Erdogan droht Griechenland mit Raketenangriff

Erdogan bei seiner Rede in der Schwarzmeer-Stadt Samsun
Erdogan bei seiner Rede in der Schwarzmeer-Stadt Samsun (© Imago Images / APAimages)

Der Konflikt um die Seehoheit rings um die griechischen Inseln schwelt schon lange und scheint noch länger die Beziehungen zwischen den beiden Ländern zu belasten. Nun legt der türkische Präsident nach.

In einer kürzlich gehaltenen Rede in der türkische Stadt Samsun drohte Recep Tayyip Erdogan Griechenland mit einem Raketenangriff. Der türkische Präsident sprach dabei von den Fortschritten der türkischen Rüstungsindustrie, die inzwischen achtzig Prozent des gesamten Waffenbedarfs selbst produziert. Als Beispiele nannte er die Bayraktar-TB2-Drohnen, welche die moderne Kriegsführung revolutioniert haben, und die Entwicklung des unbemannten Kampfflugzeugs Akinci UCAV.

Erdogan erwähnte auch, dass die Türkei mit der Produktion eigener Raketen begonnen habe, wobei er auf den Testabschuss der ballistischen Kurzstreckenrakete »Tayfun« im Oktober anspielte, die eine Reichweite von 560 Kilometern hat – und Athen nur 220 Kilometer vom nächstgelegenen türkischen Gebiet entfernt ist. 

»Man sagt das Wort Tayfun und der Grieche hat Angst. Er sagt, die Rakete wird Athen treffen. Natürlich wird sie das. Wenn [Griechenland] nicht ruhig bleibt, wenn man aus Amerika Sachen für die Inseln kauft, von hier und dort, dann wird ein Land wie die Türkei nicht tatenlos zusehen. Es muss etwas tun«, fuhr Erdogan unter Bezug auf die Dodekanes-Inseln fort, die 1923 im Vertrag von Lausanne und 1947 im Pariser Friedensvertrag an Griechenland abgetreten werden mussten. 

Kern des Konflikt ist das Beharren Griechenlands, ein Inselstaat zu sein, weswegen es Anspruch auf die Gewässer im Umkreis von sechs Seemeilen von jeder Insel erhebt; ein Anspruch, der keine türkischen Hoheitsgewässer in der Ägäis zulässt. Während Griechenland seine Hoheitsgewässer im Ionischen Meer auf zwölf Seemeilen ausgedehnt hat, machte die Türkei deutlich, eine ähnliche Erweiterung in der Ägäis als Casus Belli zu betrachten.

Umgekehrt betrachtet die Türkei Griechenland als Halbinselstaat und weist darauf hin, dass einige dieser Inseln auf dem türkischen Festlandsockel liegen. Die Antwort der Türkei war die Formulierung der maritimen Doktrin des »Blauen Vaterlands« (»Mavi Vatan«), die Anspruch auf eine Fläche von 462.000 Quadratkilometern im östlichen Mittelmeer, der Ägäis und dem Schwarzen Meer erhebt. Die Doktrin des »Blauen Vaterlands« steht im Einklang mit der expansiven Außenpolitik der Türkei, die zu einer Modernisierung ihrer Flotte geführt hat. 

Knapp am Krieg vorbei

Ein weiterer Streitpunkt ist die Forderung der Türkei, dass Griechenland 16 seiner 23 Ägäis-Inseln entmilitarisieren solle, weil die dortige Stationierung von Militär ihrer Ansicht nach einen Verstoß gegen die Verträge von Lausanne und Paris darstellt. Griechenland wiederum beansprucht das Recht auf Selbstverteidigung gemäß Artikel 51 der UNO-Charta.

Die Türkei hat geschworen, die Angelegenheit voranzutreiben, wozu Erdogan in Samsun den Ton verschärft hat, wobei es ein Fehler wäre, dies als bloße Rhetorik abzutun. Vor zwei Jahren kam es zu einem Zusammenstoß zwischen Griechenland und der Türkei um die kleine griechische Insel Kastellorizo vor der türkischen Südküste; nur das Eingreifen Berlins konnte ein Krieg abwenden.

Es besteht kein Zweifel daran, dass Erdogan sehr weit zu gehen bereit ist, um seine Wiederwahl und die der AKP (Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung) bei den Wahlen im nächsten Juni zu sichern. Eine bewährte Methode dabei ist das Ausspielen der Karte der nationalen Sicherheit. So hat der Bombenanschlag in Istanbul im November Erdogan einen Vorwand geliefert, um Luftangriffe auf kurdische Stellungen im Irak und in Nordsyrien zu rechtfertigen. Außerdem plant er einen vierten Einmarsch in Syrien, um seine Zustimmungswerte vor den Wahlen im nächsten Jahr zu verbessern. 

Trotz Erdogans Appell an Putin, grünes Licht für die Operation in Syrien zu geben, ist Moskau nicht sonderlich an solch einem Ablenkungsmanöver in seinem Hinterhof interessiert. Angesichts dieser Verweigerungshaltung Russlands in Syrien könnte Griechenland das nächste türkische Ziel sein.

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