Eine zeitgemäße Rechtfertigung des Antisemitismus

Eine zeitgemäße Rechtfertigung des Antisemitismus„Der Antisemitismus erwacht immer in einem spezifischen Kontext aus seinem Schlaf, also müssen wir auch danach fragen. Den momentanen Kontext stellt der moralische Rahmen dar, den die Studentenunruhen der 1960er Jahre uns beschert haben. Die liberal-demokratische Weltanschauung versinkt nun schon seit einem halben Jahrhundert im Sumpf des moralischen Kitsches. Immer häufiger wird angenommen, Schwäche habe automatisch recht und Macht, gleich zu welchem Zweck sie eingesetzt wird, immer unrecht. Da der Westen in der Neuzeit stets mächtig gewesen ist, wird nun automatisch davon ausgegangen, er stehe auf der Seite des Bösen. Man könnte es das Edward Said-Paradigma nennen, obwohl Said ihm erst lange nach seinem Aufkommen in den 1960er Jahren seinen mustergültigsten Ausdruck verlieh. (…)

Die Entsprechung wirkt umgekehrt genauso. Die palästinensische Opferkultur ist das präzise Gegenstück zum Wunsch des Westens, sich seiner kolonialen Schuld zu entledigen. Die Juden, die einst machtlos waren doch nun über Macht verfügen, fügen sich leicht an beiden Enden des zu diesem Zweck geschaffenen Narrativs ein: Am Anfang sind sie die Opfer, die uns an unsere Schuld erinnern, am Ende sind sie selbst die Schuldigen und sollten bestraft werden.

Die einstigen Opfer verwandeln sich in einen Sündenbock, auf dessen Kosten Europa sich von seinem eigenen Rassismus reinwaschen will. Man schlägt also gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Indem man es den Palästinensern recht macht und den Juden die Schuld zuschiebt, kann der Westen seine Kolonialsünden wiedergutmachen und zugleich dem Antisemitismus eine zeitgemäße Rechtfertigung bieten. So kann man sich der eigenen Sünden freisprechen, während man sie weiter begeht. So kann man sich von den Verbrechen des Antisemitismus freisprechen, indem man antisemitischen Regungen folgt. Man muss nur die Existenzberechtigung des jüdischen Staats auf dem Alter der postkolonialen Selbstgerechtigkeit opfern. Die Verknüpfung des palästinensischen Todes- und Opferkults mit den Schuldgefühlen des Westens gebiert wie von selbst immer mehr Mythen über die Sünden des jüdischen Staats, gegen die alle öffentliche Diplomatie der Welt und auch die Wahrheit nichts ausrichten können. Die Versuchung ist einfach zu stark.“ (Gadi Taub: „Why Western ‚Liberals‘ So Easily Buy Into Hamas’ anti-Semitic Blood Libel“)

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