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Einer gegen alle? Der Iran nach der Irak-Nachbarschaftskonferenz

Bruch des Protokolls: Irans Außenminister Hussein Amir Abdullahian drängte sich in erste Reihe
Bruch des Protokolls: Irans Außenminister Abdullahian (2. v. li.) drängte sich für Abschlussbild in erste Reihe (© Imago Images / UPI Photo)

Zwei Wochen nach der Irak-Nachbarschaftskonferenz sind die Meinungen über den Zweck, die Durchführbarkeit und die Ergebnisse der Konferenz immer noch geteilt. Einigkeit besteht jedoch darüber, dass eine starke Front gegen den iranischen Einfluss in der Region gebildet werden muss, bevor dieser auf weitere Länder übergreift.

Nach jahrelanger schrittweiser Infiltration durch bewaffnete Milizen hat der Iran in mehreren arabischen Ländern, namentlich im Irak, in Syrien, im Libanon und im Jemen, starken Einfluss gewonnen. Ende August trafen sich die Staats- und Regierungschefs der Golfstaaten, Jordaniens und Ägyptens mit dem neuen iranischen Außenminister Hussein Amir Abdullahian und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron im Rahmen der Nachbarschaftskonferenz zum Irak.

Nach der Konferenz gaben die Teilnehmer eine Abschlusserklärung ab, in der sie ihre Positionen zu den besprochenen Themen darlegten. An erster Stelle stehen dabei die Stabilität des Irak, die Vermeidung regionaler Spannungen sowie die Notwendigkeit einer Koordinierung zwischen verschiedenen regionalen und internationalen Parteien, um Terrorismus und Extremismus zu bekämpfen.

Das Future Center for Political Studies mit Sitz in Abu Dhabi vertritt die Ansicht, dass das Treffen eine Plattform bereitstellte, die der Etablierung von Kommunikationskanälen zwischen den teilnehmenden Ländern dienen könnte. Dies wäre ein wichtiger Schritt hin zum Ausbau der Kommunikation, sei es über andere, noch zu gründende Plattformen und gemeinsame Veranstaltungen oder durch die Schaffung direkter bilateraler Kanäle.

Das Future Center stützt sich in seiner Einschätzung auf die bilateralen Treffen, die am Rande der Konferenz stattfanden, darunter die Treffen des Premierministers der VAE, Mohammed bin Rashid Al Maktoum, mit dem Emir von Katar, Tamim bin Hamad II, und dem iranischen Außenminister sowie die Treffen des ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah Al-Sisi mit dem Emir von Katar und dem iranischen Außenminister.

Wie der Experte Abdelwahab Badrakhan in der saudischen Zeitung Al-Watan schrieb, „herrschte ein hohes Maß an Harmonie zwischen den Führern und Vertretern der eingeladenen Länder, sowohl bei der Vorstellung der Grundsätze als auch bei den angestrebten Zielen, von denen das wichtigste die Vereinigung der Anstrengungen zur Wiederherstellung der Stabilität in der Region ist.“

Dennoch legte er den Finger auf den kritischen Punkt der Irak-Nachbarschaftskonferenz, als er sagte: „Der einzige, der aus dieser ruhigen, diplomatischen Atmosphäre ausscherte, war der iranische Außenminister, der seinen ersten Auftritt im Ausland mit einer Rede begann, in der er seine Verbindung zu den Revolutionsgarden bestätigte und Teherans Bestreben nach einer harten Linie bekräftigte.“

Bruch des Protokolls

Die Rede von Abdullahian war das herausragende Ereignis der Nachbarschaftskonferenz zum Irak, insbesondere weil er die Vereinigten Staaten und die westlichen Länder angriff und Washington aufforderte, ihre Truppen aus dem Irak abzuziehen.

Darüber hinaus erklärten arabische Medien, der iranische Außenminister habe „absichtlich gegen das Protokoll der Konferenz verstoßen, um politische Botschaften zu senden“.

So sorgte ein nach der Irak-Nachbarschaftskonferenz verbreitetes Foto, das Abdullahian in der ersten Reihe der Staats- und Regierungschefs zeigt, für zahlreiche Kontroversen. Das Bild löste Spekulationen aus über „Abdullahians Verhalten und warum er den ihm zugewiesenen Platz in der zweiten Reihe neben dem Außenminister von Saudi-Arabien, Prinz Faisal bin Farhan, verließ und sich in die erste Reihe stellte.“

Der Journalist Youssef Al-Sharif etwqa kommentierte es mit den Worten, das Verhalten des iranischen Ministers spiegele das Selbstverständnis des Irans wider, „eine Kraft über allen anderen zu sein, nicht eine Kraft mit allen anderen.“ Andere Kommentatoren bezeichneten das Verhalten des iranischen Außenministers als „Botschaft, die darauf abzielt, den Anspruch auf iranische Vormundschaft über den Irak zu unterstreichen“.

Der Nahost-Experte Amr Ibrahim sagte in diesem Zusammenhang gegenüber Mena-Watch, dass „das Verhalten des iranischen Vertreters die Irak-Nachbarschaftskonferenz ihres Inhalts beraubte und den Iran als eine Kraft gegen alle zeigte. Es wurde klar, dass es auf der einen Seite eine koordiniert handelnde Gruppe gibt und auf der anderen Seite den Iran. Eine starke regionale Front ist notwendig, um dem iranischen Einfluss entgegenzuwirken.“

Iranische Ambitionen

Der irakische Experte Ramadan Al-Badran sagte gegenüber Mena-Watch, dass „die Region es bisher vermieden hat, eine direkte Anti-Iran-Front zu bilden, trotz der anhaltenden Spannungen, die Teheran in der Region verursacht. Länder, die sich gegen den iranischen Einfluss verteidigen wollen, möchten diese Front noch nicht aufbauen, um permanente Spannungen zu vermeiden, aber die Bedingungen für den Aufbau sind vorhanden – sodass diese Anti-Iran-Front jederzeit geschaffen werden kann.“

Die Irak-Nachbarschaftskonferenz sei ein Versuch gewesen, einen formellen Dialog zwischen dem Iran und den vom iranischen Einfluss bedrohten Ländern herzustellen, sagte Al-Badran. „Aber es war ein gescheiterter Versuch, weil der Iran mit Herablassung und Arroganz auf die Nachbarländer blickt und danach strebt, sich in ihre Angelegenheiten einzumischen und Spannungen innerhalb der Länder zu erzeugen.“

Der irakische Experte sagte weiter: „Der Iran hat große Ambitionen und möchte den gesamten arabischen Maschrik [Golfstaaten und Irak, Anm. Mena-Watch] kontrollieren – entweder durch den Besitz einer Atomwaffe, mit der er den Golfstaaten seinen Willen aufzwingt, oder durch Verhandlungen mit den Weltmächten, die ihm im Gegenzug für die Eindämmung des Atomprogramms Einfluss in dieser Region gewähren.“

Al-Badran erklärte: „Die Gleichung lautet: Atomwaffen gegen den arabischen Maschrik. Das ist die Gleichung, die die internationalen Aktionen des Irans in der nahen Zukunft bestimmen wird.”

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