
Sind die Konsequenzen der ‚Intersektionalität’ je präziser zum Ausdruck gebracht worden als in dem Ausschluss jüdischer Lesben vom Dyke March? (…) In der Praxis fungiert Intersektionalität als eine Art Kastensystem, in dem Menschen danach beurteilt werden, wie viel ihre jeweilige Kaste im Lauf der Geschichte gelitten hat. Im intersektionalen Weltbild kommt Opfertum dem Heiligenstatus gleich. Macht und Privilegien sind profan. Nun könnte man meinen, dass auch dem jüdischen Volk – das sich im In– und Ausland mit einer neuen Welle des Antisemitismus konfrontiert sieht – der Opferstatus zukommt. Doch dem ist nicht so. Warum? In erster Linie wegen des jüdischen Staats Israel, in dem fortschrittliche Kräfte heutzutage nur ein Instrument zur Unterdrückung der Palästinenser erblicken. Dass Israel sich wiederholt bemüht hat, den Forderungen der Palästinenser mit einem friedlichen Kompromiss Rechnung zu tragen, und die fortschrittlichen Kräfte kein anderes Land nach denselben Maßstäben beurteilen, tut dem keinen Abbruch. China mag die Buddhisten in Tibet und die Muslime in Xinjiang brutal unterdrücken und dem Rest seiner 1,3 Milliarden Bürger elementare Grundrechte verweigern, doch dazu haben ‚bewusste’ Aktivisten, die die Intersektionalität propagieren, nichts zu sagen. (…) Man sollte die Bedeutung eines unschönen Vorfalls auf einer einzigen Demo vielleicht nicht überbewerten, aber Juden sollten sich angesichts dessen, was in Chicago passiert ist, an den Gedanken gewöhnen, dass sie im Kreise der fortschrittlichen Kräfte nicht so gern gesehen sind, wie sie vielleicht denken. Für diese Warnung sollten wir dankbar sein, so sehr der Vorfall uns auch daran erinnert, dass der Antisemitismus in der radikalen Linken ein ebenso großes Problem darstellt wie unter Rechtextremisten.“ (Bari Weiss: „I’m Glad the Dyke March Banned Jewish Stars“)







