Kaum Aufmerksamkeit wird den Menschen im Nahen Osten geschenkt, die froh darüber sind, dass der Terror-General Soleimani nicht weiter sein Unwesen treiben kann
Andreas Benl, Jungle Blog
Seltsam einförmig sind die Kommentare von FAZ bis taz. Zitiert werden ausschließlich die Racheschwüre von Hardlinern und ‚Reformisten‘ der Herrschenden der Islamischen Republik. Man spricht von einer „Kriegserklärung“ an „den Iran“. Ein „Volksheld“ sei Soleimani dort gewesen. In einem Land, wo die Revolutionsgarden in wenigen Tagen mit 1500 ermordeten Demonstranten unter weitgehender Absenz westlicher Berichterstattung ein Massaker veranstalteten, das die Ausmaße von Tian’anmen in Peking 1989 wohl noch übertraf.
Zahlreiche über die sozialen Medien verbreitete Posts sprechen eine andere Sprache. Die drei Tage, an denen das Regime Staatstrauer verordnet hat, sind für viele Iraner Feiertage. Masih Alinejad ist als Exilstimme der im Iran gegen die Zwangsverschleierung kämpfenden Frauen bekannt geworden. Sie hat darauf hingewiesen, dass Soleimani kein Held gewesen sei für die gewöhnlichen Iraner, die gegen die Unterstützung des Landes für Hisbollah und Hamas protestieren: „Leider verfehlen westliche Medien den Punkt, indem sie Soleimani verherrlichen – er war der gemeinsame Feind der Menschen im Iran, im Libanon, im Irak und in Syrien.“ Seine Beteiligung am Vorgehen gegen iranische Studenten Ende der neunziger Jahre sei ein weiterer düsterer Punkt in seiner Biografie.
Nicht anders das Bild in den Nachbarstaaten des Iran. Auch die Tagesschau hatte vor wenigen Tagen eine Frontstellung im Irak gegen Teheran konstatiert (ohne daraus kritische Konsequenzen zu ziehen):
„Hier Hunderttausende Otto-Normal-Iraker, die seit Monaten gegen den Iran auf die Straße gehen und deshalb von pro-iranischen Milizionären beschossen werden, dort einige Tausend bezahlte und vom Iran in Stellung gebrachte Claqueure.“
Nun kursieren Bilder von feiernden Menschen aus dem Irak – oft aus mehrheitlich schiitischen Gebieten, die doch nach hiesiger Völkerkunde natürliche Verbündete des ‚Schiitenführers‘ Soleimani sein müssten. Nicht anders ist die Situation in den Gebieten in Syrien, die nicht unter der Kontrolle von Teherans Verbündeten Assad stehen. Man erinnert sich dort daran, dass Soleimani nicht nur für Hungerblockaden in Syrien verantwortlich war. Er schloss auch wenige Tage nach dem Atomdeal 2015 ein Bündnis zur Rettung Assads mit Putins Regime, das Syrien seit Jahren in Schutt und Asche bombt. Ein Faktum, das man hierzulande anscheinend erst jetzt wahrnimmt.
In der ganzen Region, in der heute nicht Kalaschnikow-schwingende Islamisten, sondern unbewaffnete Jugendliche und Frauen das Bild der Sozialproteste prägen, gleichen sich die Szenen. Selbst aus Gaza, wo die islamistischen Herrscher von Hamas und Islamischem Djihad um ihren Finanzier Soleimani trauern, werden Freudenkundgebungen aus der Bevölkerung zum Tod des „Kriminellen Qassem Soleimani“ berichtet, der als Mörder der Menschen in Syrien und im Irak erinnert wird. (…)
Im Westen gibt es wenige Stimmen, die dieses Panorama darstellen. Es sind meistens Menschen, die den Islamismus aus eigener bitterer Erfahrung kennen. Die in den USA lebende Autorin Asra Nomani erläutert:
„Wer atmet erleichtert auf, dass General Soleimani tot ist? Dissidenten, Feministinnen und Säkularistinnen aus dem Iran, dem Irak, Syrien und dem Libanon. Er war ein schiitischer Osama bin Laden mit Staatsbudget und Flagge.“
Auszug aus dem Artikel „‚Tod eines Volkshelden‘ – Reaktionen auf das Ende von Qassem Soleimani“, der zuerst auf dem Jungle Blog erschienen ist.