Die im Westjordanland gelegenen Städte Dschenin und Tulkarem gelten als Terrorhochburgen, von denen aus Israel nach wie vor akut bedroht und angegriffen wird.
Hanan Greenwood
Ein paar Dutzend Kilometer von Tel Aviv entfernt, jenseits der Sicherheitsbarriere zwischen Israel und dem Westjordanland, aber direkt an der Trans-Israel-Autobahn gelegen, liegt die Stadt Tulkarem. Seit dem 7. Oktober 2023 finden hier immer wieder Kämpfe zwischen den Israelischen Verteidigungsstreitkräften (IDF) und Terroristen in den Lagern auf beiden Seiten der Stadt – Nur a-Shams und dem Tulkarem-Lager – statt. Vor etwa einem Jahr versuchten Terroristen aus diesen Lagern, Raketen auf Zentralisrael abzufeuern und planten Angriffe, die dem von der Hamas angeführten Angriff vom 7. Oktober 2023 aus dem Gazastreifen ähnelten.
Etwa eine Autostunde nördlich befindet sich der weit bedeutendere Krisenherd. Das Dschenin-Lager ist eine Art extremistischer Slum im Herzen einer schönen Stadt, die bis zum aktuellen Gaza-Krieg ein attraktives Ziel für palästinensische und israelisch-arabische Universitätsstudenten war.
Nicht weit von der Arab American University entfernt toben nun allerdings seit fast zwei Jahren Kämpfe zwischen einem der Terror-Bataillone und Sicherheitskräften. In den letzten zwei Monaten ist es sowohl den Truppen der Palästinensischen Autonomiebehörde als auch der israelischen Armee gelungen, eine außergewöhnlich groß angelegte Operation gegen die Terroristen durchzuführen.
Die Operation Eiserne Wand der IDF ist eine Gelegenheit, die offensichtliche wie grundsätzliche Frage zu stellen: Warum ist das nördliche Westjordanland zu einem Kriegsgebiet geworden, das ohne die Kämpfe im Gazastreifen und im Libanon als die größte Terrorbrutstätte des vergangenen Jahres gegolten hätte; und wie wurde Dschenin zu einem Symbol und einer Hochburg des Terrorismus, mehr noch als Khan Yunis oder Rafah im Gazastreifen?
»Stadt der Märtyrer«
Vor einigen Monaten befand ich mich unmittelbar nach der von den IDF angeführten Operation Sommerlager und vor einer Operation der Palästinensischen Autonomiebehörde im Herzen von Dschenin. Auf dem Platz, der zum Lager führt, dem Epizentrum terroristischer Aktivitäten, standen Bilder von Terroristen, die von Israel eliminiert worden waren. Dies war kein ungewöhnlicher Anblick in einer Stadt, die zum Symbol des Terrorismus im Westjordanland geworden ist. So waren auf einem der Plätze am Eingang zur Stadt riesige Fotos jener beiden Terroristen ausgestellt, die einige Wochen zuvor bei einem Angriff in Jaffa sieben Israelis ermordet hatten. – Willkommen in der »Stadt der Märtyrer«.
Um zu verstehen, was Dschenin zu einer solchen Brutstätte des Terrorismus gemacht hat, muss man dreiundzwanzig Jahre zur Operation Schutzschild im Jahr 2002 zurückgehen. Es war die Zeit des Zweite Intifada genannten Terrorkriegs, der das Leben von über tausend Israelis durch Selbstmordanschläge forderte. So sprengte sich ein Attentäter 2002 während der Pessach-Sederfeier im Park Hotel in Netanya in die Luft, wobei er dreißig Israelis tötete, darunter einen Vater und seine Tochter, mehrere Ehepaare und elf Holocaust-Überlebende. Bis zum 7. Oktober 2023 war dies der tödlichste Anschlag in der Geschichte des Staates Israel.
Nach dem Angriff, der den Höhepunkt einer Reihe von blutigen Monaten darstellte, in denen es fast täglich zu Selbstmordattentaten kam, starteten die IDF die Operation Schutzschild. Die härtesten Kämpfe fanden im Lager Dschenin statt, wo die Terroristen mit Sprengfallen und Hinterhalten gut vorbereitet waren. Insgesamt wurden dabei dreiundzwanzig israelische Soldaten getötet und zwei- bis sechsundfünfzig Palästinenser, die meisten von ihnen bewaffnete Terroristen. Während der zehn Tage andauernden Operation wurden im Rahmen der Kämpfe viele Häuser zerstört.
