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Ein Patriarch macht Israel zum Sündenbock

Von Stefan Frank

Ein Patriarch macht Israel zum Sündenbock
Der Patriarch der griechisch-orthodoxen Kirche in Jerusalem, Theophilos III.

Bethlehem ist an manchen Tagen ein sehr unfriedlicher Ort für Christen. Der Konvoi des Patriarchen der griechisch-orthodoxen Kirche in Jerusalem, Theophilos III., wurde am 6. Januar, dem Tag des orthodoxen Weihnachtsfestes, mit Eiern und Steinen angegriffen. Israelnetz berichtete:

„Die Autokolonne des griechisch-orthodoxen Patriarchen Theophilos III. ist am Samstag auf dem Weg von Jerusalem zu den griechischen Weihnachtsfeierlichkeiten in der Bethlehemer Geburtskirche attackiert worden. Palästinenser bewarfen die Limousinen mit Eiern und Steinen. Sie protestierten so gegen den Verkauf von griechischen Grundstücken an Juden in Israel. ‚Verrat, Palästina darf nicht verkauft werden‘, riefen die Demonstranten und hielten entsprechende Plakate hoch. Die palästinensische Polizei in Bethlehem begleitete den Konvoi und trennte zwischen den Demonstranten und den Fahrzeugen. Der Patriarch gelangte wohlbehalten, aber auf Umwegen zur Geburtskirche.“

Patriarch Theophilos III. ist eine schillernde Figur; nur wenige ahnen, wie mächtig er ist, und unklar ist, welche Ziele er verfolgt. Während er selbst in der Schusslinie antiisraelischer Gruppen steht, weil er Grundstücke an ausländische Investoren verkauft hat, geißelt er „radikale Siedler“ dafür, mit dem Erwerb von Grundstücken in Jerusalem eine „aggressive Kampagne zur Vertreibung der Nichtjuden aus Jerusalem“ zu betreiben und die „schiere Präsenz von Christen im Heiligen Land“ zu „bedrohen“.

Das alles scheint wahnhaft und widersprüchlich, ist aber möglicherweise Teil einer Marketingstrategie. Unbeschadet seiner religiösen Führungsrolle ist Theophilos III. nämlich auch Manager und Großgrundbesitzer. Aus Gründen, die in der Geschichte liegen, ist die griechisch-orthodoxe Kirche nach dem israelischen Staat der zweitgrößte Landbesitzer Israels. Selbst die Knesset, das Israel-Museum und die Residenz des Ministerpräsidenten sind auf Land errichtet, das der griechisch-orthodoxen Kirche gehört. Weil diese dringend Geld benötigte (früher ebenso wie heute), ihr der Verkauf von Kirchenland aber nach ihren eigenen Statuten untersagt war, schloss sie 1951/52 Verträge ab, in denen sie große Stücke Land in und um Jerusalem an den Jüdischen Nationalfonds JNF-KKL verpachtete – für 99 Jahre. Der JNF durfte die Grundstücke laut dem Vertrag zur Bebauung weiterverpachten oder Gebäude darauf errichten und diese vermieten. Was passiert mit den Mietern oder Käufern von Wohnungen, die auf Land erbaut sind, das der griechisch-orthodoxen Kirche gehört, nach Auslaufen der Pacht 2050/2051? Oder, wenn, wie in jüngster Zeit geschehen, dieses Land verkauft wird? Das weiß niemand so genau, die Grundstücke und Wohnungen sind mit großer Rechtsunsicherheit behaftet. Trotzdem wird schon seit Jahren mit einigen von ihnen Handel getrieben, die Käufer wetten darauf, dass ihre Verträge eines Tages vor Gericht Bestand haben werden.

Doch zurück ins Jahr 2018. Die Proteste gegen Theophilos III. entzündeten sich daran, dass er Land verkauft haben soll, angeblich an Firmen mit Sitz in Steueroasen der Karibik. Dabei soll es um Grundstücke in Jaffa, Caesarea, Tiberias und dem westlichen Jerusalem gehen.

Ein Patriarch macht Israel zum SündenbockDie Weihnachtsausschreitungen waren von langer Hand geplant. Schon am 23. Oktober hatte die Website Al-Monitor berichtet, dass – angeblich kircheninterne – Gegner Proteste gegen Theophilos III. planten. Eine sogenannte „griechisch-orthodoxe Opposition“  habe vor, in der Vorweihnachtszeit und während der Feiertage gegen den Patriarchen zu demonstrieren und dessen Besuch von Kirchen im Westjordanland zu verhindern.

