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Denkbar schlechtes Timing: Entlassung des Shin-Bet-Chefs, Katargate und Justizreform

Protest in Jerusalem gegen die Entlassung von Shin-Bet-Chef Ronen Bar durch die israelische Regierung
Protest in Jerusalem gegen die Entlassung von Shin-Bet-Chef Ronen Bar durch die israelische Regierung (© Imago Images / ZUMA Press Wire)

Manchmal, wenn in Medien gerade einmal wieder brisante Neuigkeiten »enthüllt« werden, denken wird uns: Das war auf Mena-Watch schon vor langer Zeit zu lesen.

Im Oktober 2022 etwa erschien unser Dossier Vom Perlenfischerdorf zum Global Player. Wie Katar zum internationalen Machtfaktor wurde, in dem wir unter anderem auf die Finanzierung der palästinensischen Terrorgruppe Hamas durch das Scheichtum hinwiesen. Sie erfolgte mit Wissen und Duldung Israels, was sich spätestens mit dem Hamas-Massaker in Israel am 7. Oktober 2023 als gravierende Fehlentscheidung erwiesen hat.

Katargate

Auf diesem Weg gelangten über Israel nicht nur Diplomatenkoffer voller Bargeld in der Hoffnung nach Gaza, dadurch die Hamas ruhig halten zu können, sondern, so zumindest der jetzt erhobene Vorwurf, soll auch Geld aus Katar in die Taschen von Jonatan Urich und Eli Feldstein gewandert sein, die beide bis zu ihrer Verhaftung im Stab von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu gearbeitet haben.

Die Ermittlungen gegen sie wurden von Ronen Bar, dem Chef des Inlandsgeheimdienstes Shin Bet geführt, der von Netanjahu just zu dem Zeitpunkt gefeuert wurde, als die Vorwürfe gegen Urich und Feldstein laut wurden. Die zeitliche Koinzidenz war augenfällig. Die Regierung bestreitet, kaum überraschend, jeden Zusammenhang und begründet den Rauswurf Bars mit »mangelndem Vertrauen« und dem Vorwurf, die Führungsriege des Shin Bet habe im Vorfeld des Hamas-Überfalls auf Israel versagt.

Tatsächlich hat der Geheimdienst zum Abschluss einer internen Untersuchung selbst von einem »kolossalen Versagen« gesprochen und die Einschätzung vertreten, das Massaker hätte verhindert werden können, hätte er sich anders verhalten. Alarmierende Informationen seien falsch bewertet und Warnungen vor einem großen Angriff der Hamas ignoriert worden; möglicherweise in vorauseilendem Gehorsam der Verantwortlichen einer Regierung gegenüber, die von einer gefährlichen Bedrohung aus dem Gazastreifen nichts habe wissen wollen.

(Der Inlandsgeheimdienst ist für Bedrohungen in Israel selbst und seit 1967 auch für das Westjordanland und den Gazastreifen zuständig. An der Zuständigkeit des Shin Bet für den Gazastreifen hat sich auch nach dem vollständigen israelischen Abzug 2005 nichts geändert, weswegen die Kritik an geheimdienstlichem Versagen sich auf den Shin Bet konzentriert. Der Auslandsgeheimdienst Mossad leistete im Gegensatz dazu, wie sich nach dem 7. Oktober herausstellte, etwa im Libanon hinsichtlich der Hisbollah, hervorragende Arbeit.)

Schlechtes Timing

Es ist vielleicht bezeichnend für die aktuelle Lage, dass auch die von Netanjahu verkündete Ersetzung Bars durch den ehemaligen Marinechef Eli Sharvit schon wieder Geschichte ist: Wie dem Premier offenbar nicht bewusst war, hatte sich Sharvit nicht nur an Antiregierungsprotesten beteiligt, sondern sich auch öffentlich negativ über US-Präsident Donald Trump geäußert, woraufhin die USA gegen die Berufung Sharvits protestiert haben sollen.

Und als ob diese Posse nicht schon reichen würde, muss noch erwähnt werden, dass der alte Inlandsgeheimdienstchef Ronen Bar eigentlich sowieso noch im Amt ist, da seine Entlassung vom Obersten Gerichtshof aufgehoben wurde bzw. eine zur Überprüfung derselben angesetzt wurde.

Wie ein österreichischer Bundeskanzler schon sagte: »Ich weiß, das klingt alles sehr kompliziert.« Und dies schon, ohne darauf einzugehen, dass die Regierungskoalition in der Knesset letzte Woche ein Gesetz verabschiedete, das der Politik mehr Einfluss auf die Besetzung von Richterposten verschaffen soll. Die Opposition boykottierte die Abstimmung.

Was auch immer von der beschlossenen Änderung zu halten ist, dass die Regierung sie ausgerechnet jetzt vorantrieb, ist, wie Ben Segenreich richtig bemerkte, ein denkbar schlechtes Timing: »Israel steht noch im Krieg und hat dringendere Probleme, zum Beispiel die im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln. Es war klar, dass das Gesetz die Risse in der Gesellschaft wieder vertiefen und Massenproteste auslösen würde. Nichts, das auch nur im Entferntesten mit der Justizreform zu tun hat, hätte jetzt angefasst werden dürfen.«

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