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Steht Entwaffnung der schiitischen Milizen im Irak bevor?

Mitglieder einer der schiitischen Milizen im Irak
Mitglieder einer der schiitischen Milizen im Irak (Imago Images / Xinhua)

Mehrere vom Iran unterstützte Milizen im Irak sollen bereit sein, ihre Waffen abzugeben, um die Gefahr eines eskalierenden Konflikts mit den USA abzuwenden.

Der Schritt zur Entschärfung der Spannungen folgt auf wiederholte Warnungen, die US-Beamte seit Donald Trumps Amtsantritt im Januar an die irakische Regierung gerichtet haben, so die von der Nachrichtenagentur Reuters zitierten Quellen, zu denen sechs lokale Kommandeure von vier großen Milizen gehören. Die US-Beamten teilten mit, Amerika könnte die Gruppen mit Luftangriffen ins Visier nehmen, sollte Bagdad nichts unternehme, um die auf irakischem Boden operierenden Milizen aufzulösen.

Der bedeutende schiitische Politiker und der Regierungsallianz nahestehende Izzat al-Shahbndar meinte gegenüber Reuters, die Gespräche zwischen Premierminister Mohammed Shia al-Sudani und mehreren Milizenführern seien »sehr weit fortgeschritten« und die Gruppen geneigt, den Forderungen der USA nach Abrüstung nachzukommen: »Die Fraktionen handeln nicht stur und bestehen nicht darauf, in ihrer jetzigen Form weiterzumachen«, sie seien »sich voll und ganz bewusst«, ins Visier der USA zu geraten. 

Die im Reuters-Bericht zitierten Kommandeure teilten mit, ihr Hauptverbündeter und Schutzherr, die Elitetruppe der Iranischen Revolutionsgarde (IRGC) befürworte alle notwendigen Entscheidungen, um nicht in einen möglicherweise ruinösen Konflikt mit den Vereinigten Staaten und Israel hineingezogen zu werden.

»Trump ist bereit, den Krieg mit uns auf eine noch schlimmere Ebene zu heben, das wissen wir, und wir wollen ein so Szenario vermeiden«, sagte ein anonym bleibender Kommandeur der Kataib Hezbollah, der mächtigsten schiitischen Miliz. Nach der Veröffentlichung gab diese jedoch eine Erklärung ab, in der sie bestritt, eines ihrer Mitglieder hätte mit der Nachrichtenagentur gesprochen, da offizielle Kommentare nur von namentlich genannten Sprechern abgegeben werden.

Die Milizen sind Teil des Islamischen Widerstands im Irak, einer Dachorganisation von etwa zehn schiitischen bewaffneten Splittergruppen, die insgesamt etwa 50.000 Kämpfer befehligen und über Arsenale verfügen, die Langstreckenraketen und Flugabwehrwaffen umfassen. Die Organisation, eine tragende Säule des iranischen Netzwerks regionaler Stellvertretertruppen, hat sich seit Ausbruch des Gazakriegs im Oktober 2023 zu Dutzenden Raketen- und Drohnenangriffen auf Israel und auf im Irak und in Syrien stationierte US-Truppen bekannt.

Ein Novum

Farhad Alaaeldin, der außenpolitische Berater des irakischen Premierministers Mohammed Schia al-Sudani, sagte zu den Abrüstungsgesprächen, der Premierminister setze sich dafür ein, dass alle Waffen im Irak durch einen »konstruktiven Dialog mit verschiedenen nationalen Akteuren« unter staatlicher Kontrolle stünden. Al-Sudani dränge auf eine Entwaffnung aller Milizen des Islamischen Widerstands im Irak, die sich eher der Iranischen Revolutionsgarde und ihrer Auslandseinheit Quds Force verpflichtet fühlen, als Bagdad gegenüber loyal zu sein.