Dazu sollte man wissen, dass die 120.000 Mitglieder des griechisch-orthodoxen Patriarchats von Jerusalem – das sich über Israel, die Palästinensischen Autonomiegebiete und Jordanien erstreckt – zum größten Teil Araber sind; die „Bruderschaft vom Heiligen Grab“, die die Heiligen Stätten verwaltet und aus deren Reihen der Patriarch von Jerusalem gewählt wird, jedoch fast ausschließlich aus Griechen besteht. Al-Monitor zitierte in dem genannten Artikel einen der Wortführer der Gegner Theophilos III., Alif al-Sabbagh, der auch als Mitglied im Arabisch-Zentral-Orthodoxen Rat Palästinas und Jordaniens vorgestellt wurde. Er sagte:

„Die Bewegung gegen den Patriarchen wird weitergehen und ihren Höhepunkt über Weihnachten erreichen. Dann werden wir es dem Patriarchen nicht erlauben, einen Fuß in die Geburtskirche zu setzen. Anstelle der griechischen werden wir die palästinensische Flagge über der Geburtskirche und den griechisch-orthodoxen Kirchen unter palästinensischer Souveränität hissen. Bei den letzten Weihnachtsfeiern haben wir erlaubt, dass der Patriarch die Kirche betrat, nachdem Präsident Abbas interveniert hatte, aber dieses Jahr werden wir keine Intervention dulden.“

Es klingt, als hätte Theophilos III. Grund, sich Sorgen zu machen, dass demnächst noch gefährlichere Gegenstände als Eier und Steine auf ihn geworfen werden könnten. Das erklärt vielleicht, warum just an dem Wochenende, als es ihm in Bethlehem so übel erging, ein Beitrag von ihm in der britischen Tageszeitung The Guardian erschien, in dem er auf „radikale Siedler“ schimpfte, die sich angeblich Grundstücke unter den Nagel reißen wollten, um Nichtjuden aus Jerusalem zu vertreiben. In dem Artikel mit dem Titel „Christen droht die Vertreibung aus dem Heiligen Land“ behauptet Theophilos III., den Christen, die seit zweitausend Jahren – angeblich immer ungestört – in Jerusalem lebten, drohe nun die Vertreibung durch „radikale Siedler“, diese bedrohten den „Status quo“.

Ein Patriarch macht Israel zum Sündenbock
Adam Levick

Adam Levick, der Leiter der Medienbeobachtungsstelle UK Media Watch, hat eine ausführliche Erwiderung geschrieben, in der er „fünf Lügen“ in dem Artikel bloßstellt. So behauptet Theophilos III. etwa, der Status quo werde durch „radikale Siedler“ bedroht. Sie versuchten, so Theophilos III., „Kontrolle über Grundstücke in der Nähe des Jaffa-Tores zu erlangen. Die fraglichen Grundstücke liegen im Herzen von Jerusalems christlichem Viertel, dem Sitz aller Patriarchate und der Hauptquartiere der Kirchen und weniger als 500 Meter von der Grabeskirche entfernt.“

Der Patriarch erwähnt interessanterweise mit keinem Wort, dass die von ihm kritisierten Grundstücksverkäufe von seinem eigenen Vorgänger, Irenaios I., veranlasst wurden. Auch diese Grundstücke gehörten nämlich niemand anderem als dem griechisch-orthodoxen Patriarchat. Wie Levick richtig ausführt, ist überhaupt nicht ersichtlich, inwiefern dadurch der Status quo bedroht werden sollte; mit dem Status quo ist der freie Zugang aller Religionsgemeinschaften (einschließlich der Christen) zu ihren heiligen Stätten gemeint. Israel hat dies immer garantiert und wird es auch in Zukunft tun. Jordanien hingegen hat in den 19 Jahren seiner Besatzung der Jerusalemer Altstadt Christen nur eingeschränkten Zugang dorthin gewährt, Juden gar keinen: Jerusalems Juden wurden aus der Altstadt vertrieben, die Synagogen zerstört. Auch in den Jahrhunderten des Osmanischen Reichs durften Nichtmuslime den Tempelberg nicht betreten. Darüber sieht Theophilos III. ebenso hinweg wie über die tatsächlich den Status quo bedrohenden Aktivitäten der UNESCO, welche jeglichen Bezug der Juden zu Jerusalem leugnet – den in seinem Artikel zu erwähnen der Patriarch vergisst, der Jerusalem nur als „das Herz des Christentums“ bezeichnet.

Ginge es Theophilos III. wirklich um das Wohl der Christen im Heiligen Land, bräuchte er sich um den Teil, der im Staat Israel lebt, keine Sorgen zu machen. Während die Zahl der Christen in Israel seit der Staatsgründung 1948 immer weiter gewachsen ist und die Christen dort völlige Religionsfreiheit genießen, sind die Christen in Jordanien Gewalt und Schikanen ausgesetzt. Und wie es in den Palästinensischen Autonomiegebieten aussieht, hat Theophilos III. ja diesen Monat am eigenen Leib erfahren.

Wie passt dazu, dass er ausgerechnet gegen Israel hetzt, statt die Gewalttäter zu rügen, die ihm an den Kragen wollen? Er hofft vielleicht, den Zorn, den es wegen der von ihm verkauften Grundstücke gibt, von ihm selbst abzulenken – auf Israel und „radikale Siedler“. Sollte er in den nächsten Jahren weitere Grundstücke verkaufen, ist zu erwarten, dass er dies dadurch „ausbalancieren“ wird, dass er seine Angriffe auf Israel verstärkt. Dass diese Rechnung aufgeht, ist aber zweifelhaft: Unter denen, die an Weihnachten Steine und Eier geworfen haben, werden viele sein, die gar nicht den Guardian lesen. Für sie bleibt er ein Verräter, mag er auch noch so viele antiisraelische Kommentare schreiben.

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