Das schwere Erdbeben, das den Südosten der Türkei erschütterte, wird die Wirtschaft des Landes, die sich in einer ohnehin schon schwierigen Situation befindet, weiter schwächen.
So erklärte Cem Çakmaklı, Assistenzprofessor für Wirtschaftswissenschaften an der Koç-Universität in Istanbul, gegenüber The Media Line, das Beben werde die Region noch mehr unter Druck setzen. Die Größe der betroffenen Region erschwere laut seiner Ansicht die Verteilung der Hilfe, sodass es zu Debatten darüber kommen werde, in welcher Höhe Finanzhilfen an welche Städte und welche Industriezweige ausbezahlt werden. »Die Hauptfrage ist, wie viel Geld für den Wiederaufbau der Region benötigt wird und ob dies mit lokalen Krediten machbar ist«, sagte er und betonte, dies könne ohne ausländische Hilfe wohl nicht bewältigt werden.
Die türkische Wirtschaft hat bereits in den letzten Jahren mit einer massiven Währungsabwertung zu kämpfen. Die offizielle Inflation liegt bei 60 Prozent, während unabhängige Wirtschaftsexperten glauben, dass die reale Zahl noch weitaus höher ist.
»Das Ausmaß, in dem die Wirtschaft von diesem Erdbeben betroffen ist, wird noch deutlicher werden, sobald der konkrete Schaden ermittelt werden kann«, sagte Çakmaklı. Während die Türkei bereits um internationale Hilfe gebeten habe, werde sie sich auch an internationale Finanzorganisationen wie die Weltbank und den Internationalen Währungsfonds wenden müssen, um Unterstützung zu erhalten.
Positiv für die Wirtschaft sei, so der Experte, dass bisher offenbar weniger Schäden an Geschäftsgebäuden als an Wohnhäusern zu verzeichnen seien, was bedeute, dass die Unternehmen weniger betroffen sein könnten. Dennoch wird sich das schwere Beben vom Montag wahrscheinlich stark auf die Finanzen der Türkei auswirken. »Dies könnte ein weiterer Faktor sein, der die Reserven der Türkei aufzehrt und die wirtschaftliche Lage belastet«, sagte Ryan Bohl, Nahost-Analyst des Risikoanalyseunternehmens RANE.
Das Epizentrum des Erdbebens befand sich in der Nähe einer der wichtigsten Produktions- und Industriezentren des Landes: In der nahe der syrischen Grenze gelegenen Stadt Gaziantep mit ihren fast drei Millionen Einwohnern sind Tausende von Fabriken angesiedelt. Nach offiziellen türkischen Angaben wurde die Produktion in der Stadt aus Angst vor Nachbeben in den Stunden und Tagen nach dem Erdbeben weitgehend eingestellt.
Auch der Tourismussektor wird betroffen sein. Zu welchem Zeitpunkt diese wichtige Devisenquelle wieder anspringt, hängt ganz davon ab, wann das Vertrauen der Menschen wieder hergestellt ist und sich das wirtschaftliche Leben stabilisiert hat.