Einige Gruppen haben ihre Hauptquartiere bereits weitgehend geräumt und ihre Präsenz in Großstädten wie Mossul und Anbar seit Mitte Januar aus Angst vor Luftangriffen reduziert, hieß es seitens iraksicher Beamter und schiitischer Miliz-Kommandeure. Aus Furcht vor US-Schlägen verstärkten viele Kommandeure ihre Sicherheitsmaßnahmen und wechseln häufiger ihre Mobiltelefone, Fahrzeuge und Wohnorte.

Das US-Außenministerium erklärte, Bagdad weiterhin aufzufordern, die Milizen zu zügeln: »Diese Streitkräfte müssen dem Oberbefehlshaber des Iraks und nicht dem Iran gehorchen.« Ein anonym bleibender amerikanischer Regierungsbeamter erinnerte an Fälle der Vergangenheit, bei denen die Milizen ihre Angriffe auf Druck der USA temporär eingestellt hätten. Deshalb bezweifelt er, dass eine Entwaffnung von Dauer sein würde.

Izzat al-Shahbndar wiederum stellte klar, die irakische Regierung habe noch kein Abkommen mit den Anführern der Milizen abgeschlossen und ein Entwaffnungsmechanismus werde noch diskutiert. Zu den Optionen, die in Betracht gezogen werden, gehöre die Umwandlung der Gruppen in politische Parteien und die Integration in die irakischen Streitkräfte. Obwohl der Ausgang des Entwaffnungsprozesses also ungewiss bleibt, signalisieren die Diskussionen dennoch erstmals die Bereitschaft der Milizen, dem langjährigen westlichen Druck zur Entmilitarisierung nachgeben zu wollen.

Erschütterte Achse des Widerstands

Dieser Wandel erfolgt zu einem prekären Zeitpunkt für die »Achse des Widerstands«, die das iranische Regime über Jahrzehnte hinweg und unter großen Kosten aufgebaut hat, um Israel und die USA in der Region zu bekämpfen, und die seit dem 7. Oktober 2023 eine Reihe von Niederlagen einstecken musste und stark geschwächt ist.

Die Hamas im Gazastreifen und die Hisbollah im Libanon werden seit Beginn des Gazakriegs von Israel hart getroffen, während die Huthi-Bewegung im Jemen seit letztem Monat das Ziel amerikanischer Luftangriffe ist. Der Sturz des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, eines weiteren wichtigen Verbündeten des Irans, hat den Einfluss der Islamischen Republik weiter geschwächt.

Der Irak versucht, seine Bündnisse mit Amerika und dem Iran auszubalancieren, wenn es um den Umgang mit den Milizen auf seinem Boden geht. Die Gruppen entstanden mit finanzieller und militärischer Unterstützung des Irans in den chaotischen Nachwehen der amerikanischen Invasion von 2003, die das Regime von Saddam Hussein stürzte, und sind zu beachtlichen Kräften geworden, die es in Sachen Feuerkraft mit der nationalen Armee des Iraks aufnehmen können.

Kurz nachdem die amerikanischen Angriffe auf die Huthi begonnen hatten, forderte US-Verteidigungsminister Pete Hegseth den irakischen Premier al-Sudani in einem Telefonat am 16. März auf, die Milizen daran zu hindern, Vergeltungsschläge auf Israel und US-Stützpunkte in der Region durchzuführen, um ihre jemenitischen Verbündeten zu unterstützen. Die im Irak stationierten Milizen hatten seit Beginn des Gazakriegs aus Solidarität mit der Hamas Dutzende Drohnen- und Raketenangriffe gegen Israel gestartet und im vergangenen Jahr bei einem Drohneneinsatz in Jordanien nahe der syrischen Grenze drei US-Soldaten getötet.

Ibrahim al-Sumaidaie, ein ehemaliger politischer Berater von al-Sudani, sagte gegenüber dem irakischen Staatsfernsehen, die Vereinigten Staaten würden die irakische Führung seit Langem schon dazu drängen, schiitische Milizen aufzulösen, aber diesmal könnte Washington ein Nein als Antwort nicht akzeptieren: »Wenn wir uns nicht freiwillig fügen, könnte es uns von außen und mit Gewalt aufgezwungen werden.«

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