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Ein neuer Hoffnungsträger (zweites Update)

Sehr geehrte Redaktion von derStandard.at,

heute veröffentlichten Sie eine Replik von Michael Bröning auf meinen „Kommentar der Anderen“, der am 2. April in der Standard-Printausgabe erschienen ist. Bröning wirft mir darin vor, ich würde eine „Nahostanalyse mit Scheuklappen“ betreiben, „abgestandene Rhetorik“ präsentieren und die „komplexe Wirklichkeit“ der Region nicht zur Kenntnis nehmen. Der inhaltlichen Auseinandersetzung hätte er einen größeren Gefallen getan, wenn er, statt solch pauschale Angriffe zu reiten, Antworten auf die Kritik gegeben hätte, die ich an seinem Beitrag über den „Richtungsstreit in der Hamas“ (Standard, 31. März 2012) formuliert habe. Erlauben Sie mir dennoch, auf einige Punkte seiner Replik einzugehen.

Ich habe an Brönings Text in der Tat beanstandet, dass gewisse Passagen darin schlicht unlogisch sind. Um dies anhand eines Beispiels aus der österreichischen Politik zu illustrieren: Hätte hierzulande im Winter 1993 jemand behauptet, der Austritt Heide Schmidts und vier anderer Mandatare aus der FPÖ sowie die Gründung des Liberalen Forums wären ausgerechnet ein Beweis für die Stärkung des liberalen Lagers in der FPÖ gewesen, so wäre dies völlig zu Recht als unlogische Interpretation verworfen worden.

Doch genau so argumentiert Bröning im Hinblick auf die Hamas. Hier noch einmal die relevante Passage über Khaled Meshaal, den Chef des Hamas-Politbüros: „Er könnte als Anführer eines neu gegründeten palästinensischen Ablegers der Muslimbruderschaft wieder auftauchen oder als Chef einer neuen islamistischen Partei unter dem Dach der Palästinensischen Befreiungsorganisation. Eine solche Fusion der Hamas mit etablierten palästinensischen Organisationen würde die formelle Akzeptanz der Hamas für eine Zweistaatenlösung bedeuten“. [Hrvg. von mir, F.M.]

Obwohl das Argument sehr einfach ist, weigert sich Bröning, es zur Kenntnis zu nehmen: Wenn Meshaal Chef einer neuen Partei würde, wäre er nicht mehr Teil der Hamas. Was auch immer er dann tun würde, er würde es eben nicht mehr als Vertreter der Hamas tun. Deshalb wäre dies auch weder eine „Fusion der Hamas mit etablierten palästinensischen Organisationen“, noch würde es etwas über die Haltung der Hamas zur Zweistaatenlösung aussagen. Formal gesehen sieht Brönings Argumentation so aus:

B spaltet sich von A ab.
B koaliert mit C bzw. B ist mit C einverstanden
Daraus folgt, dass A mit C koaliert bzw. A mit C einverstanden ist.

Hier geht es nicht um differenzierte politische Interpretationen, sondern um simple Logik, und was Bröning uns hier zu verkaufen versucht, ist mühelos als klassischer Fehlschluss zu erkennen und als solcher, ich bleibe dabei, rational nicht nachvollziehbar.

Falsch ist darüber hinaus Brönings Behauptung, ich hätte in diesem Zusammenhang „als Beleg“ für meine Kritik einen seiner älteren Beiträge über die Hamas zitiert. Auf diesen älteren Text habe ich hingewiesen, um davor zu warnen, dass Bröning vor wenigen Jahren mit Ismail Haniyeh genau jenen Mann als Reformer präsentiert hat, den er jetzt als Inbegriff eines Hardliners darstellt. Hätte der Westen damals auf Brönings Ratschlag gehört und wäre mit Haniyeh eine Kooperation eingegangen, hätte er einen schweren Fehler begangen. Das sollte man sich vor Augen halten, wenn Bröning nun erneut einen „Reformer“ aus den Reihen der Hamas zum „Hoffnungsträger“ erklärt.

„Für Markl“, schreibt Bröning weiter, „findet der Arabische Frühling ebenso wenig statt wie ein Machtkampf in der Hamas – er erwähnt beide mit keiner Silbe.“ Dass ich nicht vom „Arabischen Frühling“ spreche, ist wahr, denn ich halte das für eine äußerst schlechte Bezeichnung für die Vorgänge der letzten rund eineinhalb Jahre. Was hingegen den Machtkampf in der Hamas betrifft, so verweise ich auf meinen in der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift NU erschienen Beitrag „Die Krise der Hamas“. (NU, Nr. 47, 1/2012)

Zu guter Letzt sei noch der Hinweis gestattet, dass ich nicht für eine „Medienbeobachtungsstelle Jerusalem“ arbeite, wie Bröning mehrfach behauptet, ich mich aber Spekulationen darüber enthalten möchte, wie diese Fehlleistung zustande kam.

Mit freundlichen Grüßen,
Mag. Florian Markl
Medienbeobachtungsstelle Naher Osten (MENA)

 

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