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Ehemaliger CIA-Chef entdeckt angeblichen „Staatsterrorismus“ Israels

War die Liquidierung eines Brigadegenerals der Revolutionsgarden des iranischen Regimes ein Akt des "Staatsterrorismus"? (© imago images/ZUMA Wire)
War die Liquidierung eines Brigadegenerals der Revolutionsgarden des iranischen Regimes ein Akt des "Staatsterrorismus"? (© imago images/ZUMA Wire)

War die Liquidierung eines Brigadegenerals der iranischen Revolutionsgarden ein Akt der Selbstverteidigung oder „Staatsterrorismus“?

„Es gibt nichts im Völkerrecht, das den Einsatz von ferngesteuerten Fluggeräten [in Ausübung des Rechts auf Selbstverteidigung] untersagt oder es verbietet, tödliche Gewalt gegen unsere Feinde außerhalb des aktiven Schlachtfeldes anzuwenden, zumindest wenn das involvierte Land diesem Einsatz zustimmt oder aber nicht in der Lage oder nicht willens ist, gegen die Bedrohung vorzugehen.“

Diese Worte stammen nicht von einem Vertreter Israels, sie wurden nicht Ende November 2020 geäußert und sie waren keine Reaktion auf die in diesen Tagen oft zu vernehmende Vermutung, Israel stünde hinter der Liquidierung von Mohsen Fakhrizadeh, seines Zeichens Brigadegeneral der iranischen Revolutionsgarden und zentrale Figur bei den iranischen Bemühungen um die Entwicklung von Atomwaffen. Die Äußerungen stammen vielmehr von John O. Brennan, dem damaligen Antiterror-Berater von US-Präsident Barack Obama und späteren CIA-Direktor, der im April 2012 tödliche Drohneneinsätze im Zuge des Kriegs gegen den Terror gegen Einwände verteidigte, diese würden gegen internationales Recht verstoßen.

Hören wir zu, wie Mr. Brennan die Vorzüge dieses Kampfmittels hervorstrich:

„Gezielte Schläge genügen dem Prinzip der Notwendigkeit und dem Erfordernis, dass das Ziel einen eindeutigen militärischen Wert hat. In diesem bewaffneten Konflikt sind Personen, die Teil der al-Qaida oder der ihr angeschlossenen Kräfte sind, legitime militärische Ziele.“

Der Einsatz von bewaffneten Drohnen stelle besser als andere militärische Mittel sicher, dass zwischen militärischen Zielen und Zivilisten unterschieden werden könne:

„Angesichts der beispiellosen Fähigkeit ferngesteuerter Flugzeuge, ein militärisches Ziel präzise anzuvisieren und gleichzeitig Kollateralschäden zu minimieren, könnte man argumentieren, dass es noch nie eine Waffe gab, die es uns ermöglicht, effektiver zwischen einem al-Qaida-Terroristen und unschuldigen Zivilisten zu unterscheiden.

Gezielte Schläge entsprechen dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit, d.h. der Vorstellung, dass der erwartete Kollateralschaden einer Aktion im Verhältnis zu dem erwarteten militärischen Vorteil nicht übermäßig groß sein darf. Wenn man einen einzelnen Terroristen oder eine kleine Anzahl von Terroristen mit Munition ins Visier nimmt, die so angepasst werden kann, dass andere in der unmittelbaren Umgebung nicht geschädigt werden, ist es schwierig, sich ein Werkzeug vorzustellen, mit dem das Risiko für die Zivilbevölkerung besser minimiert werden kann.“

Brennan charakterisierte Drohnenschläge als „klug“, da sie in der Lage seien, geographische Hürden zu überwinden und die Gefahr für eigene Soldaten zu minimieren oder gänzlich auszuschalten. Zusammenfassend stellte er fest:

„Wir führen gezielte Schläge durch, weil sie notwendig sind, um eine bestehende andauernde Bedrohung zu mildern, Anschläge zu vereiteln, zukünftige Angriffe zu verhindern und amerikanische Leben zu retten.“

