Was nicht sein darf, das kann auch nicht sein – besser gesagt: darüber wird auch nicht berichtet. Dies scheint das Motto österreichischer Medien zu sein, wenn es um Nachrichten aus dem Iran geht, die jenem ständig wiederholten Tremolo von Hoffnung, Öffnung und Reform widersprechen, das dem interessierten Publikum in den letzten Monaten in unzähligen Variationen vorgesetzt wurde.
Durch das Atomabkommen und das darauffolgende „Ende der wirtschaftlichen Isolation“ habe der „reformorientierte Präsident“ Rohani „seine Position auch innenpolitisch stärken“ können, erklärte etwa orf.at im Januar. Im Februar sprach das Ö1-Morgenjournal angesichts der Parlamentswahlen von einer „Stärkung der Reformkoalition von Präsident Rohani“.
Im März schließlich wusste die ZIB24 von einem „weiter[en] Auftrieb“ für die „reformorientierten Kräfte“ zu berichten, der im Iran vonstattengehe, obwohl sich an der Politik des Landes – wie im Bericht selbst implizit festgestellt wurde – wenig geändert habe.
Um solchen Widersprüchen zu entgehen, wählen die Medien hierzulande darum üblicherweise den oben angesprochenen Weg des Verschweigens jener Nachrichten, die nicht ins angestrengt aufrechterhaltene Bild passen.
Als weiterer Beleg für diese Methode kann die Neujahrsansprache des obersten geistlichen Führers des Iran gelten, die so gar nicht zur ständig herbeizitierten Öffnung passen wollte, die durch Rohani und sein Kabinett im Gefolge der Atomverhandlungen herbeigeführt werde.
Im Gegenteil: Khamenei, der die Letztentscheidung über alle politischen Belange im Iran innehat, kritisierte in seiner Ansprache den Präsidenten scharf und warf ihm vor, mit seiner Politik der iranischen Gesellschaft die amerikanische Denkart zu „injizieren“.
Der Oberste Führer des Iran widersprach den Ausführungen Rohanis, der in seiner Neujahrsbotschaft die iranischen Wahlen vom Februar mit dem Atomdeal in Verbindung gebracht und von einer „gemeinsamen nationalen Anstrengung“ – „Joint National Action“ im Anklang an den „Joint Comprehensive Plan of Action“ (JCPOA) – gesprochen hatte, mittels derer das Land zu „Einheit, Versöhnung und Mitgefühl“ finde.
Khamenei geißelte diese Gedanken als Übernahme amerikanischen Denkens: Es gebe Personen, sagte er in Anspielung auf Rohani, die dachten, dass der Iran einen „JCPOA 2, 3 und 4“ brauche, und die fälschlicherweise glaubten, dass die ökonomischen Probleme des Irans durch weitere Verhandlungen mit den USA gelöst werden müssten.
Dabei, so führte er weiter aus, seien es doch die Vereinigten Staaten, die das Atomabkommen nicht einhielten und so ihre fortgesetzte Feindschaft dem Iran gegenüber bewiesen. Die Frage der Sanktionen sei überhaupt nur deswegen so überproportional stark betont worden, um zu verdecken, dass der Deal mit dem Westen gewisse „rote Linien“ überschritten habe, richtete Khamenei seine Kritik direkt gegen Rohani und dessen Verhandlerteam.
Khameneis Rede stellte einen scharfen Angriff auf Rohanis Wirtschafts- und Außenpolitik dar und gipfelte in einer Ablehnung weiterer Öffnung gegenüber den Vereinigten Staaten, die mittels „iranophober Propaganda“, „Unterwanderung“ und Sanktionen den Iran in Knie zwingen wollten. Amerika sei weiterhin der Feind, da es noch immer auf die Veränderung der Islamischen Republik dränge.
Seine politische Agenda klarmachend, benannte Khamenei das kommende Jahr denn auch als „Jahr der Ökonomie des Widerstands“, in dem der Iran dafür gerüstet werden müsse, dem Druck von außen zu widerstehen: „Wenn wir der Widerstandsökonomie folgen, machen wir den Iran unverwundbar, und die Sanktionen werden uns nicht erzittern lassen.“
Die iranische Außenpolitik, konkret: die „Unterstützung Palästinas, Jemens, Bahrains und anderer unterdrückter Völker in der Region“ werde sich nicht ändern, beschloss Khamenei seine Ansprache und äußerte Genugtuung darüber, dass auch andere Länder inzwischen gelernt hätten, „Tod für Amerika“ zu rufen und US-Flaggen zu verbrennen.
[Khamenei’s] latest accusations show a particularly strong and vocal distaste for the Rouhani government’s efforts on nuclear and economic issues, which likely means that he will no longer give the president license to pursue a more conciliatory agenda at home or abroad. … Such open conflict with the Supreme Leader’s positions will make the lead-up to the June 2017 presidential election very difficult for Rouhani.
Hardliners will interpret Khamenei’s speech as another green light to escalate their attacks on the president, mainly by intensifying their criticism of the JCPOA, accusing Rouhani’s team of naivete or incompetence in implementing the resistance economy, and creating various problems for the government in different fields in order to shrink Rouhani’s social power base.
Nichts von dieser Rede, die – wie Mehdi Khalaji in seiner Analyse feststellte – nur als Beleg für die größer werdende Kluft zwischen Khamenei und Rohani zu verstehen ist, war in österreichischen Medien zu hören.
Müsste dies doch zugleich auch die grundsätzlichere Frage aufwerfen, ob ein revolutionär-antiwestliches Regime wie das iranische sich überhaupt dem verhassten Westen gegenüber öffnen kann, oder ob solche Vorstellungen letzten Endes nichts als Illusionen sind: durch deren Charakter nicht gedeckte Hoffnungen auf eine interne Transformation der Islamischen Revolution hin zur friedvollen Koexistenz.
Die Stilisierung von weniger rabiaten und freundlicher auftretenden Vertretern des iranischen Regimes zu Hoffnungsträgern wird zwar noch jedes Mal enttäuscht, wie man nicht zuletzt an Mohammad Khatami sehen könnte, der diese Rolle in den späten 1990er und frühen 2000er Jahren innehatte.
Doch wird dies wohl genauso wenig wie Khameneis Präsentation des politischen Programms für 2016 etwas daran ändern, dass angesichts des Staatbesuchs von Rohani nächster Woche in Wien einmal mehr die Frohbotschaft vom Aufschwung der „moderaten Kräfte“ die Runde machen wird, die eine Annäherung des Iran an den Westen betrieben.