Nach dem Putschversuch von 2016 entließ Erdogan nicht nur 134.000 Staatsbeamte, sondern strich ihnen auch die Sozialleistungen.

„Nach dem Putschversuch am 15. Juli 2016 baute der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan den türkischen Staat radikal um. Er verhängte den Ausnahmezustand: Per Notstandsdekret wurden bis heute 134.000 Staatsbedienstete – wie zum Beispiel Lehrer, Akademiker oder Politiker – entlassen und in vielen Fällen auch inhaftiert. Zudem ließ die türkische Regierung Vereine, Stiftungen und Medienunternehmen wegen mutmaßlichem Terrorverdachts schließen. Die Entlassungen waren für die Betroffenen oft in zweifacher Hinsicht einschneidend (…) Zum einen erhielten sie kein Gehalt mehr, zum anderen wurde ihnen die Krankenversicherung gestrichen. Staatsbedienstete, die durch das damals erlassene Notstandsdekret entlassen wurden, verloren 101 Tage nach ihrer Entlassung auch das Recht auf eine Krankenversicherung. (…)
Doch die Repressalien durch die Regierung gingen noch weiter. Türkische Staatsbürger, die sich in finanziellen Schwierigkeiten befinden, können normalerweise eine sogenannte Grüne Karte beantragen, um Sozialleistungen im Bildungs- und Gesundheitsbereich und für die Mieten zu erhalten. Doch auch diese Form sozialer Absicherung sei für Familie Dogramacioglu nicht möglich gewesen. ‚Beamte, die per Notstandsdekret entlassen wurden, werden als Terroristen oder Verräter eingestuft und erhalten daher keine Grüne Karte‘, sagt Zehra Dogramacioglu. Doch ohne Nahrungsmittel, ohne medizinische Versorgung und ohne Geld stürbe man einen langsamen Tod, sagt sich die Ärztin.
Der Politiker Ömer Faruk Gergerlioglu von der pro-kurdischen HDP verlor ebenfalls per Notstandsdekret nach dem Putschversuch seinen Job als Mediziner. Anschließend führte er gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Vertretern und Wissenschaftlern eine Studie durch, die sich mit den sozialen Entbehrungen derer befasst, die per Dekret aus ihren Ämtern gedrängt wurden. Laut dieser Studie sollen 69 Prozent der Entlassenen keine soziale Absicherung haben. 85 Prozent hätten laut der Studie psychische Probleme.“ (Gezal Acer, Deutsche Welle: „Erdogan feuerte 130.000 Beamte: Wie zahllose Türken Geld und Gesundheit verloren“)