Beim Fall Fakhrizadeh …

Was genau am 27. November in der Nähe von Teheran geschehen ist, bleibt unklar. Frühen iranischen Berichten zufolge soll der Konvoi, in dem der Brigadegeneral der Revolutionsgarden Mohsen Fakhrizadeh unterwegs war, zuerst durch die Explosion einer Autobombe zum Stehen gebracht und anschließend von mehreren Angreifern unter Feuer genommen worden sein. Beim anschließenden Schusswechsel sollen auch einige der Angreifer getötet worden sein.

In Widerspruch zu diesen Berichten behauptet das iranische Regime mittlerweile, der Angriff auf Fakhrizadeh sei mit einer per Satellit ferngesteuerten Waffe erfolgt, auf deren Überresten man ein Logo und andere Beschriftungen gefunden habe, die der „israelischen Militärindustrie“ zuzuordnen seien. Ali Shamkhani, der Vorsitzende des obersten nationalen Sicherheitsrates, behauptete: „Diesmal wandte der Feind eine völlig neue, professionelle und ausgeklügelte Methode an“. Kein Angreifer sei persönlich vor Ort gewesen.

Was auch immer sich im Detail abgespielt hat, in einem Punkt besteht keinerlei Unklarheit: in der Reaktion von John Brennan auf den Vorfall. Via Twitter erklärte er: „Ich weiß nicht, ob eine ausländische Regierung den Mord an Fakhrizadeh autorisiert oder ausgeführt hat. Ein solcher Akt des Staatsterrors wäre ein eklatanter Verstoß gegen das Völkerrecht“. Und in einem weiteren seiner Tweets war zu lesen: „Dies war eine kriminelle Handlung & hoch fahrlässig.“

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Ruft man sich in Erinnerung, wie lautstark Brennan einige Jahre zuvor nicht nur die Rechtmäßigkeit, sondern sogar die besondere Klugheit von gezielten Drohnenschlägen gepriesen hat, kann man sich über seine aktuellen Tweets nur wundern. Die Frage drängt sich auf: Worin sollen die Unterschiede bestehen, die amerikanische Drohnenschläge gegen al-Qaida-Terroristen in Afghanistan oder im Jemen legitim machten, vermutliche gezielte Angriffe durch Israel aber zu „Staatsterror“ verkommen lassen sollen?

… gelten andere Regeln

Im Recht auf Selbstverteidigung kann der Unterschied nicht liegen: Die USA haben in ihrem Krieg gegen Terror zwar auch prominente Feinde liquidiert, allen voran natürlich Osama bin Laden, aber von ihren zahlreichen Drohnenangriffen waren in der Regel weit rangniedrigere Terroristen betroffen. Gegenstand der Angriffe im Iran war im Gegensatz dazu nicht das Fußvolk der Revolutionsgarden, sondern im Visier standen deren hochrangige Führer: Anfang des Jahres war es der Chef der für Auslandsoperationen zuständigen Quds-Brigaden Qasem Soleimani, die wohl wichtigste Figur bei der Umsetzung des iranischen Expansionsstrebens in der Region, und jetzt eben mit Mohsen Fakhrizadeh ein weiterer hochrangiger Gardist, der nicht nur als „Vater des iranischen Atombombe“ bezeichnet wurde, sondern auch maßgeblich am iranischen Raketenprogramm beteiligt war.

Wenn von einem al-Qaida-Terroristen im Jemen aus Brennans Sicht eine ausreichende Gefahr für die USA ausging, um im Rahmen des Rechts auf Selbstverteidigung einen Drohnenangriff zu legitimieren, so müsste das umso mehr für eine israelische Aktion gegen einen Mann gelten, der im Dienste des Regimes, das Israel regelmäßig mit Vernichtung droht, daran arbeitet, die technischen Mittel bereitzustellen, um diese Drohungen auch umsetzen zu können.