Und die Menschen in Dschenin erinnern sich an diese Auseinandersetzungen. Das sogenannte Flüchtlingslager in der Stadt ist ein riesiger Slum, der Gewalt und Terrorismus fördert. Arbeitslose junge Menschen, die gegen Israel aufgehetzt sind, leben vom Mythos dessen, was während der Operation Schutzschild geschah und dem angeblichen Heldentum der vorherigen Generation während der Zweiten Intifada.
Das 1953 gegründete Lager Dschenin ist nach Balata am Stadtrand von Nablus das zweitgrößte im Westjordanland. Die genaue Zahl der Bewohner ist unbekannt, aber es könnten zwischen 11.000 und 16.000 Menschen sein, die hier in beengten und ärmlichen Verhältnissen leben.
Das Dschenin-Bataillon
Die jungen Männer nennen sich »Ibn al-Mukhayam« (»Söhne des Lagers«) und anerkennen weder die Autorität der Palästinensischen Autonomiebehörde und ihrer Sicherheitskräfte noch jene der lokalen Führung. Das Lager hat Schritt für Schritt radikale Kräfte in der Stadt gestärkt und gefördert.
In den letzten Jahren – und noch mehr seit dem 7. Oktober 2023 – sind diese Lagerbewohner zu einer bewaffneten Truppe geworden. Im Gegensatz zu Hebron, Ramallah oder sogar zum Gazastreifen schließen sich die terroristischen Kräfte als Einheimische aller Fraktionen zusammen, also nicht nach organisatorischer Zugehörigkeit wie die Hamas oder der Islamische Dschihad. Sie nennen sich Dschenin-Bataillon und haben zumindest vorerst ihre Entschlossenheit und Bereitschaft unter Beweis gestellt, Israelis trotz der Aktivitäten der israelischen Streitkräfte Schaden zuzufügen.
Dies ist auch der Grund für die Operation Iron Wall, die am 21. Januar begann und auf den ersten Blick die Realität vor Ort verändern könnte. Vor Kurzem gaben die IDF erstmals öffentlich die Existenz des Dschenin-Bataillons zu, denn erst dann konnte die Armee ihr Ziel erklären, selbiges zu eliminieren. Die Truppen führten eine außergewöhnliche Militäraktion durch, gingen von Haus zu Haus, suchten nach Munition und bahnten sich durch den Abriss von Häusern Wege durch das Herz des dichten Slums.

Dschenin als Vorbild
Die Operation wurde auch auf Tulkarem ausgedehnt. Die Terror-Bataillone in der Stadt sind ein direkter Ableger jener im Lager Dschenin. Jahrelang sahen sie Dschenin als Vorbild und rüsteten sich mit Waffen und Sprengstoff aus, den sie als Sprengfallen unter die Straßen verlegten, während sie auf das Eintreffen von IDF-Soldaten warteten. Im Laufe der Jahre ist Tulkarem sogar gefährlicher geworden als Dschenin, was nicht zuletzt darauf zurückzuführen ist, dass die Stadt an der Grünen Linie liegt und sich damit in unmittelbarer Nähe zum Zentrum Israels befindet.
Das israelische Militär ist entschlossen, die Kontrolle über das Gebiet zurückzugewinnen, in dem sich bis 2005 einige isolierte israelische Siedlungen befanden und das heute in gewisser Weise ein großer Terrorstaat ist. Die Palästinensische Autonomiebehörde teilt dieses Interesse und möchte hier eine von ihr kontrollierte Verwaltung einsetzen, befürchtet sie doch, die Kontrolle über das gesamte Gebiet des Westjordanlands vollständig zu verlieren, wie Baschar al-Assad die Kontrolle über Syrien verlor; während die IDF den Terrorismus zerschlagen und ihn auf ein Maß reduzieren möchten, das mit einem oder zwei israelischen Militärjeeps bewältigt werden kann, anstatt eine ganze Brigade oder mehr einsetzen zu müssen.
Der Text erschien auf Englisch zuerst beim Jewish News Syndicate. (Übersetzung von Alexander Gruber.)