Dschihadisten haben in Burkina Faso Tausende Menschen getötet und mehr als zwei Millionen vertrieben, was die Stabilität des Landes weiter bedroht.
Uzay Bulut / Charles Jacobs
Mindestens fünfhundert Menschen wurden am 27. August in der Zentralregion von Burkina Faso getötet, als Dschihadisten das Feuer auf Zivilisten eröffneten, die dabei waren, Verteidigungsgräben auszuheben. Hunderte von Verwundeten wurden in medizinische Einrichtungen gebracht. Eine Frau, die das Massaker überlebte, beschrieb das Grauen, als sie unter den Leichen nach ihren Brüdern suchte. Die Kämpfer, erzählte sie in einem Interview der Nachrichtenagentur Reuters, kamen gegen zehn Uhr morgens und begannen, auf Soldaten und Zivilisten zu schießen. Sie hörten erst auf, als im Laufe des Tages Drohnen auftauchten. Drei Tage habe es gedauert, bis die Überlebenden, vorwiegend Frauen und Kinder, alle Leichen eingesammelt hatten.
Vergessenes Land
Burkina Faso ist ein mehrheitlich muslimisches Binnenland in Westafrika. Von seinen 21 Millionen Einwohnern sind fünf Millionen Christen. Das Land war früher eine französische Kolonie und erlangte 1960 als Obervolta seine Unabhängigkeit. Der Name Burkina Faso, der »Land der unbestechlichen Menschen« bedeutet, wurde 1984 angenommen. Im Jahr 2015 begannen Dschihadisten einen Aufstand gegen die säkulare Regierung und versuchten, einen islamistischen Staat zu errichten. Sie verübten zahlreiche Angriffe auf christliche Gemeinden, um diese zu eliminieren, ihre Kirchen zu zerstören und die Überlebenden zur Flucht zu zwingen.
Vergewaltigungen sind eine gängige Methode, um christliche Gemeinschaften anzugreifen. Frauen und Mädchen werden ständig mit dem Tod bedroht und missbraucht und junge Mädchen oft zwangsverheiratet. Zudem besteht für Frauen und Mädchen ein besonders hohes Risiko, verschleppt zu werden, wie zum Beispiel im Jahr 2022 die 83-jährige amerikanische Nonne Suellen Tennyson bei einem nächtlichen Überfall von einer bewaffneten Gruppe in der Stadt Yalgo entführt wurde.
Dschihadisten haben in Burkina Faso Tausende Menschen getötet und mehr als zwei Millionen vertrieben, was die Stabilität des Landes weiter bedroht. Die islamischen Milizen greifen auch immer wieder Wasserquellen an. Nach Angaben des Norwegischen Flüchtlingsrats (NRC) ist die Massenflucht in Burkina Faso die am meisten vernachlässigte Krise der Welt. Hinzu kamen im Jahr 2022 innerhalb von nur acht Monaten zwei Putsche mit dem Ziel, die dschihadistische Bedrohung zu bekämpfen, doch deren Massaker gehen weiter.
So wurden letzten November mindestens vierzig Zivilisten von Rebellen getötet, die mit der terroristischen Al-Qaida verbunden sind und versuchten, die Kontrolle über eine Stadt in der schwer betroffenen nördlichen Region des Landes zu übernehmen. Bei dem Angriff wurden 42 Menschen verwundet und drei Zentren für Binnenvertriebene in Brand gesetzt. Die Milizen kontrollieren inzwischen etwa vierzig Prozent des Landesgebiets.
Zu den militanten islamischen Gruppen gehören Jamaat Nusrat al-Islam wal Muslimeen (JNIM), Islamischer Staat Westafrika Provinz (ISWAP), Islamischer Staat Großsahara (ISGS), Al-Qaida im Islamischen Maghreb (AQIM), al-Murabitoun, Ansar Dine und Boko Haram.
Islamistischer Aufstand
In Burkina Faso dominieren die Muslime in den nördlichen und östlichen Teilen des Landes, während die christlichen Gemeinschaften in den zentralen und südlichen Regionen konzentriert sind. Anhänger traditioneller afrikanischer Religionen, die weder christlich noch muslimisch sind, finden sich vor allem im Süden.
Gemäß der Verfassung von 2012 garantiert Burkina Faso das Recht des Einzelnen, seine Religion frei zu wählen, auszuüben und zu wechseln. Dennoch haben Dschihadisten das Land zunehmend islamisiert, indem sie der Bevölkerung die Scharia auferlegt haben.
Das US-Außenministerium berichtete im Jahr 2022: »Gewalttätige extremistische Organisationen setzten ihre Ideologie und ihre Auslegung des islamischen Rechts in der Region durch, indem sie bei Nichteinhaltung Gewalt androhten. So zwangen die Angreifer beispielsweise die Mitglieder der Gemeinden im Norden des Landes, eine bestimmte ›islamische‹ Kleidung zu tragen, während Beobachter feststellten, dass Ähnliches auch in anderen Gebieten des Landes geschah. Medienberichten zufolge schlossen und verbrannten Terroristen Schulen und töteten Lehrer, weil sie einen säkularen Lehrplan verwendeten und auf Französisch statt auf Arabisch unterrichteten.«
Der seit neun Jahren andauernde Aufstand hat zu einer katastrophalen humanitären Lage geführt. Millionen von Menschen sind von Ernährungsunsicherheit, Vertreibung und eingeschränktem Zugang zu lebenswichtigen Dienstleistungen betroffen. »Der anhaltende Konflikt und die Instabilität haben die Landwirtschaft, den Handel und die Investitionen gestört und damit das Wirtschaftswachstum und die Entwicklungsaussichten der Bevölkerung beeinträchtigt«, meldete die Organisation Open Doors, welche die Verfolgung von Christen auf globaler Ebene beobachtet.
Die Dschihadisten erzwangen auch die Schließung von Schulen, wie der NRC im Jahr 2023 berichtete: »Mehr als eine Million Kinder in Burkina Faso sind derzeit von Schulschließungen betroffen; im Februar 2023 waren 6.134 akademische Einrichtungen geschlossen, ein Anstieg von über vierzig Prozent seit dem Ende des letzten Schuljahrs. Nahezu jede vierte Schule im Land ist aufgrund der grassierenden Unsicherheit und Gewalt außer Betrieb.«
Der für Burkina Faso zuständige Landesdirektor von Unicef, dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, John Agbor, schilderte die Auswirkungen dieser Schließungen: »Kinder, die nicht zur Schule gehen, sind eher gezwungen zu arbeiten, werden von bewaffneten Gruppen rekrutiert oder Opfer von sexuellem Missbrauch und Ausbeutung, geschlechtsspezifischer Gewalt oder Frühverheiratung.« In diesem allgemeinen Klima der Feindseligkeit ist die christliche Minderheit die am meisten gefährdete und verfolgte Gruppe. Nach Angaben von Open Doors sind sie das Hauptziel von Angriffen: »Die christliche Gemeinschaft in Burkina Faso befindet sich in einer schweren Krise, da die Dschihadisten ihre Präsenz auslöschen wollen, was zu einer weit verbreiteten Überwachung, Behinderung und Zerstörung von Kirchen, Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen führt.«
Gefahr für Christen
Im Jahr 2023 wurden beispielsweise über tausend Kirchen, öffentliche christliche Einrichtungen (Schulen, Krankenhäuser, Friedhöfe usw.), Häuser, Geschäfte und Unternehmen angegriffen, beschädigt, bombardiert, geplündert, zerstört, niedergebrannt, geschlossen oder aus Glaubensgründen beschlagnahmt, so Open Doors. Etwa hundert Christinnen wurden vergewaltigt oder anderweitig sexuell belästigt und viele aus Glaubensgründen körperlich oder seelisch einschließlich Schlägen und Todesdrohungen misshandelt.
Open Doors beschreibt im Detail, wie Christen bedroht werden: Männer und Jugendliche werden verletzt, zwangsrekrutiert oder als Geiseln genommen, um Lösegeld zu erpressen. Dies führt zu Angst und Traumata in den christlichen Gemeinschaften sowie zu wirtschaftlichen und sozialen Problemen, da die Männer in der Regel die Familien versorgen.
Auch Kirchenführer, bei denen es sich in der Mehrzahl um Männer handelt, sind ins Visier militanter Gruppen geraten. Berichten zufolge wurde eine unbekannte Zahl von Pastoren und deren Familien entführt und befinden sich weiterhin in Gefangenschaft. Andere wurden vor den Augen ihrer Familien hingerichtet.
Die Durchsetzung der Scharia durch dschihadistische Gruppen macht den Besitz von christlichen Schriften und Gegenständen extrem gefährlich. Diese Bedrohung hat viele gezwungen, entweder ihren Glauben zu verbergen oder in Lagern für Binnenvertriebene Zuflucht zu suchen.
Diese Angriffe können laut Open Doors als »gewaltsame Versuche der Islamisierung des Landes« angesehen werden: »Burkina Faso ist ein Land, in dem die islamische Radikalisierung zunimmt. Die Randgebiete des Landes stehen unter dem Einfluss militanter Islamisten, und in den Moscheen und Madrassas werden radikale Versionen des sunnitischen Islams gelehrt, sodass auch Sufi-Muslime bedroht sind. In diesen Gebieten gibt es keinen Platz für religiöse Minderheiten. Es wurde sogar berichtet, dass Lehrer gezwungen wurden, Koranunterricht zu erteilen, da sie sonst mit Konsequenzen zu rechnen hätten. Dies macht auch den gemäßigten Muslimen das Leben schwer.«
Burkina Faso ist nicht das einzige afrikanische Land, das vom Dschihad terrorisiert wird. Auch in anderen afrikanischen Ländern wie Nigeria, Sudan, Mali, der Zentralafrikanischen Republik, Somalia, Libyen, Niger, Kamerun, Mosambik und anderen gibt es ähnliche Repression, Verfolgungen und Morde. In diesen Ländern werden Christen und gemäßigte Muslime von Dschihadisten, die Scharia-Regime errichten wollen, angegriffen, schwer verletzt oder massakriert. Der Dschihad in Afrika hat zur Vertreibung von Millionen von Menschen geführt, die ihre Heimat und ihre Lebensgrundlage verloren haben. Millionen von Afrikanern leiden derzeit unter der Gewalt der Dschihadisten.
Die drängendste Frage in diesem Zusammenhang ist: Warum zeigen die Vereinten Nationen, die westlichen Medien und die humanitären Aktivisten keinerlei Besorgnis über diese Entwicklung?
Uzay Bulut ist türkische Journalistin, die früher in Ankara lebte, und leitende Wissenschaftlerin der African Jewish Alliance. Charles Jacobs ist Mitbegründer des Jewish Leadership Project. (Der Text erschien zuerst auf Englisch beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)