Am militärischen Vorteil, den die Liquidierung Fakhrizadehs bietet, gibt es keinen Zweifel: Die nukleare Bewaffnung des iranischen Regimes, an der er arbeitete, stellt für Israel eine existenzielle Bedrohung dar. Der Mann selbst spielte, laut der Einschätzung des ehemaligen Chefs des israelischen Armeegeheimdienstes Amos Yadlin, eine so wichtige Rolle im iranischen Atomwaffenprogramm, dass er nur sehr schwer ersetzbar sei.

Nach allem, was bisher als bekannt angenommen werden kann, wurde auch die Verhältnismäßigkeit gewahrt: Wenn überhaupt, so wurden nur wenige Zivilisten durch den Angriff auf den Konvoi beeinträchtigt. Und Brennans Begründung von Drohneneinsätzen mit der Absicht, Gefahren abzuwenden sowie künftige Angriffe zu vermeiden und Leben zu retten, trifft auf die Ausschaltung von Soleimani und Fakhrizadeh allemal zu.

Zweierlei Maß

Was also stört Brennan so ungemein am mutmaßlichen israelischen Vorgehen, dass er von „Staatsterrorismus“ spricht? Die Antwort darauf findet sich in einem weiteren seiner Tweets. Darin ist zu lesen, „Mordanschläge“ gegen Leute wie Fakhrizadeh

„unterscheiden sich deutlich von Anschlägen auf Terroristenführer und Mitglieder von Gruppen wie al-Qaida und dem Islamischen Staat, die keine souveränen Staaten sind. Als illegitime Kämpfer nach dem Völkerrecht können sie zur Zielscheibe gemacht werden, um tödliche Terroranschläge zu verhindern.“

Aus der Sicht Brennans besteht der Unterschied also darin, das es sich bei Fakhrizadeh im Gegensatz zu Osama bin Laden, Mullah Omar oder Abu Bakr al-Baghdadi nicht um einen illegalen Kombattanten, sondern um einen „ausländischen Offiziellen“ gehandelt habe.

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Um zu dieser Bewertung zu gelangen, muss Brennan freilich darüber hinwegsehen, wer Fakhrizadeh war und was er getan hat: Er war nicht einfach ein irgendwie „ziviler“ Vertreter des iranischen Staates, sondern, wie Daniel Pomerantz betont,

„ein militärischer Offizier, der – oft von Militärbasen aus – an der Spitze eines militärischen Nuklearwaffenprogramms stand, im Auftrag eines Regimes, das in weitreichende militärische Feindseligkeiten involviert ist.“

Die von Brennan propagierte Vorstellung vom Völkerrecht sieht also so aus: Ein irregulärer Kämpfer einer Terrororganisation kann als nicht-staatlicher Akteur ein legitimes militärisches Ziel darstellen. Anders ein Brigadegeneral der iranischen Revolutionsgarden – die von den USA übrigens seit April 2019 in ihrer Gesamtheit als „ausländische terroristische Organisation“ eingestuft werden. Der soll kein legitimes militärisches Ziel sein, obwohl er mit den Ressourcen eines der wichtigsten staatlichen Terrorunterstützer weltweit ausgestattet an der Entwicklung von atomaren Waffen sowie den dafür erforderlichen Raketenträgersystemen arbeitet – und damit eine weit größere Bedrohung darstellt, als ein al-Qaida-Terrorist in den Höhlen von Tora Bora oder einem Unterschlupf im pakistanischen Abbottabad je eine sein könnte.

Bei aller richtigen Kritik an Donald Trump: Die Aussicht, dass in den USA unter dem künftigen Präsident Biden im Januar nächsten Jahres wieder Leute vom Schlage eines John Brennan an die Macht kommen könnten, die legitime Akte der Selbstverteidigung als „Staatsterrorismus“ diffamieren, während sie die Akteure des tatsächlichen Staatsterrorismus unter den Schutz eines missverstandenen Völkerrechts stellen, macht nicht unbedingt zuversichtlich.

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