Jahr 2028 bestimmt wurde. Dabei öffnete die CHP die Abstimmung über ihre 1,7 Millionen Mitglieder hinaus für alle, die wählen wollten, wodurch 15 Millionen Stimmen für Imamoglu registriert wurden: »Von insgesamt fünfzehn Millionen Stimmen sind 13.211.000 Solidaritätsstimmen« von Nicht-Parteimitglieder, hieß es. Die Wahlbeteiligung war so hoch, dass die Wahl um dreieinhalb Stunden verlängert wurde.

Repression

Die türkischen Behörden erließen Gerichtsbeschlüsse zur Schließung von mehr als 700 Accounts auf X, die sich gegen »Nachrichtenorganisationen, Journalisten, politische Persönlichkeiten, Studenten und andere in der Türkei« richteten, wie die Online-Plattform am Sonntag mitteilte. Das Unternehmen bezeichnete den Schritt der Regierung als »rechtswidrig« und kündigte an, das Recht auf freie Meinungsäußerung vor Gericht zu verteidigen.

Beobachter meinen, die bevorstehende CHP-Vorwahl habe den Schritt gegen Imamoglu ausgelöst, der weithin als der einzige Politiker gilt, der Präsident Recep Tayyip Erdogan bei der Präsidentschaftswahl schlagen könnte.

»Wenn es einen starken Gegner [von Erdogan] gibt, wird er immer ins Gefängnis gesteckt«, sagte der 29-jährige Ferhat, der seinen Nachnamen nicht nennen wollte, gegenüber Agence France Press (AFP). »In der Türkei herrscht derzeit eine Diktatur, sonst nichts. Das ist nur dem Namen nach Politik.«

Viele Menschen äußerten ihre Wut über das Vorgehen gegen einen Bürgermeister, den sie gewählt hatten. »Sie haben uns buchstäblich unsere Stimme gestohlen. Das treibt mir die Tränen in die Augen«, erklärte der 70-jährige Sükrü Ilker gegenüber AFP, und die 63-jährige Apothekerin Ayten Oktay sieht kein Zurück mehr: »Jetzt ist die türkische Nation aufgewacht. Die Proteste werden auf jeden Fall weitergehen. Wir werden unsere Rechte bis zum Ende verteidigen.«

Laut dem CHP-Vorsitzenden Özgür Özel sei Imamoglu trotz seiner Inhaftierung in guter Stimmung. »Er sagte, dieser Prozess habe zu einem großen Erwachen in der Türkei geführt, worüber er sich freue«, berichtete Özel, der die Teilnehmerzahl der Proteste am Samstag in Istanbul auf mehr als eine halbe Million schätzte.

Bei den Demonstrationen in Istanbul setzte die Bereitschaftspolizei Gummigeschosse, Pfefferspray und Granaten ein, in Ankara auch Wasserwerfer. Die Proteste breiteten sich rasch aus, obwohl in den drei größten Städten ein Demonstrationsverbot verhängt wurde und Präsident Erdogan davor warnte, dass die Behörden »Straßenterror« nicht dulden würden.

Hunderte Festnahmen

Wien Innenminister Ali Yerlikaya erklärte, seien seit Beginn der Proteste 1.133 Personen festgenommen worden. »Der Terror auf unseren Straßen und die Bedrohung des Friedens und der Sicherheit unserer Nation werden absolut nicht toleriert werden.« Unter Berufung auf die türkische Verfassung behauptete er, die Proteste der letzten fünf Tage hätten das Demonstrationsrecht »missbraucht«.

Yerlikaya beschuldigte die Demonstranten, »die öffentliche Ordnung zu stören, zu Straßenveranstaltungen aufzurufen und unsere Polizei anzugreifen. Solche Aktionen zielen darauf ab, den Frieden und die Sicherheit unseres Volks zu stören. Wir warnen von hier aus ganz klar: Niemand soll versuchen, unsere Jugend und unser Volk als Schutzschild für seine eigenen politischen Ambitionen zu benutzen.«

Währenddessen hat das staatliche Vorgehen gegen Ekrem Imamoglu der Landeswährung Lira stark zugesetzt und für Chaos auf den eigenen Finanzmärkten gesorgt, wo der Leitindex BIST 100 am Freitag um fast acht Prozent niedriger schloss.

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