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Eine Studie über religiöse Freiheit als große Lachnummer

Eine Studie über religiöse Freiheit als große Lachnummer
Frauen im Norden Afghanistans. Laut PEW gibt es in Afghanistan ebenso viele Einschränkungen der religiösen Freiheit wie in Israel. Deutschland schneidet nur wenig besser ab. (Steve Evans, CC BY 2.0)

Das PEW Research Center mit Sitz in Washington D.C. gilt eigentlich als seriöses Meinungsforschungsinstitut. Doch eine von PEW im Juli veröffentlichte Studie über das in den Ländern der Welt herrschende Maß an religiösen Regeln und Einschränkungen lässt am Verstand der Verantwortlichen zweifeln. Israel (aber auch Spanien) verortet PEW in derselben Liga wie Afghanistan: In allen drei Ländern gebe es „große“ Einschränkungen der Religionsfreiheit durch die Regierung. Österreich und die Bundesrepublik Deutschland müssen damit zufrieden sein, dass ihnen nur „moderate“ Einschränkungen der Religionsfreiheit bescheinigt werden – damit bekommen sie das gleiche Zeugnis wie etwa Somalia und Kuba.

Die linksgerichtete israelische Tageszeitung Haaretz fasste das Ergebnis in der Schlagzeile zusammen: „Israel hat laut einem PEW-Bericht fast ebenso viele religiöse Einschränkungen wie der Iran“.

Was „gesellschaftliche Feindseligkeit“ (mit religiösem Bezug) betrifft, attestiert PEW Israel sogar eine „sehr hohe“ Punktzahl – so, wie den Bürgerkriegsstaaten Syrien, Zentralafrikanische Republik und Jemen. Deutschland und Schweden erhalten in dieser Rubrik eine „hohe Punktzahl“, während Kuba und die Republik Kongo eine „niedrige“ erhalten.

Hinweise darauf, wie die Punktzahlen ermittelt werden, liefert der Bericht kaum. Es gibt nur einen einzigen expliziten Hinweis darauf, warum PEW meint, dass es in Israel „religiöse Beschränkungen“ gebe:

„In Israel berichteten Fahrer, die in der Nähe ultraorthodoxer jüdischer Viertel am Sabbat Auto fuhren, über Schikanen durch ultraorthodoxe Anwohner, wie etwa Beleidigungen und Spucken.“

Das ist nicht schön, aber wie sieht es in der Islamischen Republik Afghanistan aus, wo ja laut PEW ähnliche Verhältnisse herrschen? Konversion vom Islam zu einer anderen Religion gilt dort als „Apostasie“. Laut der Hanafi-Rechtsschule, von der es in der afghanischen Verfassung heißt, dass sie anzuwenden ist, sofern ein Sachverhalt nicht durch die Verfassung oder Gesetz geregelt ist, soll diese mit dem Tod, Gefängnis oder dem Einzug des Besitzes bestraft werden.

Die einzige andere Erwähnung Israels im PEW-Bericht fasst Israel mit den anderen Ländern des Nahen Ostens in einer Gruppe zusammen, in der bei rechtlichen Angelegenheiten auf religiöse Institutionen oder Richtlinien Bezug genommen wird. Das stimmt. Wer in Israel heiraten will, kann dies nur nach den Regeln der jeweiligen Religionsgemeinschaft, eine standesamtliche Ehe gibt es nicht. Da aber in anderen Ländern geschlossene Ehen in Israel anerkannt werden, kann man etwa im nahegelegenen Zypern heiraten – und viele Israelis tun das (und treffen dort auf libanesische Hochzeitspaare, die ebenfalls im Ausland heiraten müssen oder wollen). Wer in Israel lebt und säkular ist, wünscht sich womöglich Standesämter und vielleicht auch Busse, die am Sabbat durch ganz Jerusalem fahren.

Was aber sind solche Einschränkungen verglichen mit denen in einigen Ländern, die PEW gleich oder besser bewertet? In Israel haben alle Bürger (und Touristen) das Recht, ihre Religion frei auszuüben. Die genannten religiösen Regeln sind (für diejenigen, die keine religiösen Juden sind) Unbequemlichkeiten, mehr nicht. In Israel wird niemand wegen Ehebruchs öffentlich ausgepeitscht, wie das in Indonesien der Fall ist. Indonesien aber bekommt auf dem Gebiet „gesellschaftliche Feindseligkeit“ eine bessere Note. Ein ebenfalls überraschender Befund: „Deutschland und Uganda“ (!) gehören laut PEW zu den Ländern mit dem „größten Anstieg gesellschaftlicher Feindseligkeit mit religiösem Bezug“. In Uganda seien Christen aus religiösen Gründen ermordet worden, so der Bericht – welche Feindseligkeit aber in Deutschland gemessen wurde, das muss der Leser raten, denn erwähnt wird es nicht.

Ob es mit den Zwangsbekehrungen zu tun hat? Die nämlich scheinen in Deutschland üblich zu sein: „Religiöse Gruppen“, so PEW, machten sich „die Angst von Flüchtlingen vor Abschiebung“ zunutze, um für den Übertritt zum Christentum zu „werben“. Weitere Anreize seien „beschleunigte Taufe“ sowie „kostenloses Mittagessen und kostenlose Beförderungsmittel“. Mit dem „kostenlosen Beförderungsmittel“ ist wahrscheinlich gemeint, dass ein Kirchenmitglied den Neuchristen bei sich im Auto mitnimmt oder die Gemeinde die Busfahrkarte bezahlt – wohl kaum ein großer Anreiz zum Religionswechsel, selbst wenn dann noch das Mittagessen dazukommt. Dass Asylbewerber aus „Angst vor Abschiebung“ zu Christen werden, ist pure Spekulation. PEW beruft sich auf eine Aussage in einem mehr als zwei Jahre alten Bericht des US-Außenministeriums, der sich wiederum auf eine Sendung von Deutschlandradio beruft, in der wohl vor Jahren mal eine solche Behauptung aufgestellt wurde. Der Beleg ist somit nichts anderes als ein Gerücht. Würden die Forscher von PEW glauben, dass etwas Wahres dran ist, hätten sie weitere Ermittlungen anstellen können. Doch eine einzige Quelle, die auf Hörensagen – und letztlich auf der Spekulation eines einzelnen Journalisten – beruht, hat ihnen gereicht. Ein weiterer Schockbefund von PEW:

„Es gab [in Europa] zudem einen Anstieg der Zahl der an Regierungen, die religiöse Kleidung regulieren (von 17 auf 20). So erließ etwa Österreich ein Verbot der Vollgesichtsverschleierung im öffentlichen Raum, das im Oktober 2017 in Kraft trat. Und in Deutschland hat das Bundesparlament Soldaten und Staatsangestellten die Vollgesichtsverschleierung verboten.“

 Wenn Soldaten in Deutschland keine Burka tragen dürfen, dann führt das zur Abwertung. Damit steht die Bundesrepublik, was von der Regierung erlassene „Einschränkungen“ betrifft, bei PEW auf derselben Stufe wie die Palästinensischen Autonomiegebiete (wo die Regierung Christen nicht vor Mobgewalt schützt), Somalia (wo die Regierung Weihnachten verboten hat) oder Libyen (einem Staat, in dem es Sklavenmärkte gibt).

Man kann in dem Bericht unzählige Beispiele dafür finden, wie PEW Staaten entweder absurd negativ einstuft (Singapur ist für PEW, was Religionsfreiheit betrifft, ebenso schlimm wie Saudi-Arabien oder die Volksrepublik China) oder absurd positiv (Weißrussland und den Vereinigten Arabischen Emiraten wird bescheinigt, weniger „gesellschaftliche Feindseligkeit“ zu haben als Finnland, Norwegen oder Kanada). Immerhin: Die lächerlich negative Einstufung Israels hat anders als bei Berichten der Vereinten Nationen sicherlich nichts mit Antisemitismus zu tun; PEW hat vielmehr allen Ländern der Welt – offenbar nach dem Zufallsprinzip – haarsträubende Bewertungen gegeben